Deutscher Minenräumdienst

paramilitärische Einheiten nach Kriegsende unter alliiertem Oberkommando

Der Deutsche Minenräumdienst wurde 1945 auf alliierte Weisung aus verbliebenen Teilen der Kriegsmarine gebildet und hatte die Aufgabe, die Seeminen in den deutschen Küstengewässern zu beseitigen. Die englische Bezeichnung war „German Minesweeping Administration“ (GMSA), während neben dem Begriff „Deutscher Minenräumdienst“ mehrere deutsche Bezeichnungen überliefert sind, darunter „Deutsche Minenräumleitung“ (DMRL) und „Deutsche Minenräumverwaltung“.

Doppelstander „C“ als Flagge aller deutschen Seeschiffe zwischen 1945 und 1951
Der Signalwimpel „8“ als Erkennungszeichen der DMRL-Fahrzeuge

Aufstellung und Aufgaben Bearbeiten

Bereits am Tag der bedingungslosen Kapitulation, dem 8. Mai 1945, ordnete der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte an, dass die Kriegsmarine Minenräumfahrzeuge für die Räumung verminter Gewässer bereitzustellen habe. Um die Verwaltung und Erhaltung der deutschen Marineeinheiten und Marinewerften, die unter alliierter Kontrolle arbeiteten, sicherzustellen, blieb zunächst das Oberkommando der Marine (OKM) unter Leitung des von den Alliierten eingesetzten Generaladmirals Walter Warzecha bestehen. Es hatte folgende Aufgaben:[1]

  • a. Reparaturen, Erhaltung und Ausrüstung von Minensucheinheiten,
  • b. Weiterversorgung mit Minensuchgerät,
  • c. Weiterversorgung mit technischen Nachrichtenmitteln für Minensucher,
  • d. Weiterversorgung und Verteilung von Brennstoffen aus deutschen Quellen,
  • e. Hafen- und Wasserwegebau, Hafenbetonnung und -befeuerung,
  • f. Verwaltung deutscher Marinestützpunkte
  • g. Besoldung, Bekleidung, Verpflegung.

Nach Auflösung des OKM am 21. Juli 1945 wurde die Deutsche Minenräumleitung (D.M./R.L.) eingerichtet, die diese Aufgaben übernahm.

Leitung Bearbeiten

Für die Koordination der Minenräumung in europäischen Gewässern hatten die Alliierten das International Mine Clearance Board (IMCB) in London eingerichtet. Die DMRL erhielt ihre Räumaufträge über die britische Besatzungsmacht.[2]

Als „Chef der Deutschen Minenräumleitung“ (Chef D.M./R.L.) wurde durch die britische Marine Konteradmiral Fritz Krauss eingesetzt, der diese Aufgabe bis Ende 1947 wahrnahm. Britischer Leiter war ein „Commodore German Minesweeping Administration“. Der Stab der DMRL befand sich zunächst in Glückstadt, später in Hamburg am Sitz des britischen Marinebefehlshabers Schleswig-Holstein im sogenannten Navy House.

Stellvertreter des Chefs D.M./R.L. war bis März 1946 Kapitän zur See Heinrich Gerlach. Im Stab der D.M./R.L. wurden außerdem drei Direktoren eingesetzt, darunter Kapitän zur See Alfred Schumann. Zum Stab gehörten einige führende Offiziere der vormaligen Operationsabteilung, unter ihnen die späteren Inspekteure der Marine Karl-Adolf Zenker und Gert Jeschonnek.[1]

Personal und Fahrzeuge Bearbeiten

 
Ein ehemaliger Passagierdampfer diente als Unterkunft der Besatzungen von Minensuchbooten in Wilhelmshaven

Die Angaben über den Personal- und Fahrzeugbestand variieren besonders für die ersten Monate nach der Aufstellung des Minenräumdiensts. So wird ein Anfangsbestand von 100.000 Mann genannt.[3] Der spätere Befehlshaber der Flotte Günter Fromm stellt fest: „Das Oberkommando der Kriegsmarine ermittelte 1664 Fahrzeuge mit einem Personal von 44.600 Mann, die im Minenräumdienst eingesetzt waren. Weit mehr als die Reichsmarine und die Bundesmarine je ausmachten.“[4] Im Herbst 1945 verfügte die DMRL noch über etwa 27.000 Marinesoldaten, eine Zahl, die sich bis 1946 auf etwa 16.000 Mann reduzierte.[3] Der Fahrzeugbestand wird für 1946 mit 393 und für 1947 mit 294 angegeben.[4]

Die Soldaten dienten als dienstverpflichtetes, nicht aus der Kriegsmarine entlassenes Personal im Status Surrendered Enemy Personnel, der ihnen nicht die Rechte eines Kriegsgefangenen zukommen ließ. Zunächst trugen die Besatzungen ihre alten Marineuniformen mit allen Orden, jedoch ohne Hakenkreuze. Der Zusammenhalt der Soldaten und der sich angesichts der Gefahr beim täglichen Räumdienst entwickelnde Korpsgeist wurden den Alliierten bald suspekt. Deshalb wurden im Mai 1946 neue Uniformen und eigene Dienstgrade eingeführt.

