De-Rham-Kohomologie

Theorie für glatte Mannigfaltigkeiten

Die De-Rham-Kohomologie (nach Georges de Rham) ist eine mathematische Konstruktion aus der Algebraischen Topologie, welche die Kohomologie für glatte Mannigfaltigkeiten entwickelt, also für Kurven, Flächen und andere geometrische Objekte, die aus der Sicht der Analysis lokal aussehen wie ein euklidischer Raum. Diese Kohomologie benutzt den Satz von Stokes in seiner verallgemeinerten Form, der den Fundamentalsatz der Analysis erweitert und eine Verbindungslinie von der Differentialgeometrie zur Algebraischen Topologie eröffnet. Das Analogon der De-Rham-Kohomologie für komplexe Mannigfaltigkeiten ist die Dolbeault-Kohomologie.

De-Rham-Komplex Bearbeiten

Definition Bearbeiten

Sei   eine glatte Mannigfaltigkeit und   die Menge der p-Formen auf  . Der De-Rham-Komplex   ist der Kokettenkomplex

 .

Die Abbildungen   sind durch die Cartan-Ableitung gegeben.

De-Rham-Komplex im dreidimensionalen Raum Bearbeiten

Wählt man den   als zugrundeliegende Mannigfaltigkeit so hat der De-Rham-Komplex eine besondere Form. In diesem Fall entsprechen die Cartan-Ableitungen   den, aus der Vektoranalysis bekannten, Differentialoperatoren Gradient  , Divergenz   und Rotation  . Konkret heißt es, dass das Diagramm

 

kommutiert, man also das gleiche Ergebnis erhält egal welchen Pfeilen man folgt. Die Abbildungen   und   sind Diffeomorphismen. So ist   der Sharp-Isomorphismus und   der Hodge-Stern-Operator.

Definition der De-Rham-Kohomologie Bearbeiten

Sei   eine glatte Mannigfaltigkeit. Die  -te De-Rham-Kohomologie-Gruppe   ist definiert als die  -te Kohomologie-Gruppe des De-Rham-Komplexes. Insbesondere gilt   für  

Geschichte Bearbeiten

In seiner Pariser Dissertation (1931) bewies Georges de Rham mit seinem Satz eine Vermutung von Élie Cartan, die ihrerseits auf Überlegungen von Henri Poincaré zurückging. Da die Kohomologie eines topologischen Raumes erst einige Jahre später thematisiert wurde, arbeitete er tatsächlich mit der Homologie und dem (aufgrund des Satzes von Stokes) dualen Komplex der n-Ketten.

Homotopieinvarianz Bearbeiten

Seien   und   zwei homotopieäquivalente glatte Mannigfaltigkeiten, dann gilt für jedes  

 .

Da also zwei homotope, glatte Mannigfaltigkeiten bis auf Isomorphie die gleiche De-Rham-Kohomologie besitzen, ist diese Kohomologie eine topologische Invariante einer glatten Mannigfaltigkeit. Das ist bemerkenswert, da bei der Definition der De-Rham-Gruppe die differenzierbare Struktur der Mannigfaltigkeit eine wichtige Rolle spielt. Man hat also erstmal keinen Grund anzunehmen, dass eine topologische Mannigfaltigkeit mit unterschiedlichen differenzierbaren Strukturen dieselben De-Rham-Gruppen hat.

Satz von de Rham Bearbeiten

Die zentrale Aussage in der Theorie der De-Rham-Kohomologie wird Satz von de Rham genannt. Er besagt, dass die De-Rham-Kohomologie   glatter Mannigfaltigkeiten natürlich isomorph zur singulären Kohomologie   mit Koeffizienten in den reellen Zahlen ist. Mit   wird die singuläre Homologie bezeichnet. Es gilt also

 

Sei   ein Element der p-ten singulären Homologiegruppe. Dann wird der Isomorphismus durch die Abbildung

 

beschrieben, wobei   ein glatter Zykel aus der Homologieklasse   ist. Dabei wurde   mit   identifiziert (siehe auch Universelles Koeffiziententheorem). Diese Abbildung heißt De-Rham-Homomorphismus oder De-Rham-Isomorphismus.[1]

Beispiele einiger De-Rham-Gruppen Bearbeiten

Das Berechnen der De-Rham-Gruppen ist oftmals schwierig, darum folgen nun wenige Beispiele. Es sei immer vorausgesetzt, dass die betrachteten Mannigfaltigkeiten glatt sind.

  • Sei   eine zusammenhängende Mannigfaltigkeit, dann ist   gleich der Menge der konstanten Funktionen und hat Dimension eins.
  • Sei   eine null-dimensionale Mannigfaltigkeit, dann ist die Dimension von   gleich der Mächtigkeit von   und alle anderen Kohomologiegruppen verschwinden.
  • Sei   ein offenes Sterngebiet, dann gilt   für alle  . Dies ist das Lemma von Poincaré, welches besagt, dass auf einem Sterngebiet jede geschlossene Differentialform, dω=0, sogar exakt ist (das heißt, es gibt eine „Potentialform“ χ, so dass ω=dχ gilt).
  • Insbesondere gilt  , da der euklidische Raum ein Sterngebiet ist.
  • Sei   eine einfach-zusammenhängende Mannigfaltigkeit, dann gilt  .

Literatur Bearbeiten

  • Raoul Bott, Loring W. Tu: Differential forms in algebraic topology. Springer, New York NY u. a. 1982, ISBN 0-387-90613-4 (Graduate Texts in Mathematics 82).
  • Klaus Jänich: Vektoranalysis. 5. Auflage. Springer Verlag, Berlin u. a. 2005, ISBN 3-540-23741-0 (Springer-Lehrbuch).
  • Georges de Rham: Sur l'analysis situs des variétés à n dimensions. In: Journal de Mathématiques pures et appliquées. 10, 1931, ISSN 0021-7824, S. 115–200, online.
  • André Weil: Sur les théorèmes de de Rham. In: Commentarii mathematici Helvetici. 26, 1952, S. 119–145, online, (Wiederabdruck in: André Weil: Œuvres Scientifiques. Band 2: 1951–1964. Reprinted edition. Springer, Berlin u. a. 2009, ISBN 978-3-540-87735-6, S. 17–43).

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. John M. Lee: Introduction to Smooth Manifolds (= Graduate Texts in Mathematics 218). Springer-Verlag, New York NY u. a. 2003, ISBN 0-387-95448-1, S. 298.