Hermann Zweigenthal

österreichisch-US-amerikanischer Architekt, Stadtplaner, Deklamator, Theaterregisseur, Bühnenbildner

Hermann Zweigenthal, auch Hermann Herrey (* 4. April 1904 in Wien, Österreich-Ungarn; † 7. Oktober 1968 in New York, New York, Vereinigte Staaten) war ein österreichisch-US-amerikanischer Architekt,[1] Stadtplaner, Theaterregisseur, Bühnenbildner und Deklamator.

Hermann Herrey, geb. Zweigenthal, frühe 1950er Jahre

Familie Bearbeiten

 
Hermann Zweigenthals erste Ehefrau Dorothee, geb. Liepmann (1900–1936)
 
Hermann Zweigenthals zweite Ehefrau Erna, geb. Vohsen (1904–1980) und die beiden Söhne Julian (1938–2022) und Antony (* 1932)

Hermann Zweigenthal war das einzige Kind des Fabrikanten Maximilian „Max“ Zweigenthal (geboren am 20. Juli 1867 in Ungarisch Brod, Österreich-Ungarn; gestorben am 20. September 1941 in Groß-Wien, Reichsgau Niederdonau, Großdeutsches Reich) und das erste Kind von dessen Ehefrau Theresia „Theresa“, „Therese“ bzw. „Resi“, geb. Abelles (geboren am 27. Oktober 1880 in Wien-Rudolfsheim; gestorben 1966 in Johannesburg, Südafrika). Das Ehepaar hatte 1903 geheiratet, ließ sich jedoch 1911 wieder scheiden.[2]

Danach ließ sich Theresia mit ihrem Sohn Hermann römisch-katholisch taufen. 1912 heiratete sie ihren vorherigen Schwager, den promovierten Bruder ihres geschiedenen Mannes, Rechtsanwalt Moriz Zweigenthal (geboren am 28. Januar 1865 in Ungarisch Brod, Österreich-Ungarn; gestorben am 19. Januar 1933 in Wien), mit dem sie ihren zweiten Sohn Stefan Josef Heinrich (geboren am 29. Juli 1913 in Wien, Österreich-Ungarn; gestorben am 11. April 1994 in Johannesburg, Südafrika) bekam.[2]

Hermann Zweigenthal heiratete am 12. März 1928 Dorothee, geborene Liepmann (1900–1936),[3] Tochter des renommierten deutschen Neurologen und Psychiaters Hugo Liepmann (1863–1925) und dessen Ehefrau Agathe (1871–1933), die eine Tochter des Bankiers Julius (Israel Levy) Bleichröder (1828–1907) war.[2] Aus dieser Ehe ging der Sohn Antonius/Antony (* 24. Januar 1932) hervor.[4] Als Dorothee Liepmann am 13. Juli 1936 an Diphtherie verstarb, wurde ihr Sohn Halbwaise. Er wurde ab Herbst 1936 von Dorothees bester Freundin Erna Vohsen (1904–1980) mit aufgezogen.[2]

Hermann Zweigenthal heiratete Erna Vohsen am 26. September 1937 in London.[2] Sie war eine Tochter des deutschen Konsuls, Kolonialpolitikers, Forschungsreisenden und Verlegers Ernst Vohsen (1853–1919) sowie dessen Ehefrau Marie Josephine Victoria Vohsen, geborene Herzfeld (1865–1930).[5]

Aus dieser zweiten Ehe ging sein Sohn Julian (1938–2022) hervor.[6][7]

Schule und Studium Bearbeiten

 
Schulzeit 1910 bis 1913: Pensionat St. Josef, Strebersdorf
 
1920/21 Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Wien
 
Studium 1922 bis 1927: Technische Hochschule Berlin

Hermann Zweigenthal wuchs im großbürgerlichen I. Bezirk (Innere Stadt) Wiens auf.[8] Nach der Allgemeinen Volksschule, die er lediglich kurzzeitig besuchte, wechselte er in das Pensionat St. Josef (heute: De La Salle Schule Strebersdorf), eine von den Schulbrüdern, der Kongregation der Brüder der christlichen Schulen, geführte Volks-, Bürger- und Handelsschule im vorstädtisch strukturierten Strebersdorf, das per 1. Jänner 1911 in den Gemeindebezirk Floridsdorf eingemeindet wurde. Dort bekam Hermann sehr gute Noten. Dennoch wollte er von dort möglichst schnell wieder weg.[2]

Von September 1915 bis Februar 1920 besuchte er die neusprachliche K.K. Staats-Realschule im I. Bezirke (heute: Gymnasium und Realgymnasium Stubenbastei), deren Bezeichnung nach dem Ende des Ersten Weltkrieges zu Bundesrealschule im I. Bezirk wechselte. Dort wurde Freihandzeichnen unterrichtet; Hermann zeichnete und malte Gebäude und Theaterkostüme. In diesem Fach wurde er in jedem Zeugnis mit sehr gut bewertet.[2]

