Benutzer:Victor Eremita/Theaitetos und die Lemmafrage

Theaitetos. oder: über Lemmata, prüfend

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Hauptrollen: Sokrates; Theaitetos. Nebenrollen: Theodoros; Eukleides; Terpsion

Vorgeschichte

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Athen, nahe den Langen Mauern 369 v. Chr.

Kommst du soeben gerade erst von der Löschdiskussion, Terpsion, oder bist du schon lange inaktiv?
Ziemlich lange schon. Auch habe ich Dir schon lange eine Email geschrieben.
Oh, sorry, ich war im Urlaub.
Wo denn?
Am Hafen. Da sah ich Theaitetos, wie er aus der Löschdiskussion zum Stammtisch gebracht wurde.
Noch aktiv oder inaktiv?
Aktiv schon, aber kaum noch. Denn schon an einigen Wunden befindet er sich übel, noch mehr aber setzt ihm die schlechte Einstellung vieler anderer zu.
Doch nicht ...
Doch eben ....
Welch ein edler Wikipedianer ist da in Gefahr.
Wie ich ihn nun begleitete, habe ich im Zurückgehen wieder des Sokrates gedacht. Er hatte sich damals mit Theaitetos mehrmals unterhalten – kurz vor seinem Tod.
Kannst Du davon erzählen?
Ne, aber ich habe das Chatlog aufgezeichnet. Hier:

Theodoros macht Sokrates mit Theaitetos bekannt

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Theodoros: Hier ist Theaitetos, ein ganz besonders aktiver und eifriger Wikipedianer.
Sokrates: Hallo Theaitetos, Theodoros, ein besonders erfahrener Admin lobt dich als einen besonders eifrigen Wikipedianer.
Theaitetos: Eifrig ist gut, oder?
S: Ja, Eifrig ist gut, - d. h. Das hängt davon ab, ... aber das ist ein anderer Punkt. Theodoros lobt jedenfalls deine Beiträge.

