Die Itō-Formel (auch Itō-Döblin-Formel; selten auch Lemma von Itō), benannt nach dem japanischen Mathematiker Itō Kiyoshi, ist eine zentrale Aussage in der stochastischen Analysis. In seiner einfachsten Form ist es eine Integraldarstellung für stochastische Prozesse, die Funktionen eines Wiener-Prozesses sind. Es entspricht damit der Kettenregel bzw. Substitutionsregel der klassischen Differential- und Integralrechnung.

Itô publizierte 1951 einen Beweis.[1]

Version für Wiener-Prozesse Bearbeiten

Sei   ein (Standard-)Wiener-Prozess und   eine zweimal stetig differenzierbare Funktion. Dann gilt

 

Dabei ist das erste Integral als Itō-Integral und das zweite Integral als ein gewöhnliches Riemann-Integral (über die stetigen Pfade des Integranden) zu verstehen.

Für den durch   für   definierten Prozess lautet diese Darstellung in Differentialschreibweise

 

Version für Itō-Prozesse Bearbeiten

Ein stochastischer Prozess   heißt Itō-Prozess, falls

 

für zwei stochastische Prozesse  ,   gilt (genaueres dazu unter stochastische Integration). In Differentialschreibweise:

 

Ist   eine in der ersten Komponente einmal und in der zweiten zweimal stetig differenzierbare Funktion, so ist auch der durch   definierte Prozess ein Itō-Prozess, und es gilt[2]

 

Hierbei bezeichnen   und   die partiellen Ableitungen der Funktion   nach der ersten bzw. zweiten Variablen. Die zweite Darstellung folgt aus der ersten durch Einsetzen von   und Zusammenfassen der  - und  -Terme.

Mehrdimensionale Version Bearbeiten

Die Formel lässt sich auf   Itō-Prozesse   verallgemeinern. Sei   in   in der ersten und   in den restlichen Variablen. Definiere   dann gilt

 

Version für Semimartingale Bearbeiten

Sei   ein  -wertiges Semimartingal und sei  . Dann ist   wieder ein Semimartingal und es gilt

 

Hierbei ist   der linksseitige Grenzwert und   der zugehörige Sprungprozess. Mit   wird die quadratische Kovariation der stetigen Anteile der Komponenten   und   bezeichnet. Falls   ein stetiges Semimartingal ist, verschwindet die letzte Summe in der Formel und es gilt  .

Bemerkung Bearbeiten

Schreibt man den Ausdruck   aus, so erhält man für eine Funktion   die Form

 

wobei  .

Das Integrationsgebiet   bedeutet  .

Für das Stratonowitsch-Integral Bearbeiten

Sei   ein  -Semimartingal und  , dann ist   ein Semimartingal und es gilt[3]

 

Version für Funktionen mit beschränkter quadratischer Variation Bearbeiten

Hans Föllmer erweiterte die Formel von Itō auf (deterministische) Funktionen mit beschränkter quadratischer Variation.[4]

Sei   eine reell-wertige Funktion und   eine Càdlàg-Funktion mit endlicher quadratischer Variation. Dann gilt

 

Beispiele Bearbeiten

  • Für   gilt  .
 
eine Lösung der stochastischen Differentialgleichung von Black und Scholes
 
ist.
Hierzu wählt man  , also  .
Dann ergibt die Formel mit  :
 
  • Ist   ein  -dimensionaler Wiener-Prozess und   zweimal stetig differenzierbar, dann gilt für  
 ,
wobei   den Gradienten und   den Laplace-Operator von   bezeichnen.

Unendlich-dimensionale Itō-Formeln Bearbeiten

Es gibt verschiedene Varianten von Itō-Formeln für unendlich-dimensionale Räume (z. B. Pardoux[5], Gyöngy-Krylow[6], Brzezniak-van Neerven-Veraar-Weis[7]).

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Philip E. Protter: Stochastic Integration and Differential Equations (2nd edition), Springer, 2004, ISBN 3-540-00313-4.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Kiyoshi Itô: On a formula concerning stochastic differentials. In: Nagoya Math. J. Band 3, 1951, S. 55–65 (projecteuclid.org).
  2. Hui-Hsiung Kuo: Introduction to Stochastic Integration. Springer, 2006, ISBN 978-0387-28720-1, S. 103 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  3. Philip E. Protter: Stochastic Integration and Differential Equations. Hrsg.: Springer. 2004, ISBN 3-540-00313-4, S. 277–278.
  4. Hans Föllmer: Calcul d'Ito sans probabilités. In: Séminaire de probabilités de Strasbourg. Band 15, 1981, S. 143–144 (numdam.org).
  5. E. Pardoux, E: Équations aux dérivées partielles stochastiques de type monotone. In: Séminaire Jean Leray. Nr. 3, 1974 (numdam.org).
  6. I. Gyöngy und N. V. Krylov: Ito formula in banach spaces. In: Springer, Berlin, Heidelberg (Hrsg.): Arató, M., Vermes, D., Balakrishnan, A.V. (eds) Stochastic Differential Systems. Band 36, 1981, doi:10.1007/BFb0006409.
  7. Z. Brzezniak, J. M. A. M. van Neerven, M. C. Veraar und L. Weis: Ito's formula in UMD Banach spaces and regularity of solutions of the Zakai equation. 2008.