Eurhinosaurus (altgriechisch für „Gut-Nasen-Echse“ von εὖ eu, deutsch ‚gut‘, ῥίς rhis [Gen. ῥινός rhinos] ‚Nase‘ sowie σαῦρος sauros, deutsch ‚Echse‘) ist eine ausgestorbene mittelgroße Ichthyosauriergattung des Unterjuras (Toarcium) von Europa (England, Deutschland, Benelux, Frankreich, Österreich und Schweiz).[2][3][4][5] Eurhinosaurus taucht zum ersten Mal im Unteren Toarcium auf und ist zum letzten Mal im Mittleren Toarcium nachweisbar, lebte also vor rund 180 Mio. Jahren.[5][6] Seine Länge variiert stark und ist mit über 6 m angegeben,[4] die meisten Exemplare besitzen allerdings eine Länge zwischen 3 und 5 Metern.[7][8] In dieser Gattung ist nur die Art Eurhinosaurus longirostris bekannt. Eine zweite Art, Eurhinosaurus costini, wurde nur kurzfristig dieser Gattung zugeordnet[4] und gilt heute als einzige Art der Gattung Excalibosaurus.[2]

Eurhinosaurus

Eurhinosaurus longirostris im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart

Zeitliches Auftreten
Unterjura (Toarcium)
182,7 bis 174,1 Mio. Jahre
Fundorte
Systematik
Landwirbeltiere (Tetrapoda)
Sauropsida
Diapsida
Ichthyosaurier (Ichthyosauria)
Leptonectidae
Eurhinosaurus
Wissenschaftlicher Name
Eurhinosaurus
Abel, 1909
Arten
  • Eurhinosaurus longirostris Owen & Jaeger in von Jaeger, 1856[1]
Eurhinosaurus longirostris aus Schandelah (Niedersachsen), im GeoPark-Informationszentrum in Königslutter

Merkmale Bearbeiten

Charakteristisch für die Gattung Eurhinosaurus ist vor allem der extreme Überbiss. Der Unterkiefer ist etwa 60 % kürzer als der Oberkiefer.[9] Weiterhin sind die stark verlängerten und schmalen Vorderflossen ein leicht zu erkennendes Merkmal. Die ebenfalls schmalen Hinterflossen erreichen mehr als zwei Drittel der Vorderflossenlänge. Zu den Synapomorphien zählen weiterhin das Quadratojugale in posteriorer Position und glatte, spitze, schmale Zähne. Die Augenhöhle ist bemerkenswert groß und rund ausgebildet, und sie ist der Grund für die stark reduzierte Wangenregion. Die Supratemporalfenster (obere Schläfenfenster) sind extrem klein, der Supratemporalknochen ist sehr groß, von oben gesehen breit und reicht bis zum Rand der Augenhöhlen.[4] Im unteren Schwanzflossenlobus war die Wirbelsäule weniger stark nach unten geknickt als in vielen anderen Ichthyosaurierarten. Wahrscheinlich betrug der Winkel nur circa 33–45°.[10] Die Chevronknochen sind knorpelig.[4]

 
Lebendrekonstruktion des Eurhinosaurus. Deutlich zu erkennen ist der langgestreckte Oberkiefer

Paläobiologie Bearbeiten

Über die Lebensweise von Eurhinosaurus ist viel spekuliert worden. Schon Friedrich von Huene vertritt die Auffassung, die lange Schnauze sei zum Aufspießen von Beute benutzt worden. Die am Oberkiefer auftretenden verästelten Gänge würden hier Blutgänge darstellen, die die Heilung dieses sensiblen Körperteils beschleunigen würden.[7] McGowan ist der Auffassung, Eurhinosaurus hätte seine Beute durch eine schnelle Auf- und Abbewegung mit seinen Zähnen verletzt und danach verspeist.[11] Riess (1986) hingegen nimmt eher ein bodenbezogenes Fressverhalten an. Die Verästelungen im vorderen Bereich der Schnauze würden ein sensorisches Organ darstellen, mit dem Eurhinosaurus seine Beute im Sediment aufgespürt hätte.[12]

 
Schädel von Eurhinosaurus longirostris (oben) und Temnodontosaurus trigonodon (unten) im Staatlichen Museum für Naturkunde in Stuttgart in vorderer Ansicht