Als er 16 Jahre alt war, ging er von der Bundesrealschule ab und begann ab 1. Oktober 1920 an der Kunstgewerbeschule Wien eine Ausbildung zum Innenraum- und Möbelgestalter. Als Berufsziel nannte er Malerei und Kunstgewerbe. Nach zwei Semestern bzw. sieben Monaten bei den Professoren Franz Čižek (Ornamentale Formenlehre) und Erich Mallina (Allgemeines Aktzeichnen) verließ er die Kunstgewerbeschule am 6. Mai 1921 vorzeitig.[2]

Im niederländischen Den Haag absolvierte er im Museum Mauritshuis eine kunstgeschichtliche Hospitation, in deren Verlauf er sich intensiv mit Rembrandt und Vermeer befasste.[2][8] Um seine Matura zu absolvieren, kehrte er etwa um den Jahreswechsel 1921/22 herum nach Wien an die Bundesrealschule im I. Bezirk zurück. Die ihm dazu fehlenden zweieinhalb Jahre Schulbildung hatte er durch privates Studium, möglicherweise durch Privatunterricht, nachgeholt. Seine Prüfung absolvierte er am 3. Juli 1922 in sieben Fächern.[2]

Zum Wintersemester 1922/23 nahm er ein Studium der Architektur an der Technischen Hochschule Berlin auf, zwischen 1924 und 1927 bei Hans Poelzig. Schon im ersten Semester freundete er sich mit seinem Kommilitonen Egon Eiermann an. Parallel zu seinem Studium war er bereits als 20-Jähriger als Bühnenbildner tätig, für das Deutsche Opernhaus und die Komödie am Kurfürstendamm. Zweigenthal nahm Eiermann im Herbst 1924 mit zu seiner Familie nach Wien, um dort für das nach dem 4. Semester anstehende Hochschulexamen das Portal der Salvatorkapelle im Alten Rathaus aufzunehmen. Sein Arbeitsergebnis wurde während des Examens durch Emil Rüster in Berlin begutachtet.[2] Max Reinhardt beauftragte ihn 1926, den Entwurf für ein Theater am Kurfürstendamm in Höhe des Lehniner Platzes zu entwickeln.[8] Mit diesem Entwurf bestand Zweigenthal, der seit Ende 1926 mit seinem Abschlussexamen beschäftigt war, am 16. Juli 1927 bei Poelzig seine letzte Prüfung, die ihn befähigte, als diplomierter Ingenieur und Architekt zu wirken.[2] Zweigenthal gründete sein eigenes Architekturbüro in Berlin-Tempelhofs Kaiserin-Augusta-Straße 53 (Gebäude erhalten). Max Reinhardts Theaterbauprojekt allerdings, auf das Zweigenthal gehofft hatte, scheiterte an der Finanzierung.[8]

Gruppe Junger Architekten Bearbeiten

Ab etwa 1926 formierten sich Studierende der Technischen Hochschule Berlin, genauer: Studierende des Poelzig-Seminars, zur so bezeichneten Gruppe Junger Architekten (G.J.A.). Deren Gründung wurde vermutlich durch die studentische Forderung nach der Berufung eines weiteren Professors für das Seminarthema Entwerfen ausgelöst, die im Frühjahr 1926 durch die Bewegung von 26 postuliert wurde. Jüngere tendierten zu Mies van der Rohe, ältere zu Heinrich Tessenow, letzterer wurde schließlich berufen. Die vereinsmäßig organisierte und verfasste Gruppe traf sich regelmäßig im Romanischen Café. Dies kam einem Statement der Gruppenteilnehmer gleich, die sich im Kreis der dort verkehrenden Intellektuellen, Medienschaffenden und Künstler verorteten. Julius Posener konstatierte: „Wir hielten uns für eine Elite“. Zu den Mitgliedern zählten Max H. Berling (* 1904), Hans Brandt (* 1903), Egon Eiermann (* 1904), Günther Hafemann (* 1902), Rudolf Hamburger (* 1903), Fritz Jaenecke (* 1903), Hans Köhler (* 1907), Fritz Lazarus (* 1903), Klaus Müller-Rehm (* 1907), Karl Otto (* 1904), Richard Paulick (* 1903), Julius Posener (* 1904), Max Säume (* 1901), Wolfgang Sand (* 1904), Jürgen Schweitzer (* 1907), Carl-Heinz Schwennicke (* 1901), Camilla Sommer (* 1904), Rambald von Steinbüchel-Rheinwall (* 1902), Ludolf von Veltheim (* 1895), Wolf-Werner Zschimmer (* 1902) und Hermann Zweigenthal (* 1904).[2] Karl Otto zufolge war Zweigenthal der Initiator der Gruppe; lt. Zweigenthal selbst fungierte er während der ersten drei Jahre, ergo bis 1929, als ihr Präsident.[2]

