Julius Reiter

deutscher Rechtsanwalt, Autor und Professor (Wirtschaftsrecht, IT-Recht)

Julius Reiter (* 17. Mai 1964 in Neumünster) ist ein deutscher Rechtsanwalt, Autor und Professor für Wirtschaftsrecht mit den Schwerpunkten Bank-, IT-Recht und Compliance. Er fungiert seit 2019 als Vorstandsmitglied von Transparency International (Deutschland)[1].

Julius Reiter

Werdegang Bearbeiten

Reiter wuchs als Sohn einer italoamerikanischen Mutter und eines deutschen Vaters in Norddeutschland und Italien (Parma) auf und studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten Kiel, Paris und Köln. Im Jahr 1995 legte er das erste juristische Staatsexamen ab, das zweite Examen folgte 1998. Anschließend promovierte er an der Humboldt-Universität zu Berlin. Während dieser Zeit war er sieben Jahre lang als wissenschaftlicher Mitarbeiter von Gerhart Baum im Deutschen Bundestag in Bonn aktiv[2], mit dem er später in der gemeinsamen Kanzlei zusammenarbeitete.

Mit Abschluss des zweiten Staatsexamens begann Reiter seine Tätigkeit als Rechtsanwalt. Nach einigen Jahren in einer auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei gründete er 2001 mit Olaf Methner die Kanzlei baum reiter & collegen in Düsseldorf mit den Schwerpunkten Bankhaftungs-, Kapitalanlage- und Kreditrecht, IT- sowie Arbeitsrecht. Im selben Jahr schloss er den Fachanwaltslehrgang für Arbeitsrecht ab.[3]

Seit 2008 ist Reiter zudem Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, seit 2014 auch Fachanwalt für Informationstechnologierecht. Er wird regelmäßig als Sachverständiger zu Gesetzgebungsverfahren in den Bundestag geladen[4]. Von 2011 an lehrte Reiter an der FOM Hochschule (Düsseldorf) Bank- und Kreditrecht sowie IT-Recht; 2012 erfolgte die Ernennung zum Professor für Wirtschaftsrecht[5].

Mit seiner Kanzlei vertrat er zahlreiche geschädigte Anleger im Schrottimmobilienskandal[6] sowie Betroffene von Datenskandalen bei der Telekom und der Deutschen Bahn AG[7]. Zu Reiters großen Fällen gehörte darüber hinaus die Loveparade-Katastrophe von Duisburg: Hier betreute seine Kanzlei Opfer und Hinterbliebene[8], zudem handelte er mit der nordrhein-westfälischen Staatskanzlei einen Opferfonds im Volumen von fünf Millionen Euro aus[9]. Auch im VW-Abgasskandal vertritt Reiters Kanzlei zahlreiche Betroffene[10].

Autor Bearbeiten

Im Jahr 2009 veröffentlichte Julius Reiter gemeinsam mit Gerhart Baum und Olaf Methner das Fachbuch Abkassiert. Die skandalösen Methoden der Finanzbranche[11], in dem die Autoren mehr Verbraucherschutz in der Finanzbranche fordern.

Drei Jahre später veröffentlichte er gemeinsam mit anderen Experten das Fachbuch Mit Compliance Wirtschaftskriminalität vermeiden[12]. Es erörtert die Bedeutung effektiver Compliance-Strukturen und -Methoden zur Aufdeckung und Prävention von Straftaten in Unternehmen.

Zudem gehört Reiter zu den knapp fünfzig Autoren des Buches In liberaler Mission. Gerhart Baum und die deutsche Demokratie, das im Jahr 2022 zum neunzigsten Geburtstag von Gerhart Baum erschien (Herausgeberin: Sabine Leutheusser-Schnarrenberger)[13]. Der von Reiter verfasste Essay trägt den Titel Väterlicher Freund und Anwalt der Freiheit.

Darüber hinaus ist Reiter Herausgeber des Buches Immobilienverrentung. Modelle, Vertragsgestaltung und Verbraucherschutz (Schäffer-Poeschel Verlag, 2023).[14]

Engagement Bearbeiten

Im Jahr 2003 gründete Julius Reiter den Lions Club Düsseldorf-Schloss Benrath.[15]

Seit Juni 2019 ist Reiter Vorstandsmitglied von Transparency International (Deutschland).

