Häfen von Sankt Petersburg

Handels- und Verkehrsknoten in Russland

Die Häfen von Sankt Petersburg (russisch Порты Санкт-Петербурга Porty Sankt-Peterburga) umfassen die Hafen- und Industriegebiete der russischen Stadt Sankt Petersburg sowie weitere Landungs- und Umschlagstellen. St. Petersburg ist heute der zweitgrößte russische Hafen und einer der größten Containerhäfen Europas.

Häfen von Sankt Petersburg
Daten
UN/LOCODE RU LED
Betreiber mehrere
Eröffnung Mittelalter
Hafentyp Schutzhafen
Umschlagsmenge 57,8 Mio. t. (2012)
Geografische Informationen
Ort Sankt Petersburg
Stadt mit Subjektstatus Sankt Petersburg
Staat Russland
Radarturm der Verkehrszentrale, 2013
Radarturm der Verkehrszentrale, 2013
Radarturm der Verkehrszentrale, 2013
Koordinaten 59° 55′ 24″ N, 30° 9′ 5″ OKoordinaten: 59° 55′ 24″ N, 30° 9′ 5″ O
Häfen von Sankt Petersburg (Sankt Petersburg)
Häfen von Sankt Petersburg (Sankt Petersburg)
Lage Häfen von Sankt Petersburg

Geografie Bearbeiten

Die Häfen liegen im Mündungsdelta der Newa westlich der Stadt St. Petersburg. Die ursprünglich in der Newabucht am Finnischen Meerbusen der Ostsee entstandene Stadt ruht auf 42 Inseln. Früher waren es noch mehr gewesen, jedoch wurden mittlerweile zahlreiche Kanäle zwischen Inseln zugeschüttet. Die Gebäude selbst mussten zwei bis vier Meter über dem Meeresspiegel gebaut werden. Kanäle und Brücken sind daher neben den Kaianlagen stadtbildprägend.

Dem Hafenkomplex vorgelagert ist der über die Insel Kotlin führende Petersburger Damm (KAD (А 118, Ringautobahn)). Dieser Straßendamm wirkt als Wellenbrecher und schützt die Hafengebiete östlich davon vor Hochwasser. Direkt hinter der Dammlinie befinden sich sieben kleinere Inseln, die im 18. Jahrhundert als militärische Verteidigungslinie zu Forts ausgebaut worden waren. An den etwa 25 teils privat, teils staatlich betriebenen Anlegestellen, die sich auf über 70 km entlang der Küstenlinie rings um die Bucht verteilen, finden heute alle Arten der Schifffahrt Aufnahme. Verbunden über diesen Damm befindet sich angelagert an die Insel der Stadtteil Kronschtadt (Kronstadt), der Militärhafen/die traditionelle russische Marinebasis.

Geschichte Bearbeiten

 
Schwedische Schiffe vor St. Petersburg (1714)

