Charakteristisches Polynom

Polynom zu einem Endomorphismus

Das charakteristische Polynom (CP) ist ein Begriff aus dem mathematischen Teilgebiet der linearen Algebra. Dieses Polynom, das für quadratische Matrizen und Endomorphismen endlichdimensionaler Vektorräume definiert ist, gibt Auskunft über einige Eigenschaften der Matrix bzw. der linearen Abbildung.

Die Gleichung, in der das charakteristische Polynom gleich null gesetzt wird, wird manchmal Säkulargleichung genannt. Ihre Lösungen sind die Eigenwerte der Matrix bzw. der linearen Abbildung. Eine Matrix, in ihr charakteristisches Polynom eingesetzt, ergibt die Nullabbildung (Satz von Cayley-Hamilton).

Definition Bearbeiten

Das charakteristische Polynom   einer quadratischen  -Matrix   mit Einträgen aus einem Körper   wird definiert durch:

 

Hierbei bezeichnet   die  -dimensionale Einheitsmatrix und   die Determinante. Die Matrix   wird auch als charakteristische Matrix von   bezeichnet.

Die Definition des charakteristischen Polynoms als   ist ebenfalls gebräuchlich. Für ungerades   unterscheidet sie sich durch den Faktor   von der obigen Definition, das heißt, das Polynom ist dann nicht mehr normiert.

Ist   ein  -dimensionaler  -Vektorraum und   ein Endomorphismus, dann ist das charakteristische Polynom   gegeben durch:

 

wobei   eine Darstellungsmatrix des Endomorphismus   bzgl. einer Basis ist. Das charakteristische Polynom von   hängt nicht von der gewählten Basis ab.

Das charakteristische Polynom ist ein normiertes Polynom  -ten Grades aus dem Polynomring  . Die Notation für das charakteristische Polynom ist sehr uneinheitlich, andere Varianten sind beispielsweise   oder bei Bourbaki  .

Zusammenhang mit Eigenwerten Bearbeiten

Das charakteristische Polynom spielt eine wichtige Rolle bei der Bestimmung der Eigenwerte einer Matrix, denn die Eigenwerte sind genau die Nullstellen des charakteristischen Polynoms. Auch wenn man zum expliziten Berechnen des charakteristischen Polynoms immer eine Basis und damit eine Darstellungsmatrix auswählt, hängen das Polynom wie auch die Determinante nicht von dieser Wahl ab.

Um zu zeigen, dass die Eigenwerte gerade die Nullstellen des charakteristischen Polynoms sind, geht man folgendermaßen vor:

Es sei   und   eine  -Matrix über  . Dann gelten die folgenden Äquivalenzen:

  ist ein Eigenwert von  .
  Es gibt ein   mit  .
  Es gibt ein   mit  .
  Der Kern von   besteht nicht nur aus dem Nullvektor, d. h.  
  Die durch   induzierte lineare Abbildung ist nicht injektiv
  ist nicht invertierbar.
 
    ist Nullstelle des charakteristischen Polynoms von  .

Numerisches Beispiel Bearbeiten

Gesucht ist das charakteristische Polynom der Matrix

 

Gemäß der obigen Definition rechnet man wie folgt:

 

Damit sind 1, −1 und 4 die Nullstellen des charakteristischen Polynoms   und somit auch die Eigenwerte der Matrix  . Da jede Nullstelle die Multiplizität 1 hat, ist in diesem Beispiel das charakteristische Polynom zugleich das Minimalpolynom.

Formeln für die Koeffizienten Bearbeiten

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Koeffizienten   des charakteristischen Polynoms   zu charakterisieren. In den folgenden Darstellungen ist   die sogenannte Spur einer quadratischen Matrix  

Charakterisierung der Koeffizienten als Lösung eines linearen Gleichungssystems Bearbeiten

Die Koeffizienten   des charakteristischen Polynoms kann man durch Lösen des folgenden linearen Gleichungssystem ermitteln.

 

Dies lässt sich damit begründen, dass das System eine kompakte äquivalente Formulierung des Algorithmus von Faddejew-Leverrier ist.

Da die Koeffizienten-Matrix eine linke untere Dreiecksmatrix ist, kann das lineare Gleichungssystem sukzessive durch Vorwärtseinsetzen gelöst werden und es lässt sich folgende allgemeine Formel für die   angeben:

 

Darstellung der Koeffizienten durch Determinanten Bearbeiten

Man kann nun entweder durch Anwenden der Cramerschen Regel auf das obige LGS oder -- völlig unabhängig davon -- mit Hilfe der Plemelj-Smithies-Formeln folgende Darstellung gewinnen:

 

Darstellung der Koeffizienten mit Hilfe von Bell-Polynomen Bearbeiten

Ebenfalls aus den Plemelj-Smithies-Formeln folgt folgende äquivalente Darstellung mit vollständigen Bell-Polynomen:

 

Beispiele Bearbeiten

1. Beispiel:  

Es ist   und  .

Daraus folgt:

 
 
 

2. Beispiel:  

Es ist  ,   und  .

Daraus folgt:

 
 
 
 

3. Beispiel:  

Es ist  ,   ,   und  .

Daraus folgt:

 
 
 
 
 

Spezialfälle Bearbeiten

Es gelten stets folgende Beziehungen:

  •  
  •  
  •  

Algorithmen zur Ermittlung der Koeffizienten Bearbeiten

Mit Hilfe geeigneter Verfahren, wie z. B. dem Algorithmus von Faddejew-Leverrier oder dem Algorithmus von Samuelson-Berkowitz, lassen sich die Koeffizienten von   auch automatisiert (z. B. in einem Computerprogramm) ermitteln.

Eigenschaften Bearbeiten

  • Die charakteristischen Polynome zweier ähnlicher Matrizen sind gleich. Die Umkehrung ist jedoch im Allgemeinen nicht richtig.
  • Die Matrix   und ihre Transponierte besitzen dasselbe charakteristische Polynom.
  • Nach dem Satz von Cayley-Hamilton ist eine Matrix Nullstelle ihres charakteristischen Polynoms:
     .
  • Das Minimalpolynom einer linearen Abbildung teilt deren charakteristisches Polynom.
  • Ist   eine  -Matrix und   eine  -Matrix so gilt  .
Beweis  

Aus den Matrixgleichungen

 
 

sowie der Regel

 

folgt

 . ∎

Literatur Bearbeiten

  • Oliver Deiser, Caroline Lasser: Erste Hilfe in Linearer Algebra: Überblick und Grundwissen mit vielen Abbildungen und Beispielen. Springer, 2015, ISBN 978-3-642-41627-9, S. 204 ff

Weblinks Bearbeiten