Kernkraftwerk Akkuyu

Kernkraftwerk

Das seit 2018 im Bau befindliche Kernkraftwerk Akkuyu (türkisch Akkuyu Nükleer Enerji Santrali) ist an der Mittelmeerküste zwischen Aydıncık und Silifke in der Provinz Mersin im Süden der Türkei gelegen.[3] Es soll im Endausbau aus vier Druckwasserreaktoren der WWER-Baureihe mit je 1,1 GW Leistung bestehen.

Kernkraftwerk Akkuyu
Lage
Kernkraftwerk Akkuyu (Türkei)
Kernkraftwerk Akkuyu (Türkei)
Koordinaten 36° 8′ 40″ N, 33° 32′ 28″ OKoordinaten: 36° 8′ 40″ N, 33° 32′ 28″ O
Land Turkei Türkei
Daten
Eigentümer ROSATOM Atomstroyexport
Betreiber ROSATOM Atomstroyexport
Projektbeginn 2010[1]
Kommerzieller Betrieb nicht vor 2022[2][veraltet]

Reaktoren in Bau (Brutto)

4  (4800 MW)
Stand 2022
Die Datenquelle der jeweiligen Einträge findet sich in der Dokumentation.

Entwicklungs- und Baugeschichte Bearbeiten

Bereits in den frühen 1970er und den späten 1990er Jahren gab es Pläne für ein Kernkraftwerk (KKW) an diesem Standort. Sie wurden im Jahr 2000 verworfen und 2006 noch einmal erwogen.[3]

Am 12. Mai 2010 wurde ein türkisch-russisches Abkommen geschlossen. Demnach soll das russische Unternehmen Atomstroiexport das KKW errichten und zunächst auch betreiben. Die Baukosten wurden mit 20 Milliarden US-Dollar angegeben.[3][4] Das geplante Kraftwerk kann mit einer Jahresproduktion von 35 TWh mehr als 10 % des türkischen Elektrizitätsbedarfs decken.[5] Später solle das Kraftwerk mehrheitlich in den Besitz und Betrieb türkischer Unternehmen übergehen.[4]

 
Modell der Anlage

Geplant waren vier Blöcke mit Reaktoren des Typs WWER-1200 (AES-2006), die laut dem ursprünglichen Zeitplan im Zeitraum von 2016 bis 2019 im Abstand von je einem Jahr in Betrieb gehen sollten.[4] Nach der Nuklearkatastrophe von Fukushima verschob sich dieser Plan aufgrund verschärfter Baustandards bezüglich der Erdbebensicherheit auf vorerst Mitte 2013 für den ersten Kraftwerksblock, mit einer kommerziellen Inbetriebnahme ab dem Jahr 2019.[1]

Anfang 2013 wurde mitgeteilt, dass ein Vertrag mit Baubeginn im Frühjahr 2014 unterzeichnet wurde. Laut diesem Zeitplan sollte der kommerzielle Betrieb im Jahre 2019 beginnen. Der letzte (vierte) Block solle 2023 fertiggestellt werden. Die Baukosten sollten „bis zu 25 Milliarden US-Dollar“ betragen.

Den AKW-Betreibern wurde die Abnahme der erzeugten elektrischen Energie für 12,35 US-Cent je kWh garantiert. Die Abnahmegarantie bezieht sich auf einen Zeitraum von 15 Jahren und gilt für 70 % des von den ersten beiden Blöcken erzeugten Stroms, beim dritten und vierten Block sind es 30 %. Die darüber hinausgehenden Mengen sollen frei zu marktüblichen Preisen verkauft werden.[3]

Nachdem Verantwortliche im Oktober 2013 bereits verkündet hatten, dass sich die Inbetriebnahme auf Mitte 2020 verzögern werde, wurde im Februar 2014 eine weitere Verzögerung der Inbetriebnahme bekannt: Da eine Überprüfung des Umweltverträglichkeitsberichts bisher nicht zustande kam, verzögere sich der Baubeginn auf das Jahr 2016 und die Inbetriebnahme auf das Jahr 2021. Im März 2015 wurde der Termin der Inbetriebnahme auf 2022 verschoben.[6] Im September 2023 wurde eine Inbetriebnahme im Oktober 2024 angekündigt.[7]

Grundsteinlegung 2015 Bearbeiten

Am 14. April 2015 legte Energieminister Taner Yıldız, begleitet von Protestaktionen, offiziell den Grundstein.[8][9][3]

Der russische Präsident Putin äußerte im November 2015, einige Tage nach dem Abschuss einer Suchoi Su-24 der russischen Luftwaffe durch einen Abfangjäger der türkischen Luftstreitkräfte, das Projekt Kernkraftwerk Akkuyu bleibe bis auf Weiteres von Sanktionen verschont.[10] Am 9. Dezember 2015 meldete die Nachrichtenagentur Reuters, Rosatom habe die Bauarbeiten gestoppt.[11] Rosatom und das türkische Ministerium für Energie und natürliche Ressourcen dementierten dies umgehend.[12]

Baustart 2018 zelebriert Bearbeiten

Anlässlich eines Staatsbesuchs in Ankara gaben am 3. April 2018 der russische Staatspräsident Putin und der türkische Präsident Erdoğan den „Startschuss“ für den Bau, der unter Federführung der russischen Rosatom erfolgt.[13] Stand Juli 2022 soll der erste Reaktor im Jahr 2023 erstmals Strom produzieren.[14] Die Bauarbeiten wurden im Sommer 2022 zu großen Teilen unterbrochen, nachdem im Juli der türkische Auftragnehmer vom Konsortium entlassen worden war. Im September wurde der Vertrag nach Gesprächen auf höchster Ebene erneuert. Zwischenzeitlich waren möglicherweise bis zu 7000 Bauarbeiter von der Baustelle ausgeschlossen gewesen, im September lag die verarbeitete Betonmenge pro Tag bei rund 10 Prozent der Menge vom Juli.[15]

