Edward Colston

britischer Unternehmer, Sklavenhändler und Politiker

Edward Colston (* 2. November 1636 in Bristol; † 11. Oktober 1721 in Mortlake, Surrey) war ein britischer Unternehmer, Sklavenhändler und Politiker. Er war an der Versklavung von mehr als 80.000 Menschen beteiligt.

Edward Colston auf einem Porträt von Jonathan Richardson

Leben Bearbeiten

Edward Colston wurde in eine wohlhabende, westenglische Kaufmannsfamilie geboren. Seine Eltern waren William und Sarah Colston, er hatte zehn Geschwister. Sein Vater war eine wichtige Stütze der „Society of Merchant Venturers“, die aus dem Sklavenhandel hervorging und ein überzeugter Royalist, der 1643, als Bristol von Prinz Rupert eingenommen wurde, als Stadtrat und Sheriff eingesetzt, aber 1645 vom Parlament seiner Ämter enthoben wurde. Während des Englischen Bürgerkrieges zog seine Familie nach London um,[1] wo Edward Colston ab etwa 1672 als Händler tätig war. Ab 1680 war er stark im Sklavenhandel tätig, aus dem der Großteil seines Reichtums stammte. Er war 1680 bis 1692 aktives Mitglied der Royal African Company (RAC) und 1689 bis 1690 stellvertretender Gouverneur.[2] Die RAC war eine Handelsgesellschaft, die von der königlichen Familie Stuart und Händlern der City of London gegründet wurde, und besaß ab 1662 in England das Monopol für den Handel mit Gold, Silber, Elfenbein und Sklaven an der Westküste Afrikas.

1683 wurde Colston in die „Society of Merchant Venturers“ in Bristol aufgenommen und zu diesem Zeitpunkt als „Westindischer Kaufmann“ beschrieben. Die 1680er Jahre waren seine lukrativsten Jahre, er soll über 40 Schiffe besessen haben. 1682 verwendete er die Gewinne aus dem Sklavenhandel für Geldverleih. Nach dem Tod seines Bruders Thomas im Jahr 1684 führte er einige Jahre lang das Handelsgeschäft seines Vaters in Bristol, obwohl er weiterhin in London wohnte. Er erbte das Handelsgeschäft seines Bruders und wurde Teilhaber einer Zuckerraffinerie in St. Peter’s Churchyard, die Roh-Rohrzucker, welcher von Sklaven auf den Plantagen der Karibikinsel St. Kitts produziert wurde, verschiffte und verarbeitete. Colston begrüßte die Revolution von 1688 und etablierte sich schnell, indem er erstens der neuen Regierung mehrere Darlehen vorstreckte und zweitens Wilhelm von Oranien, der sich wegen seines militärischen Erfolgs als König von England, Schottland und Irland in Personalunion betrachtete, Aktien der RAC im Wert von 1000 Pfund verkaufte. 1692 zog sich Colston aus der RAC zurück, setzte den Sklavenhandel bei der 1711 gegründeten South Sea Company fort.[1] 1710 wurde Colston, der politisch Tory war, für den damaligen Wahlbezirk Bristol in das House of Commons gewählt. Da er zu diesem Zeitpunkt 74 Jahre alt war, hatte er sich geweigert zu kandidieren, wurde aber in Abwesenheit aufgestellt. Colston war nicht sonderlich aktiv und kandidierte 1713 nicht erneut.[1]

Während Colston vor allem in Mortlake westlich von London lebte, förderte er in seiner Heimatstadt Bristol Schulen, Kirchen, Kranken- und Armenhäusern mit beachtlichen Geldsummen und galt daher als Philanthrop.[2] Zu seinen Lebzeiten soll er insgesamt 70.000–80.000 £ für wohltätige Zwecke hauptsächlich in Bristol gespendet haben; die begünstigten bzw. testamentarisch errichteten Organisationen ehrten ihn durch jährliche Gedenkfeiern. Nach seinem Tod soll er seinen Erben 100.000 £ hinterlassen haben.[3][4]

