Camerino ist eine Kleinstadt mit 6268 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2022) in der Provinz Macerata, Region Marken in Italien.

Camerino
Camerino (Italien)
Camerino (Italien)
Staat Italien
Region Marken
Provinz Macerata (MC)
Koordinaten 43° 8′ N, 13° 4′ OKoordinaten: 43° 8′ 4″ N, 13° 4′ 0″ O
Höhe 670 m s.l.m.
Fläche 129 km²
Einwohner 6.268 (31. Dez. 2022)[1]
Postleitzahl 62032
Vorwahl 0737
ISTAT-Nummer 043007
Bezeichnung der Bewohner Camerinesi, Camerti
Schutzpatron San Venanzio
Website Camerino

Camerino von Süden gesehen

Die Stadt liegt im Apennin, unweit der Grenze zwischen den Regionen Marken und Umbrien, zwischen den Tälern der Flüsse Potenza und Chienti. Das Gebiet der Gemeinde umfasst 129 km².

Auf dem Gemeindegebiet liegen zugelassene Rebflächen zur Erzeugung des bekannten Weißweins Verdicchio di Matelica.

Camerino ist Sitz des römisch-katholischen Erzbistums Camerino-San Severino Marche und der Universität Camerino, die auf das 14. Jahrhundert zurückgeht und damit zu den ältesten Universitäten weltweit zählt.

Geschichte Bearbeiten

 
Piazza Cavour in Camerino

Im Jahr 309 v. Chr. wurde die Stadt erstmals, im Rahmen eines Abkommens mit Rom, urkundlich erwähnt. In der Nähe der Stadt fand im Dritten Samnitenkrieg um das Jahr 295 v. Chr. die Schlacht von Camerinum statt, in der die Römer von der gegnerischen samnitisch-etruskisch-gallischen Koalition besiegt wurden.

1377 wurde die Stadt von Papst Gregor XI. zur Universitätsstadt erklärt[2], nachdem sich bereits seit Anfang des 13. Jahrhunderts Schulen für Recht, Medizin und Literatur etabliert hatten. 1444 wurde der 16-jährige Giulio Cesare da Varano Herrscher über Camerino, er entwickelte die bis heute unveränderte Struktur der Stadt. 1502 wurde er von Cesare Borgia ermordet, der nun die Macht übernahm und dort die „Rocca dei Borgia“ (Burg der Borgia) erbauen ließ. Bereits 1503 konnte jedoch Giovanni da Varano die Stadt wieder in Besitz nehmen und das Herzogtum bis 1527 regieren.

Nach dessen Ableben fiel das Herzogtum Camerino an seine Erbtochter Giulia da Varano (1523–1547) die seit 1534 mit Guidobaldo II. della Rovere, Herzog von Urbino verheiratet war. 1539 fiel das Herzogtum Camerino an den Kirchenstaat.

Im Jahre 1540 wurde der sechzehnjährige Ottavio Farnese von seinem Großvater Papst Paul III. in einem geheimen Konsistorium zum erblichen Herzog von Camerino und zum Herren von Nepi erhoben. Er musste jedoch schon 1545 – anlässlich der Erhebung seines Vaters Pier Luigi II. Farnese zum Herzog von Parma und Piacenza – auf dieses Herzogtum verzichten und wurde von diesem durch die Abtretung des Herzogtums Castro entschädigt.[3]

Nach 1545 stand Camerino unter der direkten Kontrolle des Heiligen Stuhles und wurde Residenz einer Apostolischen Delegation, was zu einer langen Phase der Stabilität, aber auch zu einem langsamen Niedergang der Bedeutung der Stadt führte.[4]

Die Erdbeben der zurückliegenden Jahrhunderte richteten wie zuletzt beim Erdbeben in Mittelitalien 2016 wiederholt große Schäden an; dennoch ist bis heute die einstige Blüte des Herzogtums erkennbar.

