Jugend (Erzählung)

Buch von Joseph Conrad

Jugend (engl. Originaltitel Youth) ist eine von Joseph Conrad im Jahre 1898 verfasste, aber erst 1902 im Erzählband Youth, a Narrative, and Two Other Stories veröffentlichte Erzählung.

Youth: A Narrative, 1902

Die Geschichte handelt von dem jungen Seemann Marlow, der als zweiter Offizier seine erste Reise nach Asien antritt. Dreimal kommt es noch in europäischen Gewässern fast zu Katastrophen, bevor das Schiff südlich von Java in Flammen aufgeht.

In der Rahmenhandlung sitzt Kapitän Marlow 22 Jahre nach jener Reise mit vier befreundeten Seemännern zusammen und erzählt von diesen Ereignissen. Wie schon in anderen Erzählungen baut die Geschichte auf eigenen autobiografischen Erlebnissen Conrads auf.

Handlung Bearbeiten

Das Schiff Judea auf dem er anheuert, soll eine Ladung Kohle nach Bangkok bringen. Es verlässt London mit Sand-Ballast, um in einem nördlichen Hafen Kohle für Bangkok zu laden, aber die Ladung verrutscht in einem schweren Sturm. Sie werden in der Nordsee von Yarmouth Richtung Doggerbank abgetrieben und von einem Schlepper nach Norden gebracht, wodurch sie den Ladetermin versäumen und erst nach 4 Wochen schließlich beladen werden.

Als das Schiff dann schließlich ablegen soll, wird es in der Nacht zuvor von einem Dampfer gerammt und stark beschädigt. Die dadurch anfallenden Reparaturarbeiten verursachen eine weitere Verzögerung um 3 Wochen.

Schließlich läuft das Schiff nach Bangkok aus, aber nach Nordsee und Kanal ändert sich wächst der Wind zum Sturm und 300 Seemeilen westlich von Lizard-Point (Cornwall) schlägt das Schiff ist leck. Fast es schaffen es die Pumpen nicht, aber sie bringen das Schiff zurück nach Falmouth.

Nach sechsmonatiger Reparatur läuft das Schiff erneut aus und gelangt ohne weitere Zwischenfälle bis vor die Küste Javas. Dort entzündet sich die geladene Kohle von selbst. Zwar gelingt es der Mannschaft, das Feuer einige Tage in Schach zu halten, doch kommt es schließlich vor der Küste Javas zu einer heftigen Explosion, die einen großen Teil des Decks zerfetzt.

In dieser Situation bietet ein Dampferkapitän seine Hilfe an. Der Kapitän der Judea lehnt aber ab, da er vor dem Verlassen des Schiffes für die Versicherung so viele Wertgegenstände wie möglich auf die Rettungsboote bringen lassen will. In drei Booten macht sich schließlich die Mannschaft auf den Weg zur Küste. Dabei erhält Marlow das Kommando über eines der Boote. Von jugendlichem Ehrgeiz getrieben, erreicht er schließlich noch vor dem Kapitän die Küste Javas und somit den ersehnten Orient.

Erzählweise Bearbeiten

Zum ersten Mal verwendet Conrad hier die Figur des Marlow als Erzähler für einen kleinen Kreis von Freunden, die auch im Herz der Finsternis in der Rahmenhandlung verwendet werden. Die eigentliche Geschichte wird von Marlow in direkter Rede erzählt, weshalb es sich bei dieser um eine Ich-Erzählung und somit um eine personale Erzählsituation handelt.