Im Zuge des atlantischen Sklavenhandels war Colston an der Versklavung von mehr als 84.000 Menschen beteiligt, darunter 12.000 Kindern. 19.000 Menschen starben an Bord seiner Schiffe. Die Überlebenden wurden in die Sklaverei verkauft, zumeist auf Tabak- und Zuckerplantagen in der Karibik.[5][6]

Nachwirkungen Bearbeiten

Im Jahr 1895, 174 Jahre nach seinem Tod, widmeten vermögende Kaufleute in Bristol Colston eine Bronzestatue, die schon damals umstritten war.[7][8] Die Statue, die auf der Colston Avenue im Stadtzentrum stand und die Docks überragte, von denen Bristols Sklavenschiffe einst ablegten, erwähnte seine Vergangenheit im Sklavenhandel nicht.

Um diese Bronzestatue entbrannte in den 1990er Jahren erneut eine öffentliche Debatte,[9] mehr als 10.000 Menschen unterzeichneten eine Petition gegen das Denkmal.[10] Bristols musikalisches Aushängeschild Massive Attack weigerte sich, in der nach Colston benannten Konzerthalle Colston Hall zu spielen. 2017 wurden Pläne geäußert, die Konzerthalle nach einer groß angelegten Renovierung umzubenennen.[11] Die Colston’s Girls’ School verkündete dagegen im gleichen Jahr, ihren Namen nicht ändern zu wollen.[12]

Im Jahr 2019 scheiterten Versuche, eine Gedenktafel am Sockel der Statue anzubringen, nachdem die „Society of Merchant Venturers“, der Colston zu Lebzeiten angehörte, darauf bestand, den Text so zu gestalten, dass Colstons Beteiligung am Sklavenhandel relativiert würde. Die „Society of Merchant Venturers“ hält noch heute Gottesdienste und Gedenkfeiern zu seinen Ehren ab und betreibt viele der Institutionen, die bis heute den Namen Colston tragen. Bristols Bürgermeister, Marvin Rees, der erste Bürgermeister afrokaribischer Abstammung in der Geschichte der Stadt, erklärte die vorgeschlagene Formulierung für „inakzeptabel“. Es sei „äußerst naiv“ von der „Society of Merchant Venturers“ zu glauben, dass sie das letzte Wort über die Beschriftung der neuen Plakette haben sollte, „ohne Bezug zu nehmen auf die Gemeinschaften der Nachkommen jener Afrikaner, die von Händlern wie Colston versklavt und als Ware behandelt wurden“.[13][6]

Am 7. Juni 2020 stürzten Demonstranten die Statue im Zuge der Proteste infolge des Todes von George Floyd vom Sockel und versenkten sie im Hafenbecken von Bristol. Floyds Tod bei einem Polizeieinsatz in den Vereinigten Staaten hatte weltweit Massenproteste der Black-Lives-Matter-Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt ausgelöst.[14][15][16] Der Bürgermeister Rees äußerte, als gewählter Politiker könne er Sachbeschädigung und Unruhen wie diese nicht unterstützen; aber die Statue eines Sklavenhändlers mitten in der Stadt sei für ihn niemals etwas anderes als ein „persönlicher Affront“ gewesen. Der Labour-Abgeordnete Clive Lewis schrieb: „Jemand, der für unermessliches Blut und Leid verantwortlich ist. Wir werden den strukturellen Rassismus nie lösen, solange wir unsere Geschichte in ihrer ganzen Komplexität nicht in den Griff bekommen.“ Der Labour-Vorsitzende Keir Starmer äußerte, die Statue hätte schon vor vielen Jahren in einer geregelten Weise demontiert werden sollen; die Aktion sei aber „vollständig falsch“ gewesen.[17] Von Seiten der konservativen Regierung kam Kritik. Innenministerin Priti Patel verurteilte die Zerstörung der Statue als „absolut schändlich“, und Premierminister Boris Johnson bezeichnete sie als „kriminellen Akt“.[18][19]

