GenX ist der Markenname einer von DuPont (vom Ableger Chemours übernommen) patentierten Technologie zur Emulsionspolymerisation von Fluorpolymeren wie Polytetrafluorethylen (Teflon).[1][2] Das Unternehmen hatte 2009 mit der kommerziellen Entwicklung von GenX als Ersatz des Prozesses mit Perfluoroctansäure (PFOA, auch bekannt als C8) begonnen,[3] da PFOA und verwandte Verbindungen als giftig und krebserregend befunden wurden.[4] In Labortests an Ratten wurde jedoch gezeigt, dass im GenX-Prozess eingesetzten Stoffe viele der gleichen Gesundheitsprobleme verursachen wie PFOA.[5][6]

In den Medien und in Publikationen werden teilweise vereinfachend die im Prozess verwendeten Stoffe, die Hexafluorpropylenoxiddimersäure (HFPO-DA) und ihr Ammoniumsalz, als GenX bezeichnet.[7][1]

Gewinnung und Darstellung Bearbeiten

Durch Dimerisierung von Hexafluorpropenoxid entsteht ein Acylfluorid, das zu HFPO-DA (FRD-903) hydrolysiert wird.[3] HFPO-DA wird durch die Mischung mit einer Ammoniumhydroxid-Lösung in Ammonium-2,3,3,3-tetrafluor-2-(heptafluorpropoxy)propanoat (FRD-902)[8] (sein Ammoniumsalz) umgewandelt.[3][1]

 

Dabei entsteht durch Decarboxylierung auch Heptafluorpropyl-1,2,2,2-tetrafluorethylether (E1).[9][10][1]

Wenn GenX mit Wasser in Kontakt kommt, setzt es die Ammoniumgruppe frei und wird zu HFPO-DA. Da HFPO-DA eine starke Säure ist, liegt es im Wasser als konjugierte Base vor, die nachgewiesen werden kann.[3]

Bei der Herstellung von Polytetrafluorethylen kann auch der hochgiftige Stoff Perfluorisobuten gebildet werden.[1] Die Stoffe FRD-903 und E1 werden während des Produktionsprozesses in gasförmiger Form freigesetzt und durch den Schornstein ausgestoßen. FRD-902 und FRD-903 werden auch über die Abwässer der Anlage abgeleitet. Die freigesetzten Stoffe können außerhalb des Werksgeländes eine lokale Boden- und Wasserkontamination verursachen. Da diese Stoffe in der Umwelt sehr persistent sind, kann dies zu Risiken für die Umwelt, z. B. für das Trinkwasser, führen.

Hersteller Bearbeiten

Die Chemikalien werden von Chemours, einem Ableger von DuPont, in Fayetteville, North Carolina sowie in Dordrecht, hergestellt.[11]

Chemieunfall am Cape Fear River Bearbeiten

In North Carolina setzte das Chemours-Werk in Fayetteville GenX-Verbindungen in den Cape Fear River frei, der eine Trinkwasserquelle für das Gebiet um Wilmington ist. Der investigative Dokumentarfilm The Devil We Know – Das unsichtbare Gift, der Spielfilm Vergiftete Wahrheit sowie das Sachbuch Exposure: Poisoned Water, Corporate Greed, and One Lawyer's Twenty-Year Battle Against DuPont von Robert Bilott thematisierten anschließend dieses Ereignis, was zu einer Kontroverse über mögliche gesundheitliche Auswirkungen führte.[12]

Die United States Environmental Protection Agency (US EPA) gab 2012 die Entdeckung von HFPO-DA im Fluss Cape Fear bekannt[13] und hatten bis 2014 weitere 11 per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) im Fluss entdeckt.[14] Diese Ergebnisse wurden 2015 als wissenschaftliche Publikation veröffentlicht.[15] Im Folgejahr veröffentlichten die North Carolina State University gemeinsam mit der US EPA eine Studie, in der nachgewiesen wurde, dass im Trinkwasser das aus dem Cape Fear River im Gebiet Wilmington geschöpft wird, HFPO-DA und andere PFAS vorhanden waren.[16]

