Die Weierstraß-Darstellung, manchmal auch Enneper-Weierstraß- oder Weierstraß-Enneper-Konstruktion, ist eine nach Karl Weierstraß bzw. Alfred Enneper benannte Darstellung von Minimalflächen. Letztere sind reguläre Flächen im reellen Vektorraum , die in der Natur als Seifenhautflächen vorkommen, und daher „reelle“ Gebilde. Es mag daher verwundern, dass bei deren Beschreibung holomorphe Funktionen zu Tage treten, wie das bei der hier zu besprechenden Darstellung der Fall ist.

Enneper-Weierstraß-Darstellung Bearbeiten

 

Es seien   eine einfach zusammenhängende Menge,

 ,    ,
  eine von der Nullfunktion verschiedene holomorphe Funktion
  eine meromorphe Funktion,

so dass das Produkt   holomorph ist, das heißt an allen Polstellen von   eine hebbare Definitionslücke hat. Setze

 ,
 ,
 ,

Dann ist durch

 

eine Parametrierung

  einer Minimalfläche gegeben.

Umgekehrt kann jede Minimalfläche lokal auf diese Weise parametrisiert werden, das heißt, man kann Daten   wie oben finden, so dass die dadurch definierten   die vorgelegte Minimalfläche in einer Umgebung von   parametrisieren.[1][2][3]

Dabei bedeutet   die Realteilbildung, das Integral von   nach   ist längs irgendeines Integrationsweges in   zu bilden, wegen des vorausgesetzten einfachen Zusammenhangs hängt der Wert des Integrals nicht vom gewählten Integrationsweg ab.

Ergänzungen Bearbeiten

Obige Darstellung stammt von Karl Weierstraß aus dem Jahre 1866, etwa zeitgleich wurden gleichwertige Formeln von Alfred Enneper und Bernhard Riemann verwendet.[4]

In obigem Satz liefert die Umkehrung die Existenz einer gewissen Parametrisierung einer Minimalfläche. Oft sind Flächen aber schon in Form einer Parametrisierung gegeben, so dass sich die Frage stellt, ob die Funktionen   und   auch zu einer vorgegebenen Parametrisierung einer Minimalfläche gefunden werden können. Das ist im Allgemeinen nicht der Fall, wohl aber, wenn die vorgegebene Parametrisierung konform ist, das heißt, wenn die erste Fundamentalform ein Vielfaches der Einheitsmatrix ist, genauer, wenn   für eine skalare Funktion  , wobei   den Metriktensor bezeichnet. Das wird in der unten angegebenen Beweisskizze deutlich.

Das Paar   heißt eine Weierstraß-Darstellung der Minimalfläche. Dabei lässt man oft die Konstanten   außer Acht, das heißt man verschiebt die Fläche in Gedanken so, dass der Nullpunkt innerhalb der Fläche liegt. Die holomporhen Funktionen   erfüllen

 .

Hat man umgekehrt drei nicht identisch verschwindende, holomorphe Funktionen   mit   gegeben, so kann man eine holomorphe Funktion   und eine meromorphe Funktion   wie im Satz finden, leicht überlegt man sich, dass

    und    

das Verlangte leisten.

Wenn   konstant ist, dann sind   und   offenbar proportional und man erhält die Parametrisierung einer Ebene. Viele Autoren schließen diesen trivialen Fall aus und das wollen wir hier auch tun.

Beispiel Bearbeiten

Man kann gemäß der Weierstraß-Darstellung zu vorgegebenen Funktionen   und  , die die genannten Bedingungen erfüllen, Minimalflächen konstruieren. Ein sehr einfacher und bekannter Fall ist die Enneperfläche, die man aus   (konstante Funktion) und   auf   erhält. Die Funktionen   ergeben sich nach obigen Formeln zu

 
 
 .

Es handelt sich also durchweg um Polynome, deren Integration trivial ist. Als   wählen wir den Nullpunkt, auch die Konstanten   setzen wir zu 0 an. Dann erhält man für  

 

und durch ähnliche einfache Rechnungen

 
 

Daher ist durch

 

die Parametrisierung einer Minimalfläche gegeben, diese nennt man nach ihrem Entdecker die Enneperfläche.