Zweiter Weltkrieg Bearbeiten

Nachdem die alliierten Truppen die Gustav-Linie nach Ende der Schlacht um Monte Cassino am 18. Mai 1944 durchbrochen hatten, begingen Wehrmachtsverbände beim Rückzug nach Norden mehrere Kriegsverbrechen. Angehörige der Gebirgsjäger ermordeten bei den Massakern im Raum Camerino zwischen dem 20. und dem 24. Juni 1944 über 80 Männer, darunter auch viele Zivilisten. Am 1. Juli 1944 wurde das Gebiet von Alliierten Truppen befreit.[5] Zum zehnjährigen Gedenken wurde 1954 an der Viale Giacomo Leopardi eine Gedenktafel mit Namen der 84 Opfer errichtet. 1974 wurde das Mahnmal durch das 20 Meter lange Monumento ai martiri della resistenza erweitert.

Sehenswürdigkeiten Bearbeiten

 
Innenhof im Palazzo Ducale
 
Dom von Camerino

Das Zentrum von Camerino wird von dem Herzogspalast (Palazzo Ducale) geprägt. Er besteht aus drei einstmals eigenständigen Gebäudeteilen, die von Giulio Cesare zusammengeführt wurden: dem Palazzo Gentile aus dem 13. Jahrhundert, dem Palazzo Venanzio aus dem 14. Jahrhundert sowie dem Palazzo Nuovo aus dem 15. Jahrhundert. Von 1489 bis 1492 ließ Cesare die Gärten unterhalb des Palasts anlegen. Mit dem Ende der Herrschaft der Familie da Varano gingen die Gebäude an die Universität der Stadt über, heute befindet sich die juristische Fakultät in dem Palast. Der Innenhof („Quadriportico“) mit dem monumentalen Zugang zum Domplatz sowie einige Säle in Erdgeschoss und Keller sind für die Öffentlichkeit zugänglich.

Gegenüber dem Palast befindet sich die Kathedrale Santa Maria Annunziata. Sie wurde im 19. Jahrhundert in neoklassischen Stil errichtet, nachdem der romanisch-gotische Vorgängerbau durch ein Erdbeben zerstört worden war. 1997 wurde sie bei einem Erdbeben erneut schwer beschädigt, ist heute aber wieder zugänglich. Die Pinakothek in der Klosteranlage San Domenico beherbergt Werke aus Mittelalter und Renaissance.

Umgeben wird Camerino von einem Ring auffälliger Burgen, herausragend die nördlich gelegene Rocca d’Ajella mit ihren zwei charakteristischen Türmen mit Zinnenkränzen. Unter der Herrschaft der da Varano waren die Burgen Teil eines militärischen Verteidigungs-Systems, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1382 zurückreichen.

Persönlichkeiten Bearbeiten

Söhne und Töchter der Stadt Bearbeiten

Mit der Stadt verbundene Persönlichkeiten Bearbeiten

  • Guido von Spoleto (855–894), Markgraf von Camerino
  • Johannes von Parma (um 1208–1289), Generalminister des Franziskanerordens, Seliger der katholischen Kirche, starb am 19. März 1289 in Camerino

Weblinks Bearbeiten

Commons: Camerino – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikivoyage: Camerino – Reiseführer

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Bilancio demografico e popolazione residente per sesso al 31 dicembre 2022. ISTAT. (Bevölkerungsstatistiken des Istituto Nazionale di Statistica, Stand 31. Dezember 2022).
  2. Bernd Marquardt: Universalgeschichte des Staates. Von der vorstaatlichen Gesellschaft zum Staat der Industriegesellschaft. In: Der europäische Sonderweg. Band 3. LIT Verlag, 2009, ISBN 978-3-643-90004-3, S. 270 f.
  3. Emilio Nadalli Rocca:"IFarnese"; dall´ Oglio, editore1969, S. 79 f.
  4. Siehe Artikel „Camerino“ der Wikipedia in Italienisch.
  5. Carlo Gentile: Wehrmacht und Waffen-SS im Partisanenkrieg. Italien 1943 - 1945. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2012, ISBN 978-3-506-76520-8.