Das North Carolina Department of Environmental Quality (NCDEQ) wies im September 2017 Chemours an, die Einleitung aller fluorierten Verbindungen in den Fluss zu stoppen. Nach einem Chemieunfall einen Monat später verklagte das NCDEQ Chemours wegen Verstoßes gegen die Bestimmungen seiner Abwassereinleitungsgenehmigung (National Pollutant Discharge Elimination System).[17] Im November 2017 reichte die Regierung des Brunswick County eine Bundesklage ein, mit der Begründung, dass DuPont es versäumt habe, Forschungsergebnisse zu potenziellen Risiken durch die Chemikalie offenzulegen.[18]

Im Frühjahr 2018 verklagte Cape Fear River Watch Chemours wegen zahlreicher Verstöße gegen den Clean Water Act.[19] In der Zwischenzeit wurden Spuren von GenX in Kontrollbohrungen rund um eine Anlage von Miteni, SpA, die Fluoretherabfälle von Chemours in Trissino, Italien, wiederaufbereitet hatte, gefunden. Die daraus resultierenden Vollzugsmaßnahmen führten zum Bankrott von Miteni.[20] Im Herbst 2018 reichte das NCDEQ einen Entwurf einer Zustimmungsverfügung ein, um seine GenX-Untersuchung abzuschließen. Die Anordnung würde Chemours dazu verpflichten, die Emissionen von Luftverschmutzung und Wasserverschmutzung durch GenX und andere Chemikalien zu reduzieren und eine zivilrechtliche Strafe in Höhe von 13 Millionen US-Dollar zu bezahlen.[21]

Im Februar 2019 wies ein Richter des Superior Court von North Carolina Chemours an, GenX-Luftemissionen zu überwachen, PFAS in Flusssedimenten zu analysieren und Trinkwasserfiltersysteme bereitzustellen.[22]

Im Jahr 2020 verabschiedete Michigan Trinkwasserstandards für 5 zuvor nicht regulierte PFAS-Verbindungen, darunter HFPO-DA, mit einem Maximum Contaminant Level (MCL; dt.: Maximaler Verschmutzungsgrad) von 370 ng/l.[23][24]

Roanoke River Bearbeiten

Im Jahr 2022 wurde im Roanoke River (Virginia) GenX in Mengen von 1,3 Millionen ng/l (1,3 mg/l) nachgewiesen. Die Kontaminierung konnte zu einer Anlage von ProChem in Elliston, Virginia zurückverfolgt werden. ProChem bietet einen chemischen Waschprozess für Geräten einer Chemours-Anlage in West Virginia an.[25]

Gesundheitshinweise zum Trinkwasser Bearbeiten

Im Juni 2022 veröffentlichte die US EPA über den Safe Drinking Water Act Trinkwasserrichtwerte für die lebenslange Exposition. Für HFPO-DA wurde ein Wert von 10 ng/l festgelegt.[26][27]

Die US EPA listet empfohlene Schritte, die Verbraucher unternehmen können, um eine mögliche Exposition gegenüber HFPO-DA und andere PFAS zu reduzieren.[28]