Bereits im Frühmittelalter wurde in St. Petersburg Schifffahrt betrieben, insbesondere Fischerei. Im 10. Jahrhundert ist dort ein Handelsplatz verschiedener finno-ugrischer Völker nachweisbar. Die schwedische Siedlung ging im 13. Jahr­hundert zunächst nieder, jedoch behielt der Ort seine strategische Bedeutung.[1] Als gesichert gilt im Jahr 1611 die Nutzung von Anlandungsstellen nahe der Festung Nyenschanz im heutigen St. Petersburg.[1] Im Jahr 1656 eroberten russische Truppen während des Zweiten Nordischen Krieges das Gebiet und nach den Zerstörungen erfolgte ab 1703 ein planmäßiger Wiederaufbau.[1] Der Zar befahl die gesamte Stadt und die vorgelagerte Insel zu befestigen und zum Militär- und Handelshafen auszubauen.[2] Um 1709 erfolgte der Durchstich des Wolga-Ostsee-Kanales zur Newa, womit für die Schifffahrt eine direkte Verbindung zum Kaspischen Meer und dem Weißen Meer hergestellt war. Unter Zar Peter I. wurde ab 1720 fast der gesamte russische Außenhandel von Archangelsk nach St. Petersburg verlegt.[3] Der Standort wuchs schnell, was mit der starken Konzentration von Militäreinheiten zusammenhing, und trug zur Entwicklung St. Petersburgs ebenso bei wie auch der im 18. Jahrhundert beginnende Ausbau und Anschluss an das nordwestrussische Kanalsystem.[2] Um 1860 erreichte die Eisenbahn den Hafen[3] und erschloss über die Nikolaibahn auch das Hinterland. St. Petersburg wurde zur Millionenstadt. Ab 1905 ging es unter sozialen Unruhen, Meutereien und bürgerkriegsähnlichen Zuständen wirtschaftlich stark bergab. Eine Belebung setzte erst nach dem Tod Lenins zum Ende der 1920er Jahre wieder ein und um 1940 lebten drei Millionen Menschen in dem zu Leningrad umbenannten Ballungsgebiet.[1]:6 Während des Zweiten Weltkrieges brach unter der Leningrader Blockade die Wirtschaft zusammen. Sie erreichte erst 1960 wieder ihren vorherigen Umfang. In den 1990er Jahren kehrte man zu dem alten Namen St. Petersburg zurück und nach dem Zerfall der Sowjetunion wurden die Häfen teilweise privatisiert, umfassend renoviert und teils neu gebaut.[1]:7 So kam beispielsweise zu dem seit den 1980er Jahren bestehenden Hafen für die Fähr- und Linienschifffahrt in den späten 2000er Jahren ein weiterer Hafen hinzu, der speziell auf den stark zunehmenden Kreuzfahrttourismus ausgerichtet ist.[1]:8 Über 300 Jahre waren die Häfen St. Petersburgs die umschlagstärksten in Russland. Erst in den 2010er Jahren wurden im neu gebauten Hafen von Ust-Luga mehr Güter umgeschlagen,[4] wohingegen das Passagieraufkommen in St. Petersburg stark zunahm. Kurz nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine verhängten westliche Staaten und die EU Sanktionen gegen Russland. Im Oktober 2022 erreichte der Hafen weniger als 10 % der Umschlagsmenge im Oktober 2021.[5]

Gegenwart Bearbeiten

Die Häfen St. Petersburgs sind heute in verschiedene Bereiche gegliedert, die ihren jeweiligen Zwecken entsprechend ausgestattet sind. Diese sind, etwa von West nach Ost, aufgelistet:

 
U-Boote am Marinestützpunkt Kotlin-Kronstadt (2012)
 
Ölterminal im Staatshafen, Blick von Westen (2010)
 
Gliederung Staatshafen
 
Containerterminal im Staatshafen (2009)
 
Passagierschifffahrt Linienverkehr (2010)
 
Die Serenade of the Seas vor dem St. Petersburger Kreuzfahrthafen (2018)
 
Marinebasis Kronstadt (2009)