Die Hakenkreuzflagge durfte vom Zeitpunkt der Kapitulation an nicht mehr geführt werden. Die Alliierten wiesen an, stattdessen eine als Doppelstander abgewandelte internationale Signalflagge „C“ zu setzen, die von deutschen Schiffen bis 1951 geführt wurde. Am 16. Mai 1945 ordnete die Reichsregierung in Flensburg-Mürwik an, dass die im britischen Auftrag im Minenräumdienst eingesetzten deutschen Kriegsschiffe an der Gaffel den nationalen Signalwimpel „8“ zu führen haben. Ohne dass dafür eine Anweisung überliefert ist, führten einige Fahrzeuge außerdem die Signalflagge Q des nationalen Flaggenstells, die wegen ihrer Bezeichnung als Flagge „Quatsch“ als Protest der Kommandanten gegen die Flaggenordnung verstanden wurde.[5]

Wie auch schon während des Krieges bei den Räumbootsflottillen der Kriegsmarine kamen bei den Räumflottillen des Deutschen Minenräumdienstes sogenannte Räumottern (engl. paravane) zum Einsatz.

Einheiten und Verbände Bearbeiten

 
Deutsche Räumflottille im Kriegseinsatz

Der Deutsche Minenräumdienst gliederte sich anfangs in drei Minenräumdienstkommandos und einer Marinedienststelle Norwegen, welchen vier Minenräumdivisionen unterstellt waren.[6][7] Die 5. Minenräumdivision (Holland), ebenso wie die später eingerichtete 6. Minenräumdivision, war eigenständig. Hinzu kamen Kräfte unter französischer Führung, die nicht der Deutschen Minenräumdienstleitung unterstanden. In der mittleren Ostsee waren Kräfte unter sowjetischer Leitung eingesetzt.[2]

Deutsche Minenräumdienstkommandos/Marinedienststelle Bearbeiten

Die Deutschen Minenräumdienstkommandos wurden mit der Einrichtung des Deutschen Minenräumdienstes aufgestellt und wurden direkt der Deutschen Räumdienstleitung in Glücksburg unterstellt.

Im April 1946 wurden die Minenräumdienstkommandos aufgelöst und die sechs Minenräumdivisionen direkt der Leitung unterstellt.

I. Deutsches Minenräumdienstkommando (Schleswig-Holstein) Bearbeiten

Das Kommando war in Kiel-Kronshagen beheimatet und hatte die 1. Minenräumdivision zugeteilt.[6]

Geführt wurde das Kommando von Konteradmiral Günther Schubert.

II. Deutsches Minenräumdienstkommando (Westdeutschland) Bearbeiten

Das Kommando war in Buxtehude beheimatet und hatte die 2. Minenräumdivision zugeteilt.[6]

Geführt wurde das Kommando von Kapitän zur See Maximilian Smidt.

III. Deutsches Minenräumdienstkommando (Dänemark) Bearbeiten

Das Kommando war in Kopenhagen beheimatet und hatte die 3. Minenräumdivision zugeteilt.[6]

Geführt wurde das Kommando von Kapitän zur See Max Freymadl, welcher später die 3. Minenräumdivision übernahm.

Deutsche Marinedienststelle (Norwegen) Bearbeiten

Das Kommando war in Oslo beheimatet und hatte die 4. Minenräumdivision zugeteilt.[6]

Geführt wurde die Dienststelle von Kapitän zur See Fro Harmsen.

Minenräumdivisionen Bearbeiten

1. Minenräumdivision Bearbeiten

Die 1. MRD in Kiel war für die deutschen Küstengewässer in der westlichen Ostsee zuständig und wurde von Fregattenkapitän Adalbert von Blanc (ehemaliger Kommandeur der 9. Sicherungs-Division) geführt.[8]

Die Division bestand im Oktober 1945 aus:[9]

2. Minenräumdivision Bearbeiten

 
Ein Artilleriefährprahm (vorderes Modell) und mehrere Marinefährprähme (dahinter) waren Teil der 2. Transportflottille

Die 2. MRD („Nordsee A“) in Cuxhaven war für die Gewässer vor der deutschen Nordseeküste zuständig und wurde von Fregattenkapitän Herbert Max Schultz, ehemaliger Kommandeur der 1. Schnellboot-Division und 3. Schnellboot-Flottille, geführt.[8] Ihre Stützpunkte waren Cuxhaven, Bremerhaven und Wilhelmshaven. Ein Teil der an der Weser- und Jademündung stationierten Fahrzeuge wurde später zur 6. Minenräumdivision zusammengezogen.