Trivia Bearbeiten

Die Chemikalie ist Thema eines Dokumentarfilms – GenX: a Chemical Cocktail.[29][30]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c d e M. Beekman, P. Zweers: Evaluation of substances used in the GenX technology by Chemours, Dordrecht. Hrsg.: National Institute for Public Health and the Environment. Report 2016-0174, 12. Dezember 2016 (englisch, rivm.nl [PDF; abgerufen am 2. Februar 2023]).
  2. What is GenX? | Get the Facts. Chemours, abgerufen am 20. Februar 2023 (englisch).
  3. a b c d Hogue, Cheryl: What’s GenX still doing in the water downstream of a Chemours plant? In: Chemical & Engineering News. American Chemical Society (ACS), 12. Februar 2018, abgerufen am 2. Februar 2023 (englisch).
  4. Lau C., Anitole K., Hodes C., Lai D., Pfahles-Hutchens A., Seed J.: Perfluoroalkyl acids: a review of monitoring and toxicological findings. In: Society of Toxicology (Hrsg.): Toxicological Sciences. Band 99, Nr. 2. Oxford University Press, Oktober 2007, S. 366–94, doi:10.1093/toxsci/kfm128, PMID 17519394 (englisch).
  5. JM Caverly Rae, Lisa Craig, Theodore W. Stone, Steven R. Frame, L. William Buxton, Gerald L. Kennedy: Evaluation of chronic toxicity and carcinogenicity of ammonium 2,3,3,3-tetrafluoro-2-(heptafluoropropoxy)-propanoate in Sprague–Dawley rats. In: Toxicology Reports. Band 2, 2015, S. 939–949, doi:10.1016/j.toxrep.2015.06.001, PMID 28962433, PMC 5598527 (freier Volltext) – (englisch).
  6. Sharon Lerner: New Teflon Toxin Causes Cancer in Lab Animals. In: The Intercept. 3. März 2016, abgerufen am 3. Februar 2023 (amerikanisches Englisch).
  7. C3 Dimer Acid and PFAS. Chemours, abgerufen am 2. Februar 2023 (englisch).
  8. Externe Identifikatoren von bzw. Datenbank-Links zu Ammonium-2,3,3,3-tetrafluor-2-(heptafluorpropoxy)propanoat: CAS-Nummer: 62037-80-3, EG-Nummer: 700-242-3, ECHA-InfoCard: 100.124.803, PubChem: 51342034, ChemSpider: 26235356, Wikidata: Q29388239.
  9. Janssen: Brief gedeputeerde Janssen en beantwoording vragen BenW Sliedrecht over historische PFOA-emissies Chemours voorheen Dupont de Nemours bijlagen nazending 2. Hrsg.: Omgevingsdienst Zuid-Holland Zuid. 9. Februar 2016 (englisch, archive.org [PDF; abgerufen am 3. Februar 2023]).
  10. Hannah K. Liberatore, Stephen R. Jackson, Mark J. Strynar, James P. McCord: Solvent Suitability for HFPO-DA (“GenX” Parent Acid) in Toxicological Studies. In: Environmental Science & Technology Letters. Band 7, Nr. 7, 2020, S. 477–481, doi:10.1021/acs.estlett.0c00323, PMID 32944590.
  11. GenX Frequently Asked Questions. In: North Carolina Department of Environmental Quality (Hrsg.): GenX Investigation. Raleigh 15. Februar 2018 (englisch, nc.gov [PDF; abgerufen am 2. Februar 2023]).
  12. N.C. drinking water tainted with chemical byproduct for decades? In: CBS Interactive Inc (Hrsg.): CBS News. 26. Juni 2017 (englisch, cbsnews.com [abgerufen am 7. Februar 2023]).
  13. Mark J. Strynar, Sonia Dagnino, Andrew Dagnino, Eric Andersen, Larry Mcmillan, Michael Thurman, Imma Ferrer, Carol Ball: Identification of novel polyfluorinated compounds in natural waters using accurate mass TOFMS. In: ResearchGate (Hrsg.): SETAC. Long Beach 2012 (englisch, researchgate.net [abgerufen am 9. Februar 2023]).
  14. Mark J. Strynar, Rebecca McMahen, Shuang McMahen, Sonia Dagnino, Andrew Lindstrom, Erik Andersen, Larry McMillan, Michael Thurman, Imma Ferrer, Carol Ball: Determination of perfluoroalkyl ether carboxylic acids (PFECAs) and sulfonic acids (PFESAs) in North Carolina surface water using high resolution mass spectrometry. In: SETAC. Researchgate, Vancouver November 2014 (englisch, researchgate.net [abgerufen am 9. Februar 2023]).
