Die Karpatendeutsche Partei (KdP) war eine politische Partei in der Ersten Tschechoslowakischen Republik, die unter der karpatendeutschen Minderheit in der Slowakei und der Karpatenukraine aktiv war.[1][2] Sie war zunächst eine bürgerlich-zentristische Partei, entwickelte sich aber seit dem Beginn der Zusammenarbeit mit der Sudetendeutschen Partei (SdP) im Jahr 1933 nationalsozialistisch.[3]

Geschichte Bearbeiten

Karpatendeutsche Volksgemeinschaft Bearbeiten

Die KdP entstand 1927 als Karpatendeutsche Volksgemeinschaft (KDV), gegründet von Männern wie Roland Steinacker (Professor für Theologie aus Bratislava), dem sudetendeutschen Industriellen Karl Manouschek, Samuel Frühwirth, dem protestantischen Pastor Carl Eugen Schmidt und dem Ingenieur Franz Karmasin.[3][4][5][6][2][7] Die KDV hatte ihren Schwerpunkt hauptsächlich in Preßburg (slow. Bratislava) und Umgebung und versammelte um sich das deutsche Bürgertum und Sympathisanten verschiedener politischer Parteien (wie Bund der Landwirte, Deutsche Nationalpartei und Deutsche Demokratische Fortschrittspartei).[8] Sie organisierte auch Sudetendeutsche, die in der Slowakei lebten.[8]

Parteigründung Bearbeiten

Die KdP wurde im Juli 1928 als politische Partei in Nálepkovo/Wagendrüssel mit Blick auf die Wahlen gegründet.[3][5][9][10] Sie wurde bis 1933 von Roland Steinacker geleitet.[3]

Die Partei hatte eine christliche und antimarxistische Einstellung und positionierte sich loyal gegenüber dem tschechoslowakischen Staat.[10][11] Ein zentrales Anliegen der Gründer der KdP war es, die Deutschen in der Slowakei von den von den Ungarn dominierten Parteien fernzuhalten.[10][11] Die neue Partei hoffte auf den politischen Bruch der Zipser Deutschen Partei.[12] In Bezug auf die Identität vertrat die KdP den Standpunkt einer „karpatendeutschen“ Identität im Gegensatz zu der „zipserdeutschen“ Identität, die traditionell mit der ungarischen Monarchie verbunden war.[9]

Wahl 1929 Bearbeiten

Die KdP hat die Parlamentswahl 1929 im Rahmen der Deutschen Wahlkoalition im Bündnis mit dem Bund der Landwirte und der Deutschen Arbeits- und Wirtschaftsgemeinschaft bestritten.[3] Während das Bündnis 16 Sitze in der Abgeordnetenkammer und neun Sitze im Senat errang, wurden keine KdP-Kandidaten gewählt.[3] Das Bündnis erhielt 16.922 Stimmen in den Gebieten der Karpatendeutschen (Slowakei und Karpatenvorland).[13]

1933–1934 Bearbeiten

Desider Alexy wurde 1933 Vorsitzender der KdP.[3] Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung in Deutschland rückte die KdP schrittweise näher an die Sudetendeutsche Heimatfront heran (die sich später zur Sudetendeutschen Partei entwickelte).[14][15] Die KdP gründete 1934 die Wochenzeitung Deutsche Stimmen als Parteiorgan.[16][17][18]

Wahl 1935 Bearbeiten

Bei den Parlamentswahlen von 1935 trat die KdP gemeinsam mit der Sudetendeutschen Partei an.[3] Die Vereinbarung zwischen den beiden Parteien wurde am 28. März 1935 erreicht.[19] Ein KdP-Kandidat wurde gewählt, Siegmund Keil errang einen Senatssitz im 11. Wahlbezirk von Neuhäusel (slow. Nové Zámky).[3] Darüber hinaus wurde Karmasin als Kandidat aus dem 10. Wahlbezirk von Iglau (slow. Jihlava) in die Abgeordnetenkammer gewählt.[3] In der tschechoslowakischen Nationalversammlung bildeten SdP und KdP gemeinsame Fraktionen in der Abgeordnetenkammer und im Senat.[3] Insgesamt hatte die KdP rund 30.000 Stimmen (gegenüber einer Gesamtzahl von rund 150.000 Karpatendeutschen) erhalten.[6] Tatsächlich wurde die KdP in der karpatendeutschen Gemeinschaft nicht so dominant wie die SdP im Sudetenland.[6]