Beweisskizze Bearbeiten

Die folgende Beweisskizze enthält wenig von den erforderlichen technischen Details. Die einfachere Richtung geht von den Funktionen   und   aus und konstruiert die im Satz angegebene konforme Parametrisierung  . Dieses Vorgehen wurde auch am Beispiel der Enneperfläche verdeutlicht. Unter Ausnutzung der Analytizität zeigt man schließlich, dass die mittlere Krümmung der dadurch definierten Fläche verschwindet und daher eine Minimalfläche vorliegt.

Ist umgekehrt eine Minimalfläche in parametrisierter Form gegeben, so erfolgt die Ermittlung der Enneper-Weierstraß-Darstellung in folgenden Schritten, die im Wesentlichen eine Umkehrung der obigen Konstruktion darstellen, wobei eine zusätzliche Schwierigkeit darin besteht, dass man sich zunächst eine konforme Parametrisierung verschaffen muss.

Krümmungslinienparameter Bearbeiten

Als erstes ermittelt man die sogenannten Krümmungslinienparameter. Das ist eine Parametrisierung,  , so dass die erste und zweite Fundamentalform Diagonalgestalt haben. Für ein Flächenstück ohne Nabelpunkte ist das lokal durch Lösen einer partiellen Differentialgleichung stets möglich.[5] Es gilt dann  , wobei   das Normalenfeld und die   die beiden Hauptkrümmungen sind. Da bei einer Minimalfläche die mittlere Krümmung   verschwindet, muss   sein.

Konforme Parameter Bearbeiten

Im zweiten Schritt konstruieren wir konforme Parameter, siehe oben. Wir geben uns einen Punkt   vor und gehen zu einer in   enthaltenen Rechteckumgebung   über. Das kann man tun, da es sich ja um ein lokales Problem handelt. Bezeichnet wieder   die Metrik aus der ersten Fundamentalform, so überlegt man sich, dass die Funktionen  , die ja von Paaren   abhängen, tatsächlich nur von einer der Variablen abhängen, indem man zeigt, dass die Ableitung nach der jeweils anderen Variablen verschwindet. Es gibt daher reelle Funktionen   mit   und  . Die Funktionen   sind positiv und man kann damit folgende Abbildung definieren:

 , wobei
 .

Dann ist   ein Diffeomorphismus von   auf das Bild   und man zeigt, dass die drei Funktionen

 

eine konforme Parametrisierung des vorgelegten Flächenstücks bilden.[6]

Holomorphe Funktionen Bearbeiten

An dieser Stelle der Konstruktion liegt also eine konforme Parametrisierung   vor und   kann der Einfachheit halber als offenes Rechteck in der Ebene angenommen werden. Identifiziert man die Ebene wie üblich mit der Ebene   der komplexen Zahlen, so erhalten wir drei komplexe Funktionen   durch

 
 
 

Die Konformität der Parametrisierung ist äquivalent zu   und die Minimalflächeneigenschaft ist in dieser Situation äquivalent zur Holomorphie der  .[7] Mit den bereits oben genannten Formeln

    und    

erhält man die gewünschte Weierstraß-Darstellung.[8]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Wolfgang Kühnel: Differentialgeometrie, ISBN 978-3-8348-0411-2, Folgerung 3.36: Weierstraß-Darstellung
  2. Jost-Hinrich Eschenburg, Jürgen Jost: Differentialgeometrie und Minimalflächen, Springer-Verlag 2014, ISBN 978-3-642-38521-6, Kapitel 8.5: Die Weierstraß-Darstellung
  3. Johannes Nitsche: Vorlesungen über Minimalflächen, Springer-Verlag (1975), ISBN 978-3-642-65620-0, Kapitel III.2.3: Die Weierstraß-Enneperschen Darstellungsformeln
  4. Johannes Nitsche: Vorlesungen über Minimalflächen, Springer-Verlag (1975), ISBN 978-3-642-65620-0, historische Bemerkung auf Seite 143
  5. Wilhelm Blaschke, Kurt Leichtweiß: Elementare Differentialgeometrie, Springer-Verlag 1973, ISBN 0-387-05889-3, §46: Krümmungslinien
  6. Wolfgang Kühnel: Differentialgeometrie, ISBN 978-3-8348-0411-2, Lemma 3.33
  7. Wolfgang Kühnel: Differentialgeometrie, ISBN 978-3-8348-0411-2, Folgerung 3.31
  8. Wolfgang Kühnel: Differentialgeometrie, ISBN 978-3-8348-0411-2, Lemma 3.35