f1  Karte mit allen Koordinaten: OSM | WikiMap

Hafenteil Hafentyp Lage Kailänge Tiefe Verwendung
Kotlin - Kronstadt Hafenbecken 16 m Russische Seekriegsflotte
Lomonossow neuer Hafen Seehafen 1200 m, Kaimauer 16 m Container, Chemie, 5 Portalkräne, Ro-Ro-Rampe, Freilagerflächen, Tanklager, Bahnanschluss
Lomonossow Gavan Hafenbecken 3000 m, Kaimauer 5–6 m Schütt- und Massengüter, 2 RoRo-Rampen, Freilagerflächen, Hallenlager, ehem. Militärhafen, Bahnanschluss [6]
Petergof Yakht Klub 3 Hafenbecken ca. 600 m, geböschtes Ufer Land- und Wasserliegeplätze für Kleinfahrzeuge, Schwimmsteg, Klubhaus, Slipstelle
Petergof Yachtanleger Seebrücke 300 m, Kaimauer Landebücke für große Yachten, Leuchtfeuer, Imperial Yachts Museum, Kursfähre zum Staatshafen
Petrodvortsovy Marina Marina 170 m Kaimauer Liegeplätze für die Freizeitschifffahrt, Kran, Klubhaus
Strelna Marina Hafenbecken 100 m, Kaimauern Schwimmstege, Bootshändler, Anleger für Muskelkraftfahrzeuge, Klubhaus, Camping, Helipads, Landebahn für UL 100 m
Krasnoselsky 2 Hafenbecken ca. 600 m, geböschte Ufer Land- und Wasserliegeplätze für Kleinfahrzeuge, teils Schwimmstege, Nachtklub, Slipstelle
Yacht-club „BALTIETs“ Marina 2000 m Kaimauer ca. 350 Wasserliegeplätze und 1000 Landliegeplätze, Boothäuser, Slipstelle, Klubhaus
Neftyanoy Oil Terminal Reede Landebrücken mehrere Terminals mit Pumpen, Pipelines, Tanklager, Feuerlöscheinrichtungen, Bahnanschluss [7]
Containerterminals Hafenbecken ca. 3700 m Kaimauer 14 Portalkräne, Reachstacker, Reefer, Freilagerflächen, Warteplätze, Zollabfertigung, Bahnanschluss [7]
Fischereiterminals Hafenbecken ca. 1400 m Kaimauer Kräne, Reefer, Bahnanschluss
Stahlhafen (Neva) Hafenbecken ca. 1300 m Kaimauer 5 Portalkräne, Flurförderzeuge, Frei- und Hallenlagerflächen, Warteplätze, Zollabfertigung, Bahnanschluss
Bolshoy Werfthafen Hafenbecken ca. 2800 m Kaimauer Kräne, Schwimmdock, Trockendock, Werfthallen, Flurförderzeuge, Frei- und Hallenlagerflächen, Warteplätze, ÖPNV
Vostochnyy Autoverladung Hafenbecken 750 m Kaimauer 5 Portalkräne, Ro-Ro-Rampe, Freilagerflächen, Warteplätze, Bahnanschluss
Barochnyy Industriehafen Hafenbecken 2300 m Kaimauer 18 Portalkräne, Frei- und Hallenlagerflächen, Autoverladung, Schrottverladung, Bahnanschluss
Morskoy Kanalhafen Lände 2700 m Kaimauer 16 Portalkräne, 2 Mobilkräne, Frei- und Hallenlagerflächen, Ro-Ro-Rampe, LKW-Verladung, Kohlehafen, Bahnanschluss
Kanonerskiy Werfthafen Hafenbecken ca. 2800 m Kaimauer 5 Portalkräne, Schwimmdocks, Trockendocks, Werfthallen, Flurförderzeuge, Frei- und Hallenlagerflächen, Warteplätze
Gutuyevskiyhafen Hafenbecken 400 m Kaimauer Leuchtfeuer, Steganlagen, Versorgungsschiff, Liegeplätze der Küstenwache,
Reka Bolshaya Newa Lände 1400 m Kaimauer 6 Portalkräne + 5 Portalkräne landseitig, Frei- und Hallenlager Küstenwache, Bahnanschluss + Schrottverladung
Newa Flusshafen Lände 1800 m Kaimauer 4 Portalkräne, 2 Werftdocks, Schwerstlastplatte, Werkshallen, Warteplätze, Bahnanschluss
Passagierterminal Linie Hafenbecken 1000 m Kaimauer Anlegestelle für die Personenschifffahrt im Linienverkehr, 2 Ro-Ro-Rampen, Parkplätze, ÖPNV [8]
Passagierterminal Cruise Hafenbecken 2100 m Kaimauer Anlegestelle für die Personenschifffahrt der Kreuzfahrten, Bankomat, ÖPNV [9]
Petrogradsky Marinas Marina Kai- und Steganlagen 4 m 280 Liegeplätze für die Freizeitschifffahrt, mehrere Clubhäuser, Sportanlagen, regionale Fährverbindungen
Segelzentrum Nevka Marina Kai- und Steganlagen 220 Wasserliegeplätze, ca. 100 Trockenliegeplätze überwiegend für Segler, Clubhäuser, Bootsverleih
Primorskiy Gerkukus Hafenbecken Kai- und Steganlagen Wasserliegeplätze, Kran, Slipstelle, Clubhaus
Primorskiy Nord Hafenbecken 1400 m Kaimauer 2 Portalkräne + 1 Schwimmkran, Bauhafen, Freilagerflächen für Massen- und Schüttgüter, Agrar, ehem. Bahnanschluss
Sestroretsk Marina Marina Kai- und Steganlagen Wasserliegeplätze, Boothäuser, Clubhaus
Yachtclub Terijoki Marina Kai- und Steganlagen Land- und Wasserliegeplätze, Slipstelle, Clubhaus, Bootsverleih

Infrastruktur Bearbeiten

Staatshafen Bearbeiten

Das Herzstück der Häfen ist der Staatshafen, der Große Hafen von Sankt Petersburg, in dem der größte Teil des Warenumschlages abgewickelt wird.[7] Im Jahr 2008 wurden dort knapp 60 Millionen Tonnen Güter umgeschlagen.[10] Das über Jahrhunderte gewachsene Gebiet wurde erst im Jahr 2009 genau abgegrenzt und die einzelnen Terminals wurden strukturiert. Die meisten Anlegestellen haben Bahnanschluss. Es sind auch Eisbrecher, Lotsenboote, etwa 20 Schlepper und ein Feuerlöschschiff vorhanden.