Paläoökologie Bearbeiten

Eurhinosaurus lebte in einem flachen Meer mit Tiefen bis zu 100 m.[13] Es gab zu dieser Zeit in der Tethys eine reiche Fauna an Kopffüßern (z. B. Belemniten, Ammoniten etc.), Knochenfischen (z. B. Lepidotes, Dapedium), Haien (z. B. Hybodus, Palaeospinax etc.) und marinen Reptilien (z. B. Stenopterygius, Steneosaurus etc.).[6]

 
6,4 Meter langes Eurhinosaurus-Fossil aus Holzmaden, heute in dem Burke Museum of Natural History and Culture in den Vereinigten Staaten

Systematik und Taxonomie Bearbeiten

 
Eurhinosaurus longirostris aus dem Urwelt-Museum Hauff

Die Leptonectidae sind nah verwandt mit den Temnodontidae und den Suevoleviathanidae.[14] Diese monophyletische Gruppe weist charakteristische Gemeinsamkeiten auf. So besitzen ihre Mitglieder longipinnate Flossen mit 3–4 primären Fingern. Die Ober- und Unterkiefer sind stark verlängert und schmal. Die Augenhöhle ist extrem groß und die Wangenregion reduziert. Die Temporalfenster sind klein, die Zähne sind klein, spitz, schmal und haben eine glatte Oberfläche.[15] Das folgende Kladogramm stellt die Beziehungen innerhalb der Leptonectidae und ihrer Schwestergruppen dar.[16]

 Parvipelvia  

 Macgowania


   

 Hudsonelpidia


  Neoichthyosauria  


 Temnodontosaurus


  Leptonectidae  

 Leptonectes


   

 Excalibosaurus


   

 Eurhinosaurus





   

 Suevoleviathan


   

 Thunnosauria




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Geographische Verbreitung Bearbeiten

Eurhinosaurus ist eine der wenigen supraregional verbreiteten marinen Reptilien des Toarciums. Entgegen früheren Meinungen scheint Eurhinosaurus keine seltene Art seiner Zeit zu sein. Maisch (1998) gibt an, Eurhinosaurus würde, zum Teil, ein Drittel aller Ichthyosaurierfunde in bestimmten Regionen (Schömberg oder Dotternhausen) darstellen.[17] Die Großzahl der Exemplare stammt aus dem Posidonienschiefer Südwest-Deutschlands (Holzmaden, Dotternhausen und aus dem niedersächsischen Becken in Schandelah). Eurhinosaurus wurde außerdem in Großbritannien (Whitby, Yorkshire), Luxemburg (Esch-sur-Alzette), Frankreich (Digne-les-Bains, Département Alpes-de-Haute-Provence), Schweiz (Staffelegg, Aargau) und Österreich (Salzkammergut) gefunden.[3][5][18][19]

Stratigraphie und zeitlicher Horizont Bearbeiten

Die stratigraphische Reichweite von Eurhinosaurus longirostris ist relativ gering. Die Art tritt erstmals in der semicelatum-Zone im Unteren Toarcium auf in Bisingen, Baden-Württemberg.[6] Die jüngsten Fossilien dieser Art entstammen der bifrons/variabilis-Grenzzone aus Staffelegg in der Schweiz.[5]

Auswahl an Museen mit Exemplaren Bearbeiten

Deutschland Bearbeiten

 
Schädel von Eurhinosaurus longirostris im Paläontologischen Institut der Universität Tübingen