Die Division bestand im Oktober 1945 aus:[9]

3. Minenräumdivision Bearbeiten

Die 3. MRD in Kopenhagen, ab Ende 1945 in Frederikshavn, war für die dänischen Gewässer zuständig und wurde von Fregattenkapitän Gustav Forstmann (bis Februar 1946, ehemaliger Kommandeur der 1. Räumbootsflottille) geführt. 1946 war die Division in Hirtshals. Später übernahm der Kapitän zur See Max Freymadl das Kommando.

Die Division bestand im Oktober 1945 aus:[10]

4. Minenräumdivision Bearbeiten

 
Die 4. MRD in Norwegen setzte Minensuchboote Typ 1940 ein

Die 4. MRD in Kristiansand war für die norwegische Küste verantwortlich und wurde von Fregattenkapitän Hans-Otto Philipp (ehemaliger Kommandeur der 11. Minensuchflottille, 23. Minensuchflottille und Chef des 1. Küstensicherungsverbands), später von Fregattenkapitän Helmut Neuss,[8] geführt. Das Führungsschiff war das Schnellbootbegleitschiff Adolf Lüderitz.[10]

Die Division operierten von den Häfen Kristiansand als Hauptstützpunkt und Stavanger, Oslo, Trondheim, Tromsø und Bergen aus.

Die Division bestand im Oktober 1945 aus:[10]

Die 4. Minenräumdivision wurde im Oktober 1946 aufgelöst.

5. Minenräumdivision Bearbeiten

Die 5. MRD in IJmuiden und Borkum war für die niederländischen Gewässer zuständig und wurde von Korvettenkapitän Harald Schaper (ehemaliger Kommandeur der 34. Minensuchflottille) geführt,[8] später Korvettenkapitän Eberhard Homeyer.

Die Division bestand im Oktober 1945 aus:[10]

  • 25. Minensuchflottille (von der ehemaligen 9. Sicherungs-Division)
  • 16. Räumflottille
  • 17. Räumflottille (als 17. Räumbootsflottille von der ehemaligen 9. Sicherungs-Division)
  • Hinzu kamen elf ehemalige deutsche Räumboote, die mit Personal der niederländische Marine besetzt waren.[10]

6. Minenräumdivision Bearbeiten

Die 6. MRD („Nordsee B“) in Bremerhaven und Wilhelmshaven war aus der 2. MRD ausgegliedert worden. Sie war für die Gewässer zuständig vor der Weser-, Jade- und Emsmündung und wurde von Korvettenkapitän Kurt Ambrosius (letzter Kommandeur der 12. Vorpostenflottille) geführt.[8]

Die 6. MRD bestand aus der 18. Minensuchflottille der 2. MRD und diversen sonstigen Einsatzfahrzeugen.[10]

Die 6. Minenräumdivision wurde im September 1947 aufgelöst.

Auflösung Bearbeiten

 
Die von der DMRL ausgemusterten M-Boote 388 und 460 liegen 1949 für den Umbau zu Passagierschiffen in der Werft. Stattdessen versahen sie ab 1951 Dienst in der LSU-B und ab 1956 in der Bundesmarine als Seehund und Seeigel.

Als die Sowjetunion gegen den Bestand des Verbandes als heimliche deutsche Wiederbewaffnung protestierte, wurde er zum 31. Dezember 1947 aufgelöst. Zu diesem Zeitpunkt waren die deutschen Gewässer von Ankertauminen geräumt, jedoch bestand weiterhin Gefahr durch Grundminen.

Um die Räumung der noch nicht beseitigten Grundminen fortzusetzen, wurde im Januar 1948 unter britischer Kontrolle der Minenräumverband Cuxhaven (MRVC) aufgestellt, der die Aufgaben der DMRL bis 1951 fortführte. Diese erheblich kleinere, zivil eingekleidete Folgeorganisation mit Heimathafen Cuxhaven verfügte nur noch über zwölf Minensuchboote und etwa 600 Mann. Nach Auflösung des MRVC wurde ein kleiner Teil des Personals vom neu entstehenden Seegrenzschutz und der amerikanisch geführten Labor Service Unit (B) übernommen.

