Diskussion:Physica

Letzter Kommentar: vor 8 Jahren von Georg Hügler in Abschnitt Medizinisch nutzlose Lemmata?

Medizinisch nutzlose Lemmata? Bearbeiten

Im Artikel steht "So enthält die Physica auch zahlreiche Lemmata, denen Hildegard keinerlei medizinischen Nutzen zuschreibt." Ich habe jetzt nicht die ganze Physica durchgelesen, möchte aber dennoch fragen, ob dem wirklich so ist. Für welche Beispiele träfe das denn zu? MfG, Georg Hügler (Diskussion) 07:18, 25. Feb. 2016 (CET)Beantworten

Die Lemmata hat sie aus dem Glossarium Heinrici, einem Wörterbuch aus Würzburg, übernommen und zu jedem darin vorkommenden Lemma etwas geschrieben. Dem Ampfer bspw. spricht sie nur Nutzen für Tiere, explizit Rinder und Schafe, zu (I.41). Beim Portulak erwähnt sie überhaupt keinen Nutzen (I.74). Bei der Gurke schreibt sie, sie sei für Kranke ungeeignet (I.88). Sehr negativ äußert sie sich über das Vergissmeinicht (I.135), ähnlich beim Gänsekraut (I.150). Bei Grensing und Mauerkraut sieht sie weder Nutzen, noch Schaden (I.148f.). Bei den Pflanzen im ersten Buch sind solche Einträge relativ selten, häufiger finden sie sich in den Büchern zu den Tieren. Alle Kapitelangaben beziehen sich auf die Übersetzung von Ortrun Riha. --Avant-garde a clue-hexaChord 11:31, 25. Feb. 2016 (CET)Beantworten
Nachtrag: Besonders bekannt ist ja die abschätzige Meinung zum Johanniskraut (I.215), das Hildegard nur als Futter für Weidetiere erachtet. Fraglich ist, ob sie damit wirklich das Echte Johanniskraut meint oder eine der zahlreichen anderen, nicht medizinisch genutzten Arten. --Avant-garde a clue-hexaChord 14:04, 25. Feb. 2016 (CET)Beantworten
Danke für diese schönen Beispiele! Ein "medizinischer Nutzen" könnte sich aber dennoch dem damaligen Arzt bzw. Leser mit medizinischem (humoralpathologischem) Background erschlossen haben. Zum Beispiel beim Portulak, den Hildegard als kalt und Flüssigkeit und Schleim im Menschen hervorbringend beschreibt: Wenn er kalt ist, stand es doch einem Arzt zu, die Pflanze gegen "heiße" Krankheiten anzuwenden und hier insbesondere bei Leiden, die mit zu wenig Flüssigkeit (vielleicht Mundtrockenheit, "Exsikkose" bei Altersschwäche usw.) verbunden sind, anzuwenden - auch wenn die Verfasserin das nicht explizit zum Ausdruck gebracht hat. Insofern stimmt es zwar, dass sie "keinerlei medizinischen Nutzen zuschreibt", aber sie spricht (hier dem Portulak) auch nicht explizit jeden Nutzen ab. MfG, Georg Hügler (Diskussion) 16:46, 25. Feb. 2016 (CET)Beantworten
Schon, aber man darf nicht vergessen, dass es sich bei der Physica und auch der Cause et curae nicht um reine heilkundliche Schriften handelt, sondern eben auch um naturkundliche. Die Primärqualitäten warm oder kalt gibt sie bei allen Lemmata an, trocken oder feucht spielt bei ihr hingegen kaum eine Rolle. --Avant-garde a clue-hexaChord 17:09, 25. Feb. 2016 (CET)Beantworten
Nachtrag: Vom "Essen" von Gurken rät sie zwar "Kranken" ab, was aber nicht ausschließen muss, dass die "feuchten und kalten" Gurken - oder Bestandteile davon - Anwendung bei von "trockenen und heißen" Leiden befallenen Patienten als wirksames Heilmittel gefunden hätten. Möglicherweise gab es damals auch keine Pflanze, die nicht irgendwann als Heilmittel in Betracht gezogen wurde (wenn auch nicht speziell von Hildegard). Eine Ausnahme (bei Hildegard) bildet aber zugegebenermaßen das "Unkraut" Vergißmeinnicht. MfG, Georg Hügler (Diskussion) 17:11, 25. Feb. 2016 (CET)Beantworten
Zum Glossarium Heinrici: Weiß man mehr über diesen Heinrich? Und: Ist das "Glossarium" identisch mit dem "Summarium"? MfG, Georg Hügler (Diskussion) 17:31, 25. Feb. 2016 (CET)Beantworten
Reiner Hildebrandt hat 1996 ziemlich eindeutig nachgewiesen, dass Hildegard eine Abschrift dieses Glossariums oder Summariums gekannt haben muss. Sie übernahm aber nicht den dortigen Inhalt, sondern eben nur die Stichwörter. Darauf weist auch Ortrun Riha in der Einführung zu ihrer Übersetzung hin. --Avant-garde a clue-hexaChord 18:38, 25. Feb. 2016 (CET)Beantworten
Ach ja, der Heinrich: Bischof Heinrich I. von Würzburg (995/6-1018). Vgl. Wegstein 1985, S. 15. --Avant-garde a clue-hexaChord 18:55, 25. Feb. 2016 (CET)Beantworten
Danke, auch für den wegweisenden "Wegstein"! MfG, Georg Hügler (Diskussion) 19:06, 25. Feb. 2016 (CET)Beantworten