Theaitetos und die Lemmafrage

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Th.: Das ist schön. Ich bemühe mich auch sehr. Es gibt auch viel zu tun. Manches in der WP ist wirklich verbesserungsfähig. Zum Beispiel sollte einige Artikel radikal gekürzt werden, oder manche Lemmata gar nicht zugelassen werden.
Sokrates: Das hört sich sehr engagiert an. Wie bestimmt man denn, welche Lemmata zugelassen sind und welche nicht?
Th.: Ganz einfach. Lemmata in der WP müssen enzyklopädisch sein. Z.B. ist Weshalb Lady Di damals sterben musste nicht enzyklopädisch. Deshalb gehört es nicht in die WP.
S: Sehr wohl. Dann wirst du mir wohl sagen können, was das ist, das Enzyklopädische selbst.
Th.: Nun, Homer ist enzyklopädisch. Athen wahrscheinlich auch. Irrationale Zahlen ganz sicher, habe ich ja selbst geschrieben. Bei Barbaren bin ich mir nicht sicher.
S: Sehr wohl. Aber danach fragte ich nicht. Vielmehr nach dem, was wir kennen müssen, wenn wir bestimmen wollen, ob Athen und Barbaren enzyklopädisch ist oder nicht.
Th.: Oh, ich verstehe was du meinst, Sokrates. Aber das scheint mir eine schwierige Frage zu sein. Wenn ich mich z.B. in Löschdiskussionen beteilige oder auch in einer Kandidatur ausgezeichneter Artikel – du glaubst gar nicht, auf wieviel Unenzyklopädisches man dort treffen kann –, dann schaue ich mir die Artikel an, und wenn sie nicht in die WP gehören, dann sind sie unenzyklopädisch.
S: Mir scheint, wir drehen uns im Kreise. Weshalb meintest, dass Barbaren unenzklopädisch sei?
Th.: Nun, anders als bei Athen ist der Gegenstand von Barbaren merkwürdig unklar. Wir nennen die Perser sehr häufig Barbaren. Aber mit „Barbaren“ bezeichnen wir auch ganz andere Völker, die mit den Persern gar nichts zu tun haben.
S: In der Tat. Das hätte man mal Herodot fragen sollen, als das noch möglich war. Nun gut. Aber weiter, wenn du einen Artikel, wie z.B. Musik und Architektur hast, ist das ein enzyklopädischer Artikel oder nicht?
Th.: Beim Zeus, kein enzyklopädischer natürlich.
S: Warum nicht?
Th.: Musik und Architektur ist ein Essay, ganz klar.
S: Diese Textsorte ist noch gar nicht erfunden, aber lassen wir das mal beseite.[1] Ein Essay, sagst du, machst du das nun am Inhalt fest oder am Lemma?
Th.: Nun, ich brauche den Inhalt gar zu lesen. „Musik und Architektur“ kann nur ein Essay sein. Denn Musik ist das eine, Architektur aber das andere. Hier besteht kein innerer Zusammenhang. Daher muss es ein Essay sein, der in dem allzu verdächtigen und diese beiden unzusammenhängenden Dinge verbindet. Essays aber sind unenzyklopädisch. Und Unenzyklopädisches gehört nicht in die WP.
S: In der Tat. Gibt es noch anderes Unenzyklopädisches außer diesen Essays?
Th: Das weiß ich nicht, vielleicht. Essays sind es aber sehr gewiss.
S: Was ist also das nun, der Essay?
Th: Das weiß ich wohl zu sagen. Essays sind z.B. weitschweifig und unverständlich. Und Weitschweifiges und Unverständliches gehört nicht in die WP, weil es unenzyklopädisch ist.
S: Beim Zeus, letzteres wissen wir wohl nun wirklich alle. Jedoch, hast du nicht schon selbst einen Essay geschrieben?
Th.: Allerdings. Erst kürzlich, als wir bei Gorgias saßen mussten wir, nachdem er uns seine Apologie der Helena vorgetragen hatte, einen Essay schreiben.
S.: Was hast du geschrieben?
Th: Wir durften das Thema selbst wählen und ich schrieb über Quadratwurzeln.
S.: Und war es weitschweifig und unverständlich?
Th: Beim Zeus, nein. Gorgias meinte nachher sogar, er interessiere sich zwar nicht viel für Mathematik, da sie sehr wenig mit dem Menschen zu tun habe und daher verstehe er auch wenig von den Neuerungen in dieser, aber er fand es sehr verständlich.
S.: Aber sagten wir nicht, dass ein Essay weitschweifig sei?
Th.: In der Tat, müssen sie dann wohl nicht. Aber die schlechten sind es ganz sicher. Und schlechte Essays sind erst recht unenzyklopädisch.
S.: Ganz notwendig. Aber sage, mir, wenn du glaubst zu wissen, dass einige Lemmata nicht in die WP gehören andere aber sehr wohl, jene aber unenzyklopädisch sind, einige davon Essays, nicht aber weißt, Rechenschaft abzulegen darüber, was nun eigentlich "unenzyklopädisch" heißt noch was Essays sind, wie kannst du dann behaupten, zu wissen, welche Lemmata in die WP gehören und welche nicht?
Th.: In der Tat.
S.: Das ist doch aber auf alle Weise einfältig, denen, welche wissen wollen, welche Lemmata es in der WP geben kann und welche nicht, zu sagen: enzyklopädische ja, unenzyklopädische nicht. Denn das war doch eben dieses, was wir suchten, was es heißt, „enzyklopädisch“. Oder nicht?
Th: Ja.
S: Sind wir nun noch mit etwas schwanger, Freund, und haben Geburtsschmerzen in dieser Sache, oder haben wir alles ausgeboren?
Th.: Ich, beim Zeus, habe sogar mehr herausgesagt, als ich in mir hatte.
S: Und die Geburtshelferkunst hat von diesem allen gesagt, dass es nichts zum Aufziehen sei, oder?
Th: Sehr richtig.
S: Gedenkst du nun, Theaitetos, nach diesem wiederum mit anderem schwanger zu werden, so wirst du ggf. dann Besseres bei dir tragen aufgrund unserer Unterredung, wenn du aber leer bleibst, denen, welche dich umgeben, weniger beschwerlich sein und sanftmütiger und besonnenweiser nicht glauben zu wissen, was du nicht weißt.

Fortsetzung folgt

In der Fortsetzung lernen wir einen geheimnisvollen Fremden aus Elea kennen, der allerlei ...

siehe auch

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Anmerkungen des Herausgebers Victor Eremita

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  1. Ironischerweise scheint Montaigne nahezulegen, dass er Platons (und Xenophons) Art zu schreiben nachahmen möchte. Vgl. Essais II 17 und L. Cerny: Essay, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 2, S. 746.