Wirken Bearbeiten

 
Seminar Entwerfen von Hochbauten bei Hans Poelzig, 2. v. links: Hermann Zweigenthal, 1927
 
Kant-Garangenpalast in Berlin, 1930
 
Vorhangfassade des Kant-Garagenpalasts, 1930

Später wurde er vom republikanischen Deutschen Auto Club (D.A.C.) mit einer Studie zu einem flächendeckenden Parksystem für Berlin beauftragt. In diesem Zusammenhang war er maßgeblich für die architektonische Gestalt des 1929–1930 in Zusammenarbeit mit seinem Kommilitonen Richard Paulick und dem Architekturbüro Lohmüller, Korschelt & Renker in Berlin-Charlottenburg errichteten Kant-Garagenpalasts verantwortlich. Bauherr und Eigentümer der Hochgarage war der Kaufmann und Ingenieur Louis Serlin. Neben der sachlich modernen Fassadengestaltung ist auf die besondere Art der Höhengewinnung mittels doppelgängiger Wendelrampe hinzuweisen. Dieses einzigartige Baudenkmal ist im nahezu authentischen Zustand erhalten und gilt als architektonisches Hauptwerk Zweigenthals. Parallel zum architektonischen Schaffen war er von 1923 bis 1932 als Bühnenbildner an Berliner Theatern und Opernhäusern tätig.

1946 wurden er und seine Ehefrau Erna, geb. Vohsen, US-amerikanische Staatsbürger.[9][10] In den USA setzte er sein Schaffen fort und machte besonders als Stadtplaner auf sich aufmerksam. Mitte der 1950er Jahre wandte er sich auch wieder dem Theater zu, für seine Regiearbeiten erhielt er den deutschen Kritikerpreis der Saison 1958/59.

Hermann Herrey verstarb im Alter von 64 Jahren.[11]

Teile seines Nachlasses befinden sich in der Cornell University N.Y. und im Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin.

Funktion Bearbeiten

1926 bis 1929: Vorsitzender der Gruppe Junger Architekten (G.J.A.)[2]

Bauten Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Thomas Katzke: Hermann Zweigenthal. In: Bauwelt, Heft 17 (2004), S. 14–19.
  • Rudolf Stegers: Hermann Herrey – Werk und Leben 1904–1968. Birkhäuser, Basel 2018, ISBN 978-3-0356-1323-0.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Hermann Zweigenthal – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Zweigenthal, Hermann. In: Deutsche Biographie, auf: deutsche-biographie.de
  2. a b c d e f g h i j k l m n o Rudolf Stegers: Hermann Herrey – Werk und Leben 1904–1968. Birkhäuser, Basel 2018, ISBN 978-3-0356-1323-0, S. 8, 100, 135, 207, 222.
  3. Heiratsregister Standesamt Berlin III, Nr. 139/1928.
  4. Verfahren Antonius Herrey-Zweigenthal (* 24.01.1932) gegen das Deutsche Reich. In: Landesarchiv Berlin, Registratursignatur: 3 WGA 1707/50.
  5. Vohsen, Ernst. In: Deutsche Biographie, auf: deutsche-biographie.de
  6. Prof. Julian Herrey. In: Der Tagesspiegel, auf: tagesspiegel.de
  7. Julian Herrey. In: Deutsche Theatertechnische Gesellschaft, auf: dthgev.de
  8. a b c d Thomas Katzke: Hermann Zweigenthal. In: Bauwelt, Heft 17 (2004), S. 14–19.
  9. Naturalization Register No. 6613570, Herrey, Hermann, age 41 years. Date of order of admission/Date of certificate issued: Jan 22, 1946. U.S. District Court at Brooklyn, New York. Petition No. 438983, Alien Registration No. 5694586.
  10. Naturalization Register No. 6616780, Herrey, Erna Miranda Julia, age 42 years. Date of order of admission/Date of certificate issued: April 2, 1946. U.S. District Court at Brooklyn, New York. Petition No. 438984, Alien Registration No. 5694589.
  11. Hermann Herrey, a City Planner, 64. Architect Dies, Also Cited as Stage Director Abroad. In: The New York Times, 12. Oktober 1968, S. 37, Spalte 3.
  12. Wasmuths Monatshefte für Baukunst, Jahrgang 1931, Heft 3.
  13. https://digi.ub.uni-heidelberg.de/cgi-bin/digi-downloadPdf.fcgi?projectname=innendekoration1933&firstpage=117&lastpage=121