Vereinigung mit der SdP Bearbeiten

Im November 1935 schloss sich die KdP mit der SdP nach dem Führerprinzip zusammen.[6][12] Der offizielle Name der SdP wurde Sudetendeutsche und Karpatendeutsche Partei.[12][20] Die KdP-Organisation wurde nach der der SdP umgestaltet.[6] Karmasin wurde von SdP-Führer Konrad Henlein als Stellvertreter für die Karpatenregion benannt.[3][6][21] Das Symbol der KdP ist dem der SdP nachempfunden, einem länglichen roten Schild mit den Buchstaben KdP.[22]

Als das Bündnis mit der Sudetendeutschen Partei gefestigt wurde, begann die KdP, ihren Einfluss unter einer jüngeren Generation von Deutschen in der Slowakei zu vergrößern.[6] Viele der neuen Anhänger der KdP waren von deutschsprachigen Fachschulen in Böhmen und Mähren-Schlesien oder der Deutschen Universität in Prag zurückgekehrt.[6] Die KdP konnte eine relativ starke Präsenz in der Mittelslowakei aufbauen und in Zips eine Rolle in der jüngeren Generation übernehmen.[12] Die ältere Generation von Zipser-Deutschen und kommunistischen Sympathisanten blieb jedoch Karmasin und seiner Partei gegenüber skeptisch.[9][12]

Bündnis mit ungarischen Parteien Bearbeiten

Henlein besuchte Preßburg am 27. April 1936.[9] Während seines Besuchs appellierte er an die Führer der ungarischen Parteien in der Slowakei, ein Bündnis zu schließen.[9] Ein solches Bündnis, das bei den Kommunalwahlen von 1937 realisiert wurde, führte dazu, dass die Vereinigte Ungarische Partei ihre Verbindungen zur Zipser Deutschen Partei abbrach,[9] was zur Niederlage dieser Partei bei den Wahlen von 1937 führte.[9]

Parteiverbot Bearbeiten

Die KdP und die SdP wurden von der tschechoslowakischen Regierung während der Sudetenkrise im September 1938 verboten.[3][6] Am 8. Oktober 1938 wurde die Deutsche Partei als Nachfolgeorganisation der KdP gegründet.[23] Karmasin wurde später Staatssekretär für deutsche Angelegenheiten, Sturmbannführer der Waffen-SS[24] und im März 1940 Volksgruppenführer der Deutschen in der Slowakei.[25]