  15. James McCord, Mark Strynar: Identification of Per- and Polyfluoroalkyl Substances in the Cape Fear River by High Resolution Mass Spectrometry and Nontargeted Screening. In: Environmental Science & Technology. Band 53, Nr. 9, 7. Mai 2019, S. 4717–4727, doi:10.1021/acs.est.8b06017, PMID 30993978, PMC 7478245 (freier Volltext), bibcode:2019EnST...53.4717M (englisch).
  16. Mei Sun, Elisa Arevalo, Mark Strynar, Andrew Lindstrom, Michael Richardson, Ben Kearns, Adam Pickett, Chris Smith, Detlef R. U. Knappe: Legacy and Emerging Perfluoroalkyl Substances Are Important Drinking Water Contaminants in the Cape Fear River Watershed of North Carolina. In: American Chemical Society (Hrsg.): Environmental Science & Technology Letters. Band 3, Nr. 12. ACS Publications, 13. Dezember 2016, S. 415–419, doi:10.1021/acs.estlett.6b00398 (englisch).
  17. GenX Timeline. NCDEQ, 11. Juni 2018, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 24. Dezember 2018; abgerufen am 14. Februar 2023 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/deq.nc.gov
  18. Catherine Clabby: Newest GenX Lawsuit Attacks DuPont Science. North Carolina Health News, 2. November 2017, abgerufen am 14. Februar 2023 (englisch).
  19. John Wolfe: Cape Fear River Watch to file suit against Chemours. In: The PFAS Project Lab. Social Science Environmental Health Research Institute an der Northeastern University, 16. Mai 2018, abgerufen am 15. Februar 2023 (englisch).
  20. Cheryl Hogue: Imports of used PFAS into US scrutinized. In: American Chemical Society (Hrsg.): Chemical & Engineering News. Band 97, Nr. 9, 3. März 2019 (englisch, acs.org [abgerufen am 15. Februar 2023]).
  21. NCDEQ (Hrsg.): Consert Order (draft): North Carolina Department of Environmental Quality v. The Chemours Company. 21. November 2018, Bladen County, North Carolina Superior Court (englisch, nc.gov [PDF; abgerufen am 15. Februar 2023]).
  22. Court approves order to stop PFAS from entering Cape Fear River. In: WECT News 6. Gray Television, 26. Februar 2019, abgerufen am 15. Februar 2023 (englisch).
  23. Keith Matheny: Michigan's drinking water standards for these chemicals now among toughest in nation. In: Detroit Free Press. Gannett, 3. August 2020, abgerufen am 15. Februar 2023.
  24. New state drinking water standards pave way for expansion of Michigan's PFAS clean-up efforts. Michigan Department of Environment, Great Lakes, and Energy, 3. August 2020, archiviert vom Original am 3. Januar 2022; abgerufen am 15. Februar 2023 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.michigan.gov
  25. Laurence Hammack: Source of 'forever chemical' in the Roanoke River traced to Elliston plant. In: Roanoke Times. Lee Enterprises, 10. November 2022, abgerufen am 15. Februar 2023 (englisch).
  26. EPA Announces New Drinking Water Health Advisories for PFAS Chemicals, $1 Billion in Bipartisan Infrastructure Law Funding to Strengthen Health Protections. EPA, 15. Juni 2022, abgerufen am 16. Februar 2023 (englisch).
  27. Drinking Water Health Advisories. EPA, 15. Juni 2022, abgerufen am 16. Februar 2023 (englisch).
  28. Meaningful and Achievable Steps You Can Take to Reduce Your Risk. EPA, 18. August 2022, abgerufen am 16. Februar 2023 (englisch).
  29. GenX: a Chemical Cocktail. IMDB, abgerufen am 20. Juli 2020.
  30. GenX: A Chemical Cocktail. Abgerufen am 20. Juli 2020 (amerikanisches Englisch).