Benutzer:Uechtel/Geschichte der Großen Preise vor 1950 - Anfänge des Automobilrennsports

Die Anfänge des Motorsports reichen zurück bis in die Zeit der Dampfmaschinen. Die ersten dokumentierten Wettfahrten besaßen jedoch eher den Charakter von Dauer- und Geschwindigkeitsprüfungen im Rahmen von Leistungsvergleichen selbstfahrender Dampftraktoren, die mit der Vorstellung von Rennen noch wenig gemeinsam hatten. Die eigentlichen Ursprünge des Motorsports liegen dagegen in der Kontinuität aus dem Radsport begründet, wo Rennen schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts populär geworden waren und Automobile zunächst eine weitere Variante pferdeloser Fahrzeuge darstellten.

Manchester (1867) Bearbeiten

Der bislang früheste bekannte Bericht über einen Geschwindigkeitswettbewerb ist eine Meldung des britischen Magazins The Engineer [1] über eine Wettfahrt zweier Dampfwagen quer durch die englische Stadt Manchester am 26. August 1867. Die von Isaac Watt Boulton konstruierte einzylindrige legte die 8 Meilen (ca. 13 km) lange Strecke zwischen dem Ausgangspunkt in Ashton-under-Lyne und der Landmaschinenausstellung in Old Trafford in weniger als einer Stunde zurück und war damit schneller als die wesentlich größere zweizylindrige Ausführung von Daniel Adamson[2]. Ob es sich dabei um mehr als eine rein privat organisierte Angelegenheit gehandelt hat[3] ist allerdings ebenso fraglich wie die genauen Regularien dieses Wettkampfs, der auch in Fachkreisen bislang kaum wahrgenommen worden ist.

Wisconsin Reliability Trial (1878) Bearbeiten

 
Der Oskosh Steam Wagon, Sieger über den Green Bay Steamer, mit Wassertankwagen und Mannschaft

Als erster Wettkampf zweier selbstfahrender Fahrzeuge gilt allgemein dagegen der 1878 durchgeführte Wisconsin Reliability Trial, bei dem von insgesamt sechs gemeldeten Teilnehmern schließlich noch zwei dampfgetriebene Schlepper um einen vom US-Bundesstaat Wisconsin ausgeschriebenen Preis gegeneinander antraten[4]. Neben einer über eine Distanz von 200 Meilen von Green Bay nach Madison führenden Zuverlässigkeitsprüfung, für die neben einer Mindestgeschwindigkeit auch Kriterien wie Praktikabilität und Kostengünstigkeit gefordert wurden, mussten die Teilnehmer auch in weiteren Disziplinen wie Schleppen und Pflügen gegeneinander antreten. Ebenfalls Bestandteil des Wettbewerbs war eine Wettfahrt der beiden Fahrzeuge über die Distanz von einer Meile, eine Runde auf der Pferderennbahn auf dem Gelände der Oshkosh Fair Grounds, die somit als erstes Automobilrennen der Geschichte bezeichnet werden kann. Sieger des Wettbewerbs, sowohl über die 200-Meilen-Gesamtdistanz als auch auf der Runde um die Pferderennbahn wurde der 4,5 t schwere Oshkosh Steam Wagon, während sein Konkurrent, der noch etwas schwerere Green Bay Steamer immer wieder von Defekten aufgehalten wurde. [5] [6]

Erste Wettfahrten mit Dampfautomobilen (1887/88) Bearbeiten

 
Dampfbetriebenes "Quadricycle" von De Dion-Bouton von 1885

Im Jahr 1887 organisierte der französische Journalist und Radrennfahrer Paul Faussier eine Wettfahrt für Automobile vor den Toren von Paris im Bois de Boulogne aus, bei der mit Graf Albert de Dion mit seinem dempfgetriebenen Wagen jedoch nur ein Teilnehmer zum Start erschien. Im Jahr darauf kam dann auf der Strecke Paris-Versailles und zurück ein erstes "echtes" Rennen zustande, das de Dion vor dem Konstrukteur seiner Automobile, Georges Bouton auf einem ebenfalls dampfbetriebenen Dreiradwagen, für sich entscheiden konnte. Beide Veranstaltungen blieben jedoch der öffentlichen Wahrnehmung weitgehend verborgen.[7] [8] [9] [10]