Kritik Bearbeiten

 
Karte der erdbebengefährdeten Gebiete der Türkei

Die Türkei ist – ähnlich wie große Teile des Balkans oder Italiens – eine seismisch aktive Zone mit moderat bis hohem Erdbebenrisiko.[16] In der Vergangenheit hat es in der Region starke Erdbeben gegeben, siehe Nordanatolische Verwerfung. Kritiker halten den Standort Akkuyu wegen seiner Nähe zu einer tektonischen Verwerfung für stark erdbebengefährdet, wobei die Provinz Mersin innerhalb der Türkei zu den geologisch ruhigeren Zonen zählt. Die Auslegung des AKW auf ein Erdbeben mit einer Magnitude von 6,5 auf der Richterskala erscheint angesichts von möglicherweise stärkeren Erdbeben bedenklich.[3][17]

Laut Moritz Kütt vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg könne der Bau auch den Vorbereitungen des Baus türkischer Kernwaffen dienen.[18]

Daten der Reaktorblöcke Bearbeiten

Das Kernkraftwerk Akkuyu umfasst vier in Bau befindliche Blöcke:[19][20][21]

Reaktor-
block
Reaktortyp
/ -modell
Netto-
leistung
Brutto-
leistung
Baubeginn Netzsyn-
chronisation
Kommer-
zieller Betrieb
Abschal-
tung
Akkuyu-1[22] DWR / WWER V-509 1114 MW 1200 MW 03.04.2018 (2023 geplant)[veraltet]
Akkuyu-2[23] DWR / WWER V-509 1114 MW 1200 MW 08.04.2020 (2024 geplant)
Akkuyu-3[24] DWR / WWER V-509 1114 MW 1200 MW 10.03.2021 (2025 geplant)
Akkuyu-4 DWR / WWER V-509 1114 MW 1200 MW 21.07.2022 (2026 geplant)

Siehe auch Bearbeiten

Fußnoten Bearbeiten

  1. a b Künftiges türkisches AKW soll erdbebensicher sein – russischer Projektant. RIA Novosti, 18. April 2011, archiviert vom Original am 29. Mai 2011; abgerufen am 11. August 2011.
  2. http://bizzenergytoday.com/atomstrom_nicht_vor_2022
  3. a b c d e f Akkuyu Nuclear Power Plant, Turkey. power-technology.com, abgerufen am 10. August 2011 (englisch).
  4. a b c Russian plant for Turkey's Akkuyu. World Nuclear News, 13. Mai 2010, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. März 2012; abgerufen am 10. August 2011 (englisch).
  5. Firdevs Yüksel, Hüseyin Erdoğan: Akkuyu nuclear plant to break ground Tuesday. Anadolu Agency, 2. April 2018, abgerufen am 19. April 2021.
  6. bizzenergytoday: Atomstrom nicht vor 2022, abgerufen am 28. März 2015.
  7. [1], abgerufen am 19. Dezember 2023
  8. Türkei beginnt mit Bau von erstem Atomkraftwerk (Memento vom 17. Juli 2015 im Internet Archive), aufgerufen am 14. April 2015
  9. Protest marks ground breaking ceremony for Turkey’s first nuclear power plant
  10. So sieht Putins Strafliste für die Türkei aus, Die Welt vom 1. Dezember 2015
  11. Diplomatische Spannungen: Russland stoppt Bau von türkischem AKW. 9. Dezember 2015, abgerufen am 26. Februar 2017.
  12. Construction of Turkey’s first nuclear plant continues as planned. Daily Sabah, 9. Dezember 2015, abgerufen am 22. Dezember 2015. (englisch)
  13. Putin in Ankara: Startschuss für erstes türkisches AKW orf.at, 3. April 2018, abgerufen 3. April 2018.
  14. Hot metal for Akkuyu 4 : New Nuclear - World Nuclear News. In: world-nuclear-news.org. Abgerufen am 12. Juli 2022.
  15. Turkish construction company reinstated at Akkuyu NPP, neimagazine.com, 20. September 2022
  16. Global Seismic Hazard Map, des Global Seismic Hazard Assessment Programs (GSHAP), 1999.
  17. Atomkatastrophe in Japan: Türkei und Tepco „Hoffnungslos ignorant“. sueddeutsche.de, 17. März 2011, abgerufen am 10. August 2011.
  18. Christian Herrmann: Türkei, Südkorea und Japan: Sind diese Staaten bald Atommächte? In: n-tv.de. 21. Februar 2021, abgerufen am 10. Februar 2024.
  19. Nuclear Power in Turkey. World Nuclear Association, März 2021, abgerufen am 18. April 2021 (englisch).
  20. PRIS: Turkey. In: Country Statistics. IAEA, 17. April 2021, abgerufen am 18. April 2021.
  21. Construction begins of fourth Turkish reactor. In: World Nuclear News. 21. Juli 2022, abgerufen am 24. Juli 2022.
  22. PRIS: AKKUYU-1. In: Power Reactor Information System. International Atomic Energy Agency, 17. April 2021, abgerufen am 18. April 2021.
  23. PRIS: AKKUYU-2. In: Power Reactor Information System. International Atomic Energy Agency, 17. April 2021, abgerufen am 18. April 2021.
  24. PRIS: AKKUYU-3. In: Power Reactor Information System. International Atomic Energy Agency, 17. April 2021, abgerufen am 18. April 2021.