Österreich Bearbeiten

Frankreich Bearbeiten

Großbritannien Bearbeiten

Schweiz Bearbeiten

Kanada Bearbeiten

Vereinigte Staaten Bearbeiten

Quellen und Verweise Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Christopher McGowan, Ryosuke Motani: Ichthyopterygia. In: Handbook of Paleoherpetology, Part 8, Verlag Dr. Friedrich Pfeil, 2003.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Eurhinosaurus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Jäger, von G.F. 1856. Über eine neue Spezies von Ichthyosauren (Ichthyosaurus longirostris Owen et Jäger) nebst Bemerkungen über die übrigen in der Liasformation Württembergs aufgefundenen Reptilien. Nova acta Academiae Caesareae Leopoldino-Carolinae Germanicae naturae curiosorum 25: 937–967
  2. a b M. W. Maisch: Phylogeny, systematics, and origin of the Ichthyosauria – the state of the art. In: Palaeodiversity 3, 2010, S. 151–214.
  3. a b V. Fischer, M. Guiomar, P. Godefroit: New data on the palaeobiogeography of Early Jurassic marine reptiles: the Toarcian ichthyosaur fauna of the Vocontian Basin (SE France). In: Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie, Abhandlungen 261, Nr. 1, 2011, S. 111–127.
  4. a b c d e M. W. Maisch, A. T. Matzke: The Ichthyosauria. In: Stuttgarter Beiträge zur Naturkunde Serie B (Geologie und Paläontologie) 298, 2000, S. 1–159.
  5. a b c d A. G. Reisdorf, M. W. Maisch, A. Wetzel: First record of the leptonectid ichthyosaur Eurhinosaurus longirostris from the Early Jurassic of Switzerland and its stratigraphic framework. In: Swiss Journal of Geosciences 104, Nr. 2, 2011, S. 211–224, doi:10.1007/s00015-011-0069-x.
  6. a b c W. Riegraf, G. Werner, F. Lörcher: Der Posidonienschiefer: Biostratigraphie, Fauna und Fazies des südwestdeutschen Untertoarciums (Lias ε). Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1984, S. 195 ff.
  7. a b Friedrich von Huene: Ein neuer Eurhinosaurus aus dem oberen Lias von Holzmaden. In: Neues Jahrbuch für Mineralogie, Geologie und Paläontologie, Abteilung B 59, 1928, S. 471–484.
  8. Friedrich von Huene: Ein neuer Fund von Eurhinosaurus longirostris. In: Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie 93, 1951, S. 277–284.
  9. C. McGowan, R. Motani: Ichthyopterygia. In: Handbuch der Paläoherpetologie, 8, 2003, S. 175.
  10. C. McGowan: Computed tomography confirms that Eurhinosaurus (Reptilia: Ichthyosauria) does have a tailbend. In: Canadian Journal of Earth Sciences 27, Nr. 11, 1990, S. 1541–1545.
  11. C. McGowan: A revision of the Lower Jurassic Ichthyosaurs of Germany with descriptions of two new species. In: Palaeontographica, Abteilung A 166, 1979, S. 93–135.
  12. J. Riess: Fortbewegungsweise, Schwimmbiophysik und Phylogenie der Ichthyosaurier. In: Palaeontographica, Abteilung A 192, 1986, S. 93–155.
  13. H.-J. Röhl, A. Schmid-Röhl: Lower Toarcian (Upper Liassic) black shales of the Central European epicontinental basin: a sequence stratigraphic case study from the SW German Posidonia Shale. In: Deposition of Organic-Carbon-Rich Sediments: Models, Mechanisms, and Consequences. Special Publication 82, 2005, S. 165–189.
  14. M. W. Maisch: Neue Exemplare der seltenen Ichthyosauriergattung Suevoleviathan MAISCH 1998 aus dem unteren Jura von Südwestdeutschland. In: Geologica et Paleontologica 35, 2001, S. 145–160.
  15. M. W. Maisch: A new ichthyosaur genus from the Posidonia Shale (Lower Toarcian, Jurassic) of Holzmaden, SW-Germany with comments on the phylogeny of post-Triassic ichthyosaurs. In: Neues Jahrbuch für Geologie und Paläontologie, Abhandlungen 209, 1998, S. 47–78.
  16. R. D. Marek, B. C. Moon, M. Williams, M. J. Benton: The skull and endocranium of a Lower Jurassic Ichthyosaur based on digital reconstructions. In: Palaeontology 58, 2015, S. 723–742.
  17. M. W. Maisch: Kurze Übersicht der Ichthyosaurier des Posidonienschiefers mit Bemerkungen zur Taxonomie der Stenopterygiidae und Temnodontosauridae. In: Jahrbuch für Geologie und Paläontologie Abhandlungen 209, Nr. 3, 1998, S. 401–431.
  18. C. McGowan: The taxonomic status of the Upper Liassic ichthyosaur Eurhinosaurus longirostris. In: Palaeontology 37, Nr. 4, 1994, S. 747–753.
  19. E. Stüber: Aus dem Haus der Natur. In: Mitteilungen aus dem Haus der Natur Salzburg 14, 1998, S. 5–10.