Reiter ist FDP-Mitglied, 2017 war er in der Arbeitsgruppe Innen-, Recht und Justiz an den Koalitionsverhandlungen in NRW beteiligt. Im selben Jahr wurde Reiter in die Regierungskommission „Mehr Sicherheit für Nordrhein-Westfalen“ berufen. In dieser sogenannten Bosbach-Kommission fungierte er als Experte für Informationstechnologierecht.[16]

Außerdem ist er Gründungsmitglied der Lobby für Demokratie (Düsseldorf) und der Bürgerbewegung Finanzwende e. V., für deren Forderungen er sich immer wieder starkmacht.[17]

Besondere Fälle Bearbeiten

  • Zusammen mit Gerhart Baum und Peter Schantz legte Julius Reiter erfolgreich Verfassungsbeschwerde gegen die Online-Durchsuchung ein. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 27. Februar 2008 weite Teile des Gesetzes für verfassungswidrig. In der Urteilsbegründung hieß es, dass es „einen Kernbereich unbeobachteter Kommunikation geben muss.“[18] Das Bundesverfassungsgericht begründete auf Grund dieser Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren das so genannte „Computer-Grundrecht“ in Fortschreibung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.
  • Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung: In diesem Verfahren war Gerhart Baum Beschwerdeführer, die Kanzlei baum reiter & collegen trat als Prozessbevollmächtigte vor dem Bundesverfassungsgericht auf. Die Beschwerde richtete sich gegen die gesetzliche Verpflichtung, anlasslos alle telefonischen Verbindungsdaten für sechs Monate zu speichern. Dieses Gesetz wurde auf Grund der Verfassungsbeschwerde für verfassungswidrig und nichtig erklärt.[19]
  • Verfassungsbeschwerde gegen „ELENA“ (Elektronisches Entgeltnachweis-Verfahren): In diesem Gesetzgebungsverfahren ging es um die Möglichkeit der zentralen Speicherung sämtlicher Beschäftigtendaten. Die Kanzlei vertrat als Prozessbevollmächtigte der Beschwerdeführer u. a. einen Berufsrichter, die Umsetzung des Gesetzes wurde jedoch vor einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auf Grund der erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken wieder eingestellt.
  • Verfassungsbeschwerde gegen die Neufassung des BKA-Gesetzes: In diesem Verfahren war Reiters Kanzlei Prozessbevollmächtigte und vertrat Repräsentanten der Berufsgruppen Ärzte, Journalisten, Rechtsanwälte u. a. Die Verfassungsbeschwerde richtete sich gegen die gesetzliche Möglichkeit, selbst Geheimnisträger abhören zu dürfen. Die Verfassungsbeschwerde gegen das BKA-Gesetz war erfolgreich.[20]
  • Telekom-Bespitzelungsaffäre: Die Kanzlei von Julius Reiter vertrat die von rechtswidrigen Bespitzelungen aus der Zeit ab 2006 betroffenen Arbeitnehmer-Vertreter im Aufsichtsrat der Deutschen Telekom sowie betroffene Betriebsräte und deren Mitarbeiter. Von der Telekom wurden Entschädigungszahlungen für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts geleistet.
  • Datenschutzaffäre Deutsche Bahn AG: Die Kanzlei von Julius Reiter wurde 2009 vom Aufsichtsrat der Deutschen Bahn beauftragt, Sonderermittlungen zur Aufklärung der Datenschutzaffäre bei der Deutschen Bahn durchzuführen. Dabei ging es um Personaldaten-Screening, E-Mail-Filterung und die Bespitzelung von Bahnkritikern aus dem parlamentarischen Umfeld[21]. Aufgrund des Abschlussberichtes wurde als Konsequenz fast der gesamte Vorstand der Deutschen Bahn AG ausgewechselt.
  • Loveparade-Verfahren: Die Kanzlei vertrat über 100 Opfer und Hinterbliebene der Loveparade-Katastrophe von Duisburg[22]. Mit der Beschwerde gegen den Einstellungsbeschluss des Landgerichts Duisburg sorgte Reiter dafür, dass das OLG Düsseldorf den Beschluss aufhob und die Eröffnung des Strafprozesses anordnete.

Veröffentlichungen (Auswahl) Bearbeiten

Fachliteratur Bearbeiten

  • mit Michael Harz, Raimund Weyand, Olaf Methner und Daniel Noa: ‚Mit Compliance Wirtschaftskriminalität vermeiden‘, Risikoprävention, Früherkennung, Fallbeispiele. Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-7992-6472-3.
  • mit Gerhart Baum und Olaf Methner: Abkassiert – die skandalösen Methoden der Finanzbranche. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2009, ISBN 978-3-498-00662-4.
  • Entstehungsgeschichte und staatsrechtliche Theorie der italienischen Carta del Lavoro (= Rechtshistorische Reihe, Bd. 316). Peter Lang Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-631-54340-5.