Bei verschiedenen Minenexplosionen und Unfällen gingen insgesamt zehn Fahrzeuge verloren und 348 Angehörige ließen ihr Leben.

Öffentliche Wahrnehmung Bearbeiten

In der Öffentlichkeit und Presse wurden die Angehörigen des Minenräumdienstes wegen ihrer militärischen Tätigkeit teilweise als unverbesserliche Militaristen angefeindet oder als Hilfswillige („Hiwis“) der Alliierten verspottet.[3] So wurde die Abkürzung als „General Montgomerys SA“, „Geh mit, such Adolf“ oder „Geheime Marine der SA“ umgedeutet.[11]

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Heinz-Ludger Borgert, Walter Stürm, Norbert Wiggershaus: Dienstgruppen und westdeutscher Verteidigungsbeitrag – Vorüberlegungen zur Bewaffnung der Bundesrepublik Deutschland. Boppard am Rhein 1982, ISBN 3-7646-1807-8.
  • Hartmut Klüver (Hrsg.): Stationen deutscher Marinegeschichte (II): Deutsche Seeverbände 1945–1956. Düsseldorf 2001, ISBN 3-935091-08-7.
  • Reinhart Ostertag: Deutsche Minensucher – 80 Jahre Seeminenabwehr. Koehler, 1986, S. 34 ff.
  • Douglas C. Peifer: Drei Deutsche Marinen – Auflösung, Übergänge und Neuanfänge. Bochum 2007, ISBN 978-3-89911-101-9, S. 109 ff.
  • Michael Salewski: Die deutsche Seekriegsleitung 1935–1945. 3 Bände. Band 2: 1942–1945. München 1975, ISBN 3-7637-5138-6 ISBN 3-7637-5138-6.
  • Axel Schrader: Deutsche Minensucher im alliierten Räumdienst ab 1945. In: Marineforum, 10-2001, S. 27 ff.
  • Der Güter höchstes nicht. In: Der Spiegel. Nr. 2, 1948 (online – Bericht über Tätigkeit und Auflösung des DMRD).

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Michael Salewski: Die deutsche Seekriegsleitung 1935–1945. 3 Bände. Band 2: 1942–1945. München 1975, ISBN 3-7637-5138-6, S. 562 ff.
  2. a b Übersicht über die deutschen Minenräumverbände 1945–47 im Bestand der Württembergischen Landesbibliothek
  3. a b c Douglas C. Peifer. Drei Deutsche Marinen – Auflösung, Übergänge und Neuanfänge, S. 109 ff. Bochum 2007. ISBN 978-3-89911-101-9
  4. a b Günter Fromm. Die German Minesweeping Administration (GM/SA). In: Hartmut Klüver (Hrsg.): Stationen deutscher Marinegeschichte (II): Deutsche Seeverbände 1945–1956. S. 27ff.
  5. Andreas Herzfeld. Funkspruch an alle – Die letzte Flaggenanordnung des Deutschen Reiches. In: Marineforum, 5-2010, S. 51.
  6. a b c d e Reinhart Ostertag: Deutsche Minensucher: 80 Jahre Seeminenabwehr. Koehler, 1986, ISBN 3-7822-0394-1, S. 128 (google.com).
  7. Wolfgang Thamm: 55 Jahre Kampfmittelbeseitigung in der Bundesrepublik Deutschland, 1945–2000: Kampfmittel und -stoffe, Rüstungsaltlasten: eine Dokumentation über die Arbeit der Kampfmittelräum- und -beseitigungsdienste. Biblio, 2002, ISBN 3-7648-2327-5, S. 96 (google.com).
  8. a b c d e Wolfgang Thamm: 55 Jahre Kampfmittelbeseitigung in der Bundesrepublik Deutschland, 1945–2000: Kampfmittel und -stoffe, Rüstungsaltlasten: eine Dokumentation über die Arbeit der Kampfmittelräum- und -beseitigungsdienste. Biblio, 2002, ISBN 3-7648-2327-5, S. 97 (google.de).
  9. a b Aidan Dodson, Serena Cant: Spoils of War: The Fate of Enemy Fleets after the Two World Wars. Seaforth Publishing, 2020, ISBN 978-1-5267-4200-1, S. 174 (google.de).
  10. a b c d e f g Aidan Dodson, Serena Cant: Spoils of War: The Fate of Enemy Fleets after the Two World Wars. Seaforth Publishing, 2020, ISBN 978-1-5267-4200-1, S. 175 (google.de).
  11. Der Güter höchstes nicht. In: Der Spiegel. Nr. 2, 1948 (online). Artikel. In: Die Zeit, Nr. 20/1946.