Literatur Bearbeiten

  • Mads Ole Balling: Von Reval bis Bukarest – Statistisch-Biographisches Handbuch der Parlamentarier der deutschen Minderheiten in Ostmittel- und Südosteuropa 1919–1945, Band 1, Kopenhagen 1991, ISBN 978-87-983829-3-5, S. 277–278.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. J. Krejcí, P. Machonin: Czechoslovakia, 1918–92: A Laboratory for Social Change. Palgrave Macmillan UK, 1998, ISBN 978-0-230-37721-9, S. 16 (google.com).
  2. a b Giuseppe Motta: Less than Nations: Central-Eastern European Minorities after WWI, Volumes 1 and 2. Cambridge Scholars Publishing, 2014, ISBN 978-1-4438-5859-5, S. 218 (google.com).
  3. a b c d e f g h i j k l m Mads Ole Balling: Von Reval bis Bukarest: Einleitung, Systematik, Quellen und Methoden, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechoslowakei. Dokumentation Verlag, 1991, ISBN 978-87-983829-3-5, S. 277–280, 397, 449 (google.com).
  4. Dusan Kovac, Wolfgang Mueller, Michael Portmann: Nation, Nationalitäten und Nationalismus im östlichen Europa: Festschrift für Arnold Suppan zum 65. Geburtstag. Hrsg.: Marija Wakounig. LIT Verlag Münster, 2010, ISBN 978-3-643-50241-4, Die Karpatendeutsche Identität im Kräftefeld der mitteleuropäischen Politik 1918-1845, S. 249–62 (google.com [abgerufen am 25. März 2016]).
  5. a b Karl Bosl: Die erste Tschechoslowakische Republik als multinationaler Parteienstaat: Vorträge d. Tagungen d. Collegium Carolinum in Bad Wiessee vom 24.-27. November 1977 u. vom 20.-23. April 1978. Oldenbourg, 1979, ISBN 978-3-486-49181-4, S. 213–214 (google.com).
  6. a b c d e f g h i The Expulsion of the German Population from Czechoslovakia. 1960, S. 138–140 (google.com).
  7. Egbert K. Jahn: Die Deutschen in der Slowakei in den Jahren 1918–1929: Beitrag zur Nationalitätenproblematik. Oldenbourg, 1971, ISBN 978-3-486-43321-0, S. 122 (google.com).
  8. a b Paul Brosz: Das letzte Jahrhundert der Karpatendeutschen in der Slowakei. Arbeitsgemeinschaft der Karpatendeutschen aus der Slowakei, 1992, S. 72–73 (google.com).
  9. a b c d e f g Marija Wakounig, Wolfgang Mueller, Michael Portmann: Nation, Nationalitäten und Nationalismus im östlichen Europa: Festschrift für Arnold Suppan zum 65. Geburtstag. LIT Verlag Münster, 2010, ISBN 978-3-643-50241-4, S. 257, 262 (google.com).
  10. a b c Jörg Meier: Beiträge zur Kulturgeschichte der Deutschen in der Slowakei. Weidler, 2006, ISBN 978-3-89693-462-8, S. 45 (google.com).
  11. a b Roland Schönfeld: Slowakei: vom Mittelalter bis zur Gegenwart. F. Pustet, 2000, ISBN 978-3-7917-1723-4, S. 136 (google.com).
  12. a b c d e Österreichische Osthefte. 1–2 Auflage. Band 33. Österreichisches Ost- und Südosteuropa-Institut, 1991, S. 278–279 (google.com).
  13. Manuel Statistique de la Republique Tchecoslovaque. IV. 1932. Prag. Annuaire Statistique de la Republique Tchecoslovaque. S. 401–402.
  14. German Foreign Policy. Institute for International Relations, 1963, S. 77 (google.com).
  15. Nation und Staat; deutsche Zeitschrift für das europäische minoritätenproblem. Band 16, 1942, S. 149 (google.com).
  16. Ernst Hochberger, Anton Scherer, Friedrich Spiegel-Schmidt: Die Deutschen zwischen Karpaten und Krain. Langen Müller, 1994, ISBN 978-3-7844-2478-1, S. 36 (google.com).
  17. Josef Spetko: Die Slowakei: Heimat der Völker. Amalthea, 1991, ISBN 978-3-85002-306-1, S. 91 (google.com).
  18. Ján Tibenský: Slovensko: Kultúra. Obzor, 1980, S. 597 (google.com).
  19. Gerhard L. Weinberg: Hitler's Foreign Policy 1933–1939: The Road to World War II. Enigma Books, 2013, ISBN 978-1-936274-84-0, S. 177 (google.com).
  20. Great Soviet Eccyclopedia. 1980, S. 205 (google.com).
  21. Raymond Edward Murphy, Francis Bowden Stevens, Howard Trivers, Joseph Morgan Roland: National socialism: basic principles, their application by the Nazi party's foreign organization, and the use of Germans abroad for Nazi aims. U.S. Govt. Print. Off., 1943, S. 480 (google.com).
  22. John Randolph Angolia, David Littlejohn, C. M. Dodkins: Edged weaponry of the Third Reich. R. J. Bender, 1974, S. 84 (google.com).
  23. Mads Ole Balling: Von Reval bis Bukarest: Einleitung, Systematik, Quellen und Methoden, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechoslowakei. Dokumentation Verlag, 1991, ISBN 978-87-983829-3-5, S. 283–284 (google.com).
  24. Jefferson Adams: Historical Dictionary of German Intelligence. Scarecrow Press, 2009, ISBN 978-0-8108-6320-0, Karmasin, Franz (1901–1970), S. 223 (google.com).
  25. Tobias Weger: „Volkstumskampf“ ohne Ende? Sudetendeutsche Organisationen, 1945–1955. Peter Lang, 2008, ISBN 978-3-631-57104-0, S. 605.