Kommentierungen und Beiträge Bearbeiten

Aufsätze und Entscheidungssprechungen Bearbeiten

  • mit Stefan Heinemann und Alexander Zureck: Wert der Karriere versus Karriere mit Werten? In: bdvb aktuell, 2012, Jg. 118, Nr. 4, S. 26–27.
  • BGH: Aufklärungspflicht des Vertragspartners eines Kapitalanlegers über die Zahlung von Vertriebsprovisionen. In: BetriebsBerater, 2012, Nr. 9, S. 538.
  • Produktinformationsblätter und Haftung. In: Hartmut Koschyk, Stefan Leible, Klaus Schäfer (Hrsg.): Anlegerschutz und Stabilität der Finanzmärkte, JWV Jenaer Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Jena 2012, S. 229–234.

mit Olaf Methner:

  • Datenschutz im Fahrzeug[23]. In: Zeitschrift zum Innovations- und Technikrecht, Frankfurt am Main 2015, S. 29–34.
  • Die Interessenkollision beim Anlageberater – Unterschiede zwischen Honorar- und Provisionsberatung -. In: WM 2013, S. 2053–2059.
  • Gesetzentwurf zum Anlegerschutz – Wiederherstellung von Vertrauen in Zeiten der Finanzkrise. Gastkommentar. In: Der Betrieb 2009, Heft 14, Editorial.

mit Gerhart Baum:

  • Gesetzgeberischer Nachholbedarf für einen verbesserten Anlegerschutz. In: Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (BKR) 2002, S. 851–856.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Transparency International Deutschland e.V: Vorstand. Abgerufen am 4. September 2023.
  2. In liberaler Mission. Abgerufen am 4. September 2023.
  3. Vita auf Homepage der Kanzlei baum reiter & collegen.
  4. Volker Müller: Deutscher Bundestag – Neue Regelungen für Immobilienkredite. Abgerufen am 4. September 2023.
  5. FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige Gesellschaft mbH: Compliance im Unternehmensalltag: Prof. Dr. Julius Reiter über Wirtschaftskriminalität und ihre Folgen. In: FOM Hochschule. Abgerufen am 4. September 2023.
  6. Petra Blum, manager magazin: Schrottimmobilien: „Eine echte Perspektive auf Erfolg“. 22. März 2007, abgerufen am 4. September 2023.
  7. Datenaffäre: SPD und Grüne kritisieren „Maulkorb“ der DB. Abgerufen am 4. September 2023.
  8. deutschlandfunk.de: Loveparade-Prozess – „Die Großen hat man schon laufen lassen“. Abgerufen am 4. September 2023.
  9. In liberaler Mission. Abgerufen am 4. September 2023.
  10. Düsseldorfer Kanzlei droht VW mit 5000 Klagen enttäuschter Diesel-Kunden – Ddorf-Aktuell – Internetzeitung Düsseldorf. 29. August 2017, abgerufen am 4. September 2023.
  11. Gerhart Baum, Julius Reiter, Olaf Methner: Abkassiert. Die skandalösen Methoden der Finanzbranche. 1. Auflage. Rowohlt E-Book, 2009 (amazon.de [abgerufen am 4. September 2023]).
  12. Michael Harz, Raimund Weyand, Olaf Methner, Daniel Noa, Jérôme Massek: Mit Compliance Wirtschaftskriminalität vermeiden: Risikoprävention, Früherkennung, Fallbeispiele. 1. Auflage. Schäffer-Poeschel, Stuttgart 2012, ISBN 978-3-7910-2954-2 (amazon.de [abgerufen am 4. September 2023]).
  13. In liberaler Mission. Abgerufen am 4. September 2023.
  14. Julius Reiter (Hrsg.): Immobilienverrentung: Modell, Vertragsgestaltung, Verbraucherschutz. Abgerufen am 9. April 2023.
  15. Lions Club Düsseldorf-Schloss Benrath, abgerufen am 24. Februar 2014.
  16. Die Mitglieder der Regierungskommission | Das Landesportal Wir in NRW. 17. Januar 2018, abgerufen am 21. März 2018.
  17. Studie über die Finanzlobby: Im Auftrag des Geldes. In: Finanzwende Recherche. Abgerufen am 4. September 2023.
  18. Bundesverfassungsgericht, Urteil des ersten Senats vom 27. Februar 2008.
  19. Bundesverfassungsgericht, Urteil des ersten Senats vom 2. März 2008, 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08.
  20. Ivana Dal Corso: BKA-GESETZ UNVERHÄLTNISMÄSSIG NACHBESSERUNG. In: Baum Reiter & Collegen. 5. März 2018, abgerufen am 4. September 2023.
  21. Datenaffäre: SPD und Grüne kritisieren „Maulkorb“ der DB. Abgerufen am 4. September 2023.
  22. deutschlandfunkkultur.de: Love Parade-Prozess - Wer verantwortet die „organisierte Verantwortungslosigkeit“? Abgerufen am 4. September 2023.
  23. Datenschutz im Fahrzeug. Abgerufen am 24. Oktober 2023.