Marlow, der in die Rahmenerzählung eingebettete zweite Erzähler der Geschichte, will mit seinem Bericht ein „Sinnbild des Daseins“[1] zeichnen. Hierzu verwendet er einen Dualismus aus episodischer Steigerung von Katastrophen und ebenso der Beharrlichkeit, die angestrebten Ziele weiter zu verfolgen. Diese Textur der gelassenen Selbstwirksamkeit in „Gefahr und Verheißung“[2] kontrastiert der Erzähler mit der Figur eines Engländers, der wegen eines nicht befeuerten Molenkopfes den ganzen Hafen mit seinem „Tobsuchtsanfall“ unterhält.[3]

Was die für eine Heckverzierung eines Lastenseglers äußerst ungewöhnliche Devise - und Botschaft - „Do or Die“, Handle oder Stirb, in Kurzform ausspricht, breitet der Erzähler in den Krisen dieser Reise als Varianten des Durchhaltens aus: Er erwähnt den „Gleichmut“ der malaiischen Seeleute, die die aus ihrem Rumpf stark qualmende Judea nicht eines Blickes würdigen,[4] erwähnt den alten Kapitän der Judäa, der nach der Explosion unter Deck „großartig [war] im beharrlichen Verfolgen seines Ziels und in der gelassenen Missachtung unserer Aufregung“,[5] und schließlich „die Crew aus Liverpooler Dickschädeln“, die auch auf aussichtsloser Position weiter gegen das Feuer kämpft.[6]

Die Beharrlichkeit im Handeln, die der Erzähler eben nicht nur für die Jugend konstatiert, verbindet sich für ihn in jener Lebensphase mit einer die Herausforderung suchenden Selbstgefährdung: Im letzten Satz seines Berichts fasst Marlow seine „Erklärung des Lebens“ damit zusammen, dass die See vor allem in der Jugend „harte Püffe [gibt] - und mitunter eine Gelegenheit, die eigene Kraft zu spüren.“[7] Seine Auffassung vom Paradigma des Lebens auf der See verdichtet Marlow in der mehrfachen Anrufung der titelgebenden Jugend,[8] die den Kampf gegen die tödlichen Gefahren jener Reise nicht nur als Notwendigkeit des Überlebens, sondern auch als Suche nach Bestätigung versteht: „Oh Jugend! Ihre Kraft, ihr Glaube, ihre Phantasie! […] der Prüfstein, die Kraftprobe des Lebens.“[9] So kommentiert Marlow nach der Kohlenstaubexplosion unter Geringschätzung der Lebensgefahr: „Ich dache: Na, das ist mal was! Das ist großartig. Ich bin gespannt, was sich tun wird. Oh Jugend!“[10] Die Suche nach Selbstbestätigung und Selbstwirksamkeit sei „etwas Angeborenes, Tiefsitzendes, Beständiges, […] eine Urkraft, gebieterisch wie ein Naturtrieb“,[11] der besser als jede Berufsehre oder Pflichtgefühl oder Bezahlung diese unaufgeregte Entschlossenheit erklären kann.[12]

Ausgaben (Auswahl) Bearbeiten

  • Joseph Conrad: Jugend, in: Joseph Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber. Mit einem Nachwort von Ilija Trojanow, München: C.H.Beck (textura): 2013 ISBN 9783406644917
  • Joseph Conrad: Erzählungen I. Der Nigger von der "Narcissus" – Jugend – Herz der Finsternis. Edition Maritim, Hamburg 2006, ISBN 978-3-89225-553-6. (Übersetzer: Lore Krüger u. a.).
  • Joseph Conrad: Jugend. Suhrkamp, 1964, ISBN 978-3-518-01386-1
  • Joseph Conrad: Herz der Finsternis / Jugend / Das Ende vom Lied. Fischer, Frankfurt 2009, ISBN 978-3-596-90163-0
  • Joseph Conrad: Jugend. Ein Bericht. Fischer Taschenbuchverlag, 2001, ISBN 978-3-596-50422-0

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. J. Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 10.
  2. J. Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 55.
  3. J. Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 53 f.
  4. J. Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 38.
  5. J. Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 36.
  6. J. Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 36.
  7. J. Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 57.
  8. J. Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 11, 12, 20, 27, 32, 37, 42, 47, 49.
  9. J. Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 20.
  10. J. Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 37.
  11. J. Conrad: Jugend. Der geheime Teilhaber C.H.Beck (textura): 2013, S. 40.
  12. Julika Griem: "Brüchiges Seemannsgarn: Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Werk Joseph Conrads", Gunter Narr Verlag, Tübingen 1995