Das Geheimnis von Chateau Richmond

Film von Willy Zeyn senior (1913)

Das Geheimnis von Chateau Richmond ist der Titel der zweiten Folge aus der stummen Detektivfilm-Reihe Miss Nobody, die Willy Zeyn sen. 1913 für Karl Werners Filmproduktion in Berlin realisierte. Die Titelrolle des weiblichen Detektivs spielte Senta Eichstaedt.[1] In der Rolle des Vivian Dartin war Fred Selva-Goebel zu sehen. Wer das Drehbuch schrieb, ist nicht überliefert.

Film
Titel Das Geheimnis von Chateau Richmond
Produktionsland Deutschland
Originalsprache Deutsch
Erscheinungsjahr 1913
Länge 920 Meter, bei 18 BpS rd. 45 Minuten
Stab
Regie Willy Zeyn sen.
Produktion Karl Werner Film Berlin/Köln
Kamera Georg Paezel
Besetzung

Handlung Bearbeiten

Miss Nobody klärt einen Fall von Erbschaftsschwindel auf, in dem ein verschwörerischer Männerbund, der seine Mitglieder per Eid dazu verpflichtet, ihr Vermögen an ihn abzutreten, mit dem rechtmäßigen Erben um den Besitz eines geheimnisvollen Schatzes auf dem titelgebenden Schloss wetteifert.

Hintergrund Bearbeiten

Detektivgeschichten standen in den 1910er Jahren bereits hoch im Kurs. Durch die Einführung einer Frau als Detektiv gewann das Genre noch einmal an Spannung und Interesse beim Publikum.

„1903 wurde in Stuttgart zum ersten Mal eine Frau in den Polizeidienst aufgenommen. Sie war zuständig für die Überwachung weiblicher Häftlinge und ihrer Betreuung nach der Entlassung. Nach dem Stuttgarter Vorbild wurden in vielen deutschen Städten so genannte Polizeiassistentinnen eingestellt, die für Sittendelikte, Schulschwänzer sowie auffällige Kinder und Jugendliche zuständig waren. 1913 arbeiteten Polizeiassistentinnen in 19 deutschen Städten. Beim Film waren sie in dieser Zeit indes schon viel weiter und gestanden der ersten weiblichen Ermittlerin ein größeres Handlungsspektrum zu.“

Dagmar Trüpschuch, Lespress – Das andere Frauenmagazin, Dezember 2004[2]

Das Bühnenbild schuf der Filmarchitekt Kurt Dürnhöfer. Die Photographie besorgte Georg Paezel.

Der Film lag im April 1913 der Berliner Polizei in einer Länge von 920 Metern (4 Akten) zur Zensur vor. Er hatte 25 Zwischentitel. Unter der Zensurnummer 1318 erhielt er Jugendverbot. Geschnitten werden musste eine Szene, bei welcher die Bandenmitglieder beim Schwur ihre Hände auf einen Totenkopf legen.[3]

Auch die Polizei in München verbot unter den Nrn. 8281, 8282, 8283, 8284 den Besuch des Films für Jugendliche.

Zeugnisse zur Aufführungsgeschichte Bearbeiten

Lingen, 8. November – Lingener Lichtspielhaus. “Dem verehrten Publikum zur gefälligen Kenntnisnahme, dass ich mit den Kammerlichtspielen Hannover einen Abschluß gemacht habe und von jetzt ab nur die allerneusten Schlager zur Vorführung gelangen. Ich bin daher gezwungen, die Eintrittspreise auf 40, 60 und 80 Pfennig zu erhöhen. Es gelangt zur Vorführung am Sonnabend ab 8 Uhr und Sonntag ab 4 Uhr der große Schlager: “Das Geheimnis von Chateau Richmond” (…). Zu zahlreichem Besuch lade ich ergebenst ein: Hermann H. Heskamp.” (Aus alten Zeitungen...Chronik November 1913 / LV 241 r)[4]

Bei Räumungsarbeiten im Sommer 2009 wurde im Dachstock des Zürcher Kinotheaters »Radium« an der Mühlegasse 5 von der Stadtarchäologie Zürich ein altes Kinoplakat zu “Das Geheimnis von Chateau Richmond” gefunden, das auf den 15. Januar 1914 oder 1915 datiert und 70 × 99 cm groß ist. Es kündigt an: “Der beste Detectiv-Schlager in 4 Acten”.[5]

Rezeption Bearbeiten

Zeitgenössische Besprechung Bearbeiten

Der Film wurde besprochen in:

  • KIOJ1913
  • Lichtbildbühne No. 13, 1913.
  • Lichtbildbühne No. 14, 1913.
  • Kinematograph No. 328, 1913.
  • Kinematograph No. 392, 1914.
  • Der Film No. 17, 1920.

und ist verzeichnet bei

  • Verbotene Kinematographenbilder No. 100, 1913, S. 42.
  • Birett: Verzeichnis in Deutschland gelaufener Filme, (München) No. 322, 1913, und No. 503, 1913.
  • Lamprecht Band 13 No. 31
  • GECD #23252

Zur Figur der Nobody Bearbeiten

„Der Kinofilm von 1913 zeigt die Detektivin „Miss Nobody“, die mit Inbrunst durch menschenleere Stadtansichten wackelt und sich bei flimmernden Verfolgungsjagden auf schlecht zu erkennende Ganoven fast den Hals bricht.“

Jenni Zylka, taz, 27. Oktober 2004

„Bereits 1913 entstand „Nobody – der weibliche Detektiv“. Drei Filme lang jagte die Schauspielerin Senta Eichstaedt mit kühlem Kopf Verbrecher rund um die Welt: mit Augenmaske und weitem Cape […] Nobody verkleidete sich als Mann, sprang über Häuserdächer, flitzte per Seil durch Höhen und Tiefen oder ließ sich von Brücken ins Boot fallen.“

Ula Brunner, fluter.de, 27. Oktober 2004

„Die Detektivin Mrs. Nobody (Senta Eichstaedt) jagte bereits 1913 selbstständig Verbrecher und übergab sie der Polizei. Die Filmfigur Nobody rückte den weiblichen Blick in die Mitte des Geschehens und machte die „Kunst des Beobachtens“ zur Grundlage ihres Berufes. Eindeutig emanzipiert nahm sie Verfolgungen über Hausdächer auf, überwand mit einem Seil Höhen und Tiefen und verkleidete sich auch schon mal als Mann, um in Kleidungs- und Schuhwerkfragen gleichberechtigte Verfolgerin des Verfolgten zu sein.“

Dagmar Trüpschuch, Lespress – Das andere Frauenmagazin, Dezember 2004[2]

Das Geheimnis von Chateau Richmond entfaltet die Rolle der den Blick besitzenden, ausspähenden, aufklärenden Frau in all ihrer liberalen Stärke … Der Film enthält die genreüblichen Verfolgungsjagden, Aufnahmen von städtischem Ambiente und technischen Errungenschaften wie Autos, Motorbooten usw. Mit diesen Reizen verbinden sich die Elemente von Verstecken, Entdecken, Maskerade, wie sie zu der stehenden Figur des Detektivs gehören, und gewinnen durch die weibliche Besetzung eine eigentümliche Bedeutung. Auffällig ist in den Nobody-Filmen die ausgeprägte Inszenierung des Blicks in Alltagssituationen – nicht irgendwelchen abenteuerlichen Umgebungen – und die Akzentuierung von Kleidung, nicht nur von Verkleidung. Es ist, als wäre aufregend genug, dass die Frau in der Öffentlichkeit auftritt und die Herrschaft über den Blick hat, als bedürfte es weiterer Attraktionen zu dem Augenblick nicht“

Heide Schlüpmann)[6]

Zum Film selbst Bearbeiten

Das Geheimnis von Chateau Richmond […] greift das Motiv des reaktionären Geheimbundes auf, der sich bei Kerzenlicht um einen Totenschädel versammelt und seine Mitglieder verpflichtet, ihr Vermögen an den Club abzutreten. Auch hier kommen die genre-üblichen Verfolgungsjagden zum Einsatz […], wobei die Detektivin in ihrer Berufsrolle beobachtend und spionierend gezeigt wird und gleichzeitig in ihren Blicken auf den Mann fixiert.“

Universität Trier, Medienwissenschaft[7]