Der britisch-nigerianische Historiker David Olusoga schrieb: „Diejenigen, die so lange das Unhaltbare verteidigt haben, glaubten, dass das, was am Sonntag geschah, niemals geschehen würde. Sie gingen einfach davon aus, dass People of Color, die Bristol ihr Zuhause nennen, für immer tolerieren würden, im Schatten eines Mannes zu leben, der mit Menschenfleisch handelte und dass die Macht, zu entscheiden, ob Colston stand oder fiel, in ihren Händen läge. Sie lagen auf allen Ebenen falsch. Was auch immer in nächster Zeit gesagt werden wird: Das war kein Angriff auf Geschichte – das ist Geschichte. Es ist einer jener seltenen historischen Momente, die dazu führen, dass die Dinge nie wieder so sein können, wie sie waren.“[20]

Am 15. Juli 2020 wurde (ohne Genehmigung einer Stadtbehörde) die Statue einer Demonstrantin der Black-Lives-Matter-Bewegung auf den Sockel gestellt, auf dem bis Juni Colstons Statue gestanden hatte. Die Demonstrantin namens Jen Reid hatte sich nach dem Sturz der Colston-Statue mit erhobener rechter Faust auf den Sockel gestellt und war dabei fotografiert worden. Der Künstler Marc Quinn, einer der bekanntesten Bildhauer Großbritanniens, schuf die Reid-Statue.[21] Weniger als 24 Stunden später wurde die Reid-Statue von der Stadtverwaltung wieder entfernt; Bürgermeister Marvin Rees erklärte, es sei in einem demokratischen Prozess zu entscheiden, was die Colston-Statue ersetzen solle.[22]

Nach der vollendeten Renovierung der Colston Hall wurde diese im September 2020 auf Bristol Beacon (dt. Leuchtfeuer) umbenannt.[23]

Die Statue Colstons ließ die Stadtverwaltung von Bristol aus dem Hafen bergen. Die Statue war beschädigt. Sie hatte den Gehstock verloren und war ferner an der linken Seite und am Fuß beschädigt.[24] Ab dem 4. Juni 2021 wurde die Statue Colstons in ihrem demolierten Zustand in einer Ausstellung des M Shed-Museums in Bristol gezeigt, welches der Geschichte der Stadt im Sklavenhandel gewidmet ist.[25][26]

Anfang Januar 2022 wurden vier Menschen freigesprochen, die an dem Sturz der Statue beteiligt gewesen waren.[27]