Passagierhafen für den Linienverkehr Bearbeiten

Unmittelbar östlich des Staatshafens befindet sich an der Newamündung der Passagierhafen für den Linienverkehr. Dieser Hafen wurde in den 1970er Jahren gebaut, 1982 eröffnet und speziell auf die Linienschifffahrt zugeschnitten. Es gibt Zollabfertigung, Ro-Ro-Rampen für die Pkw-Verladung, ÖPNV-Anschlüsse und großzügige Parkmöglichkeiten. Die meisten nationalen und internationalen Fähr- und Linienverbindungen werden dort abgefertigt.[8]

Passagierhafen für Kreuzfahrten Bearbeiten

Etwas weiter nördlich wurde in den 2000er Jahren ein eigener Passagierhafen für die großen Kreuzfahrtschiffe gebaut und 2008 eröffnet. Dort ist man in erster Linie für größere Reisegruppen auf Landgängen oder Stadtbesichtigungen eingerichtet. Es gibt Hotelkomplexe, Busterminals und einen Bankomaten. Bis zu 12.000 Reisende werden täglich abgefertigt.[9]

Marinestützpunkt Sankt Petersburg Bearbeiten

Die Russische Seekriegsflotte unterhält an der Insel Kotlin in Kronstadt ihren wichtigsten Marinestützpunkt in der Ostsee. Er ist zwar ganzjährig eisfrei, allerdings führt die Zufahrt zum Atlantik durch NATO-Gewässer, sodass auch im Nordmeer und an der Schwarzmeerküste bedeutende Marinehäfen unterhalten werden.[11] In den letzten Jahren gewinnen diese Hafeneinrichtungen jedoch durch die hier verfügbare Abladetiefe von 16 m zunehmend auch an wirtschaftlicher Bedeutung, insbesondere für große und tiefgehende Containerschiffe.[12]

Freizeitschifffahrt Bearbeiten

Rund um die Newabucht liegen in Sankt Petersburg etwa 20 Marinas für Kleinfahrzeuge und Yachthäfen unterschiedlicher Ausstattung (siehe Liste oben) sowie einige Bootshändler und Werften.[13] Für die Personenschifffahrt findet sich zusätzlich ein Wassertaxi-/Wasserbussystem, das sowohl die Küstenstandorte als auch das innerstädtische Kanalsystem teils fahrplanmäßig und teils im Individualverkehr bedient.[14] Die Anlegestellen ändern sich gelegentlich entsprechend dem Bedarf und nach den herrschenden Witterungs- und Verkehrsverhältnissen.[15]

Verkehrszentrale Bearbeiten

Seit 1960 wird der Schiffsverkehr im Großraum Sankt Petersburg durch eine Verkehrszentrale gesteuert.[16][17]

Weblinks Bearbeiten

Commons: Häfen von St. Petersburg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e f Hafen St. Petersburg von der Frühgeschichte bis heute
  2. a b Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
  3. a b Geschichte St. Petersburgs
  4. Verkehrsrundschau
  5. dpa: Deutlich weniger Ladung in russischen Häfen (7. November 2022)
  6. Lomonosov Gavan
  7. a b c Staatshafen
  8. a b Passagierhafen Linienverkehr
  9. a b Passagierhafen Cruiseships
  10. Umschlag 2007/8
  11. Pressebericht Welt
  12. Port of Kronstadt
  13. Marinas in St. Petersburg
  14. Wassertaxis
  15. Wasserbusse
  16. North-Western Basin Branch – VTS Services. In: Rosmorport. Archiviert vom Original am 4. August 2019; abgerufen am 24. November 2022 (englisch).
  17. D10.1 Overview of VTS in the Finnish Gulf. Version 1.0. Baltic Transport Communication and Regional Development, August 2000, S. 13 (englisch, archive.org [PDF; abgerufen am 24. November 2022]).