Paris-Rouen (1894) Bearbeiten

 
Teilnehmer an der Wettfahrt Paris–Rouen 1894: Graf Albert de Dion und Begleitung mit Dampfgespann „Vicoria“. Die Gelassenheit ist nicht gespielt: De Dion war trotz der längsten Mittagspausen und einem „Abstecher“ in einen Acker fünf Minuten vor dem Zweitplatzierten auf Peugeot im Ziel. Der Sieg wurde nicht anerkannt.

Erst mit der von der Zeitschrift Le Petit Journal auf Betreiben ihres Chefredakteurs Pierre Giffard für 1894 ausgeschriebenen Fahrt für "pferdelose Fahrzeuge" von Paris nach Rouen konnte zum ersten Mal ein allgemeines öffentliches Interesse erzielt werden. Die Veranstaltung, die den Charakter einer Zuverlässigkeitsfahrt besaß, bei der vor allem auch die Qualität der Konstruktion, Sparsamkeit, Bedienungsfreundlichkeit und die Betriebssicherheit bewertet wurden, ist daher allgemein als erster wirklich bedeutsamer automobilsportlicher Wettbewerb der Geschichte bekannt. Als Teilnehmer hatten sich erstmals eine ganze Reihe von Fahrzeugarten (neben Automobilen auch Zwei- und Dreiräder sowie sogennannte Quadricycles - ähnlich der heutigen Quads) mit unterschiedlichen Antriebskonzepten (Benzin-, Dampf-, Elektro- und sogar Muskel- oder Federkraft-betrieben) beworben, von denen aber nur Wagen mit Dampfantrieb oder Verbrennungsmotoren die diversen Vorprüfungen überstanden und auf die 126 km langen Strecke geschickt wurden. Schnellster der insgesamt 21 Konkurrenten war mit einem Stundenmittel von etwa 19 km/h und einem Verbrauch von 800 Litern Wasser wiederum Graf Albert de Dion mit seinem Dampfwagen, im Prinzip eine Zugamschine mit angehängter Kutsche, die zur Bedienung neben dem Fahrer auch noch einen weiteren Heizer an Bord benötigte. Der Siegerpreis in Höhe von 5000 Goldfrancs wurde jedoch zu gleichen Teilen benzingetriebenen Wagen von Panhard & Levassor und Peugeot zugesprochen, beide mit von Panhard in Lizenz gebauten Daimler-Motoren bestückt.

Saisonbericht: 1894

  1. vom 30. August 1867
  2. [1]
  3. eigentlich wären derartige Wettbewerbe unter den Bestimmungen des Red Flag Act gar nicht zulässig gewesen, wonach für pferdelose Fahrzeuge Schrittgeschwindigkeit und stets die Begleitung durch einen Fußgänger mit roter Flagge vorgeschrieben waren
  4. ein drittes Fahrzeug war nicht rechtzeitig zum Start in Green Bay erschienen, durfte allerdings später noch nachträglich in der Stadt Jefferson mit einsteigen; dies war jedoch schon nach der Geschwindigkeitsprüfung in Oshkosh
  5. [2]
  6. Allan E. Brown: The History of America's Speedways Past & Present (Second Edition), Comstock Park, Michigan: Allan E. Brown, 1994
  7. [3]
  8. [4]
  9. [5]
  10. Darstellung bei Pfundner: Radrennen am 28.4.1887 Neuilly-Versailles-Neuilly, bei dem die beiden Dampfwagen von de Dion und Bouton teilnahmen. Alle übrigen Teilnehmer haben Fahrzeuge mit Muskelkraft. De Dion gewinnt mit 25,8 km/h, Bouton verirrt sich in Versailles