Literatur Bearbeiten

  • Herbert Birett: Verzeichnis in Deutschland gelaufener Filme. Entscheidungen der Filmzensur 1911–1920. Berlin, Hamburg, München, Stuttgart. Saur, München 1980.
  • Ivo Blom, Ivo Leopold Blom: Jean Desmet and the Early Dutch Film Trade. (= Film Culture in Transition). Verlag Amsterdam University Press, 2000, ISBN 90-5356-463-2, S. 155–156, 292, 330, 394 u. 457. (englisch)
  • Thomas Elsaesser, Michael Wedel: A Second Life: German Cinema's First Decades. Amsterdam University Press, 1996, ISBN 90-5356-172-2, S. 145, 226, 231, 235–236, 305 Anm. 11 (englisch)
  • Thomas Elsaesser, Michael Wedel: Kino der Kaiserzeit: zwischen Tradition und Moderne. Verlag Edition Text + Kritik, 2002, ISBN 3-88377-695-5, S. 327, 329.
  • John Fullerton, Jan Olsson: Allegories of Communication: Intermedial Concerns from Cinema to the Digital (= Aura, Film studies journal. Stockholm studies in cinema. Band 7). Indiana University Press, 2004, ISBN 0-86196-651-1. (englisch)
  • Sebastian Hesse: Kamera-Auge und Spürnase. Der Detektiv im frühen deutschen Kino (= KINtop-Schriften Band 5). Stroemfeld Verlag, Frankfurt/ Basel 2003, ISBN 3-87877-765-5, S. 115, 117–118.
  • Gerhard Lamprecht: Deutsche Stummfilme, Bde. 1-8 und Gesamtregister: Deutsche Stummfilme aus den Jahren 1903 bis 1931. Deutsche Kinemathek, Berlin 1970.
  • Barry Salt: Early German Film. The Stylistics in Comparative Context. In: Thomas Elsaesser, Michael Wedel: A Second Life: German Cinema's First Decades. S. 225–236 (englisch)
  • Heide Schlüpmann: Unheimlichkeit des Blicks. Das Drama des frühen deutschen Kinos. Deutsches Filmmuseum Frankfurt am Main. Verlag Stroemfeld/Roter Stern, Frankfurt/ Basel 1990, ISBN 3-87877-373-0.
  • Verbotene Kinematographenbilder. Alphabet. Verzeichnis verbot. Films zum Gebr. f. d. Polizei-Behörden u. Kinematographen-Inhaber. König, Guben o. J., DNB 587306335.[8]
  • Guntram Vogt, Philipp Sanke: Die Stadt im Kino. Deutsche Spielfilme 1900–2000. 2. Auflage. Schüren Verlag, Marburg 2001, ISBN 3-89472-331-9, S. 66.

Weblinks Bearbeiten

  • Das Geheimnis von Chateau Richmond bei IMDb
  • Das Geheimnis von Chateau Richmond bei filmportal.de
  • Das Geheimnis von Chateau Richmond bei The German Early Cinema Database, DCH Cologne.
  • Kinoplakat der Monopol Film Müller, Hamburg [3] oder [4]
  • Kino “Radium” in Zürich, Mühlgasse 5, das erste ständige Kino Zürichs[5] (Photo Thomas Burla)
  • Herbert Birett: Quellen zur Filmgeschichte[6]
  • Ula Brunner: Power, Pumps, Pistolen – Fernsehkommissarinnen im Einsatz. In: fluter.de, 27. Oktober 2004, PDF (online auf: deutsche-kinemathek.de)
  • Adrian Gerber, Andreas Motschi: Der Plakatfund aus dem Kino Radium in Zürich – Filmplakate der Jahre 1907 bis 1914 und weitere Materialien. Inventar. Online-Publikation Februar 2011, stadt-zuerich.ch[7]
  • N.N.: “Das Geheimnis von Chateau Richmond” bei stummfilm.at[8]
  • Dagmar Trüpschuch: Ohne Schirm, mit Charme und ohne Melone. Kommissarinnen im deutschen Fernsehfilm. In: Lespres – Das andere Frauenmagazin, Dezember 2004. PDF (online auf: deutsche-kinemathek.de)
  • Jenni Zylka: Immer im Dienst. Eine Ausstellung in Berlin widmet sich echten und fiktiven Frauen im Polizeidienst: Stark ist der historische Rückblick, schwach sind die Bilder. In: taz – die tageszeitung, 27. Oktober 2004. PDF (online auf: deutsche-kinemathek.de)

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. bei GECD ist jedoch Käthe Wittenberg als Detektivin Nobody angegeben, Senta Eichstaedt nur als Mitwirkende genannt.
  2. a b Dagmar Trüpschuch: Ohne Schirm, mit Charme und ohne Melone. Kommissarinnen im deutschen Fernsehfilm. In: Lespres – Das andere Frauenmagazin, Dezember 2004. PDF (online auf: deutsche-kinemathek.de)
  3. vgl. GECD #23252
  4. vgl. lingen.de[1]@1@2Vorlage:Toter Link/www.tourismus-lingen.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2023. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  5. vgl. [2011_Gerber_Motschi_PlakatfundKinoRadium-1.PDF], 28 MB, S. 45.
  6. zit. bei stummfilm.at
  7. uni-trier.de
  8. vgl. Birett: Quellen zur Filmgeschichte. [2]