Das sogenannte Gigantenbuch ist eine altjüdische apokalyptische Schrift. Ihr Inhalt berichtet über die Verbindung der Gottessöhne − die „Wächter“ genannt werden − mit den Menschfrauen, die von den Wächtern gezeugten Riesen, die Nephilim, und die Vernichtung der Riesen in der Sintflut. Das Gigantenbuch hat Parallelen zu dem biblischen Bericht in 1 Mos 6,1-12 EU, dem 1. Henochbuch und dem Jubiläenbuch, zwei anderen alttestamentarischen Apokryphen.

Entstehung und Überlieferung Bearbeiten

Ursprünglich waren nur verstreute Hinweise aus der griechischen, lateinischen und arabischen Literatur auf ein Buch der Giganten oder Liber de Ogia („Buch von Ogias“, einem der Riesen) bekannt. Aber bereits im 18. Jahrhundert vermutete der französischen Gelehrten Isaac de Beausobre[1] eine enge Beziehung zwischen Gigantenbuch und dem als Buch der Wächter bekannten Teil des 1. Henochbuches, einem anderen altjüdischen apokalyptischen Text. Diese These konnte von Henning[2] bestätigt werden, als unter den Funden der deutschen Turfanexpeditionen zu Beginn des 20. Jahrhunderts sich zahlreiche Fragmente des Gigantenbuchs in den unterschiedlichsten zentralasiatischen Sprachen fanden, unter anderem Uigurisch, Sogdisch, Parthisch und Mittelpersisch.

Bis zu den Qumran-Funden 1947 kannte man das Gigantenbuch dann im wesentlichen aus der Überlieferung des Manichäismus, und schrieb den Text sogar dessen Stifter Mani als alleinigem Autor zu, wodurch es in das 3. Jh. zu datieren gewesen wäre. Da jedoch unter den bei Qumran gefundenen Schriftrollen vom Toten Meer zahlreiche Fragmente einer aramäischen Version des Gigantenbuchs gefunden wurden, ist eine Datierung spätestens im 1. Jh. v. Chr. anzusetzen.

Inhalt Bearbeiten

  • Die Göttersöhne/Wächter steigen hinab in die Welt der Menschen.
  • Es sind 200 Wächter, ihre Anführer sind 20.
  • Samyaza ist der Oberste.
  • Andere Anführer sind Baraq'el und Asasel.
  • Angetan von der Schönheit der Menschenfrauen haben sie Gemeinschaft mit ihnen.
  • Sie lehren die Menschenkinder verbotene Dinge und Himmelgeheimnisse.
  • Die aus der Gemeinschaft mit Menschenfrauen gezeugten Kinder sind die Riesen, die Nephelim.
  • Die Nephelim sind riesig, fressen alles, Vieh und Mensch, und sind eine Bedrückung der Erde.
  • Samyaza hat zwei Söhne, Ohajah und Hawajah.
  • Ohajah und Hawajah träumen Träume.
  • Ein Traum: Eine riesige Steintafel. Alles wird ausgelöscht, bis auf 4 Zeilen. Die eine Version: Die Tafel versinkt im Wasser. Die andere Version: Ein Engel kommt und löscht die Zeilen der Tafel, bis auf 4 Zeilen, Worte oder auch Namen.
  • Der andere Traum: Ein paradiesischer Garten mit zahlreichen Bäumen. Ein Engel kommt und haut alle Bäume um, bis auf einen mit 3 Zweigen.
  • Die Träumer können die Träume nicht deuten. Ein Bote wird ausgesandt zu Henoch, dem Schreiber. Der Bote ist Mahawaj, Sohn des Wächters Baraq'el. Der macht eine weite Reise, denn Henoch ist nicht mehr in der Welt.
  • Henoch deutet die Träume: alle von den Nephelim werden vernichtet werden, die Wächter werden den Untergang ihrer Kinder sehen. Die 4 übrig gebliebenen Worte bzw. der Baum mit den 3 Zweigen steht für Noah und seine drei Söhne.
  • Letzten Endes werden die Wächter gebunden bis zum Ende der Welt und ihre Nachkommen werden in der Sintflut vernichtet.


Manichäische Version Bearbeiten

Aramäische (Qumran) Version Bearbeiten

In Qumran wurden zwar zahlreiche Fragmente einer aramäischen Version des Gigantenbuchs gefunden, dennoch ist ein Rekonstruktion des Zusammenhanges schwierig und subjektiv. Eine Versuch der Rekonstruktion wurde 1976 von Milik vorgelegt. Die gefundenen Qumran-Texte sind im wesentlichen 1Q23, 2Q26, 4Q203, 4Q530 bis 4Q533 und 6Q08, auch zusammengefasst als 0QGiants zitiert.

Auffällig ist in der aramäischen Version das Auftauchen von Namen aus dem Gilgamesch-Epos, so der Name des Protagonisten Galgamis (=Gilgamesch)[3] und des Obabes (=Chumbaba). Die Identifizierungen mögen Raum für Kontroverse lassen, immerhin findet sich auch in der manichäischen Version eine ähnliche Zuordnung, nämlich Atambisch (=Utnapischtim).[4] Die Parallelen zwischen der Sintflutberichten in Bibel und Gilgamesch-Epos sind längst akzeptiert, allerdings gibt es dort erstens keine Entsprechungen bei den Namen der Handlungsträger und zweitens blieb die Entsprechung auf den Sintflutbericht beschränkt.[5]

Literatur Bearbeiten

  • Józef Tadeusz Milik: The Books of Enoch : Aramaic fragments of Qumrân cave 4. Clarendon Press, Oxford 1976, ISBN 0-19-826161-6
  • John C. Reeves: Jewish Lore in Manichaean Cosmogony. Studies in the Book of Giants Traditions. Monographs of the Hebrew Union College Bd. 14. Hebrew Union College Press, Cincinnati 1993
  • W. B. Henning: The Book of the Giants. In: Bulletin of the School of Oriental and African Studies, Vol. 11, Nr. 1 (1943), S. 52-74. [2][3]

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Isaac de Beausobre: Histoire critique de Manichee et du Manicheisme. Amsterdam 1734, 1739
  2. Henning The Book of the Giants 1943
  3. Die Transkription der Namen folgt der deutschen Übersetzung von Johann Maier: Die Qumran-Essener: Die Texte vom Toten Meer. 3 Bde. Reinhardt, München 1995
  4. Siehe John C. Reeves: Utnapishtim in the Book of Giants? In: Journal of Biblical Literature, Vol. 112, Nr. 1 (Frühjahr 1993), S. 110-115. [1]
  5. Das Ungeheuer Chumbaba erscheint im Gilgmesch-Epos außerhalb des Sintflutberichts.
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