Weblinks Bearbeiten

Commons: Edward Colston – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b c Colston, Edward. In: oxforddnb.com. Oxford Dictionary of National Biography, 8. Juni 2020, abgerufen am 8. Juni 2020 (englisch).
  2. a b COLSTON, Edward II (1636–1721), of Mortlake, Surr. In: historyofparliamentonline.org. The History of Parliament Trust, 8. Juni 2020, abgerufen am 8. Juni 2020 (englisch).
  3. Review of New Publications.The Gentleman’s Magazine, Jahrgang 1791, S. 943 (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/gen
  4. History of the Rivers, Vol. II.The monthly Review or literary journal enlarged, Jahrgang 1797, S. 307 f. (online bei ANNO).Vorlage:ANNO/Wartung/mrl
  5. Proteste in Bristol: Demonstranten werfen Statue von Sklavenhändler in Hafenbecken. In: Der Spiegel. Der Spiegel GmbH & Co. KG, 8. Juni 2020, abgerufen am 8. Juni 2020.
  6. a b Tristan Cork: Second Colston statue plaque not axed and will still happen but mayor steps in to order a re-write. In: bristolpost.co.uk. The Bristol Post, 25. März 2019, abgerufen am 12. Juni 2020 (englisch).
  7. Sebastian Borger: Protestwelle aus den USA schwappt nach Großbritannien. In: Der Standard. Standard Verlagsgesellschaft m. b. H., 8. Juni 2020, abgerufen am 12. Juni 2020.
  8. Edward Colston. In: pmsa.cch.kcl.ac.uk. PMSA National Recording Project, 9. Januar 2010, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 9. Januar 2010; abgerufen am 8. Juni 2020 (englisch).
  9. Stuart Ward und Astrid Rasch (Hrsg.): Embers of Empire in Brexit Britain. London: Bloomsbury Academic, 2019, Seite 135.
  10. Vanessa Fischer: Rassisten vom Sockel gestürzt. In: Neues Deutschland. Neues Deutschland Druckerei und Verlags GmbH, 8. Juni 2020, abgerufen am 12. Juni 2020.
  11. Michael Yong, Tristan Cork und Natasha Davies: Colston Hall to be renamed for 2020 relaunch. In: bristolpost.co.uk. The Bristol Post, 27. April 2017, abgerufen am 8. Juni 2020 (englisch).
  12. Michael Yong: One of Bristol’s oldest schools is not changing its name. In: bristolpost.co.uk. The Bristol Post, 2. November 2017, abgerufen am 8. Juni 2020 (englisch).
  13. Edward Colston: Plaque to Bristol slave trader axed over wording. In: BBC News. British Broadcasting Corporation, 25. März 2019, abgerufen am 12. Juni 2020 (englisch).
  14. Andreas Eckert: Sturz der Colston-Statue in Bristol – Start einer längst überfälligen Debatte. In: Deutschlandfunk Kultur. Deutschlandradio, 8. Juni 2020, abgerufen am 9. Juni 2020.
  15. Jack Grey: Bristol George Floyd protest: Colston statue toppled. In: BBC News. British Broadcasting Corporation, 7. Juni 2020, abgerufen am 8. Juni 2020 (englisch).
  16. Martin Evans: Statue of slave trader Edward Colston pulled down and thrown into harbour by Bristol protesters. In: telegraph.co.uk. The Daily Telegraph, 7. Juni 2020, abgerufen am 8. Juni 2020 (englisch).
  17. Lizzy Buchan: Keir Starmer says ‘completely wrong’ to tear Colston statue down but it should have gone ‘long ago’. In: The Independent. Independent News & Media, 8. Juni 2020, abgerufen am 9. Juni 2020 (englisch).
  18. Statue von Sklavenhändler in Bristol gestürzt. In: Der Standard. Standard Verlagsgesellschaft m. b. H., 7. Juni 2020, abgerufen am 8. Juni 2020.
  19. Edward Colston: Bristol slave trader statue ‘was an affront’. In: BBC News. British Broadcasting Corporation, 8. Juni 2020, abgerufen am 8. Juni 2020 (englisch).
  20. David Olusoga: The toppling of Edward Colston’s statue is not an attack on history. It is history. In: The Guardian. Guardian News & Media Ltd., 8. Juni 2020, abgerufen am 12. Juni 2020 (englisch, Übersetzung des Artikels durch Holger Hutt: WTF?! auf freitag.de.).
  21. AP: Statue von Demonstrantin ersetzt Sklavenhändler. In: FAZ.net. 15. Juli 2020, abgerufen am 28. Januar 2024.
  22. Jen Reid: Bristol Black Lives Matter statue removed BBC News, 16. Juli 2020, abgerufen am 16. Juli 2020.
  23. BBC: Colston Hall music venue to be renamed Bristol Beacon 23. September 2020, abgerufen am 5. Juni 2021.
  24. RESTORING COLSTON’S STATUE – GRAFFITI, BIKE TYRE AND ALL, abgerufen am 11. Oktober 2021.
  25. www.bristolmuseums.org: The Colston statue: What next?, abgerufen am 5. Juni 2021.
  26. The Times: Bristol’s protracted debate over angle of Edward Colston statue, abgerufen am 5. Juni 2021.
  27. orf.at: Bristol: Freisprüche nach Sturz von Colston-Statue 5. Januar 2022