Brugnasco (früher auch Brugniasco oder Bruniasco und noch früher Bruniacum bzw. Brugnascum, in alpinlombardischer Mundart Brügnèsc'[1]) ist ein Weiler im Kanton Tessin (Schweiz), der politisch zur Gemeinde Airolo gehört.

Brugnasco
Brugnasco

Geographie Bearbeiten

Brugnasco befindet sich auf 1384 m.ü.M auf einer Südterrasse in der Oberen Leventina und ist 5 km von Airolo entfernt[1]. Erst seit 1955 ist der Ort mit Airolo durch eine Fahrstrasse verbunden; vorher existierte lediglich ein Saumpfad. Brugnasco liegt an der Strada Alta, einer beliebten Panorama-Wanderroute, die von Airolo bis nach Biasca führt.

Geschichte / Bevölkerung Bearbeiten

Wann sich in Brugnasco die ersten Menschen angesiedelt haben, ist nicht bekannt. Der Name Brugnasco bezeichnete ursprünglich den „Besitz der Nachkommen des Ansiedlers Bruno (d.h. des Gepanzerten, zum Kampfe Gerüsteten, v. Ahd. brunja, der Panzer; das acum ist kelt. Ursprungs)".[2]

Urkundlich wird erstmals 1482 ein Einwohner von Brugnasco erwähnt, und zwar ein "Zanes filius quondam Anthoni Beffe de Brugniasscho".[3]

1567 umfasste Brugnasco acht Haushaltungen.[4] Bei der kirchlichen Volkszählung von Airolo im Jahre 1574 (Stato d'anime airolese) waren es noch sieben Haushalte mit insgesamt 28 Personen[5]; da in drei Haushalten die Eltern bei Geburt ihres ersten Kindes erst 14- oder 15-jährig waren, wurde festgehalten, dass die Menschen in Brugnasco in ihren sexuellen Beziehungen besonders frühreif seien. Brugnasco stand deswegen im Ruf einer schlechten Moral. Historiker gehen jedoch davon aus, dass die Bevölkerung wegen der Pestepidemie, die Airolo 1566 heimgesucht hatte, dezimiert war und dass man versucht hat, wieder „aufzuholen“.[1]

Im Jahre 1900 wohnten 108 Personen in Brugnasco.[4] Die meisten waren Mitglieder der Familien Beffa, Jelmini und Filippi. Die Jelminis waren vor allem im oberen Teil des Dorfes, d.h. Richtung Altanca, ansässig, während sich die Häuser der Beffas und Filippis im unteren Teil des Dorfes, also Richtung Madrano/Airolo, befanden. Im Laufe des 20. Jahrhunderts liessen sich auch Leute aus der Deutschschweiz im Dorf nieder.

Die Bevölkerungszahl von rund 100 Personen blieb bis in die 1950er/1960er-Jahre ungefähr konstant. Bis dahin lebten viele Kinder in Brugnasco, die dort, in Madrano oder in Airolo zur Schule gingen. Nach 1950, mit dem Beginn des Wirtschaftsaufschwungs, verliessen immer mehr Leute, vor allem die Jungen, Brugnasco und zogen ins Tal oder noch weiter weg. In Brugnasco brauchte es wegen der zunehmenden Mechanisierung der Landwirtschaft auch zunehmend weniger Arbeitskräfte als früher.

Heute leben noch rund 30 Leute in Brugnasco, darunter zwei Familien mit Kindern.

Wirtschaft Bearbeiten

Brugnasco war während Jahrhunderten ein Bergbauerndorf. Die Leute betrieben Viehwirtschaft und bauten Getreide und Kartoffeln an. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts gab es beim Bächlein sogar eine eigene Mühle. Als Vieh gehalten wurden bis zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vor allem Ziegen, daneben auch Schafe und Kühe sowie Hühner. Nach dem schlimmen Lawinenwinter 1950/51 wurde das Halten von Ziegen aufgrund behördlicher Anordnung eingeschränkt, da diese den Schutzwald gefährdeten.

Mit dem Verkauf von Landwirtschaftsprodukten in Airolo und – nach Eröffnung der Standseilbahn zum Ritomsee im Jahre 1921 – auch in Piotta kamen die Brugnasconer allerdings kaum über die Runden, so dass sie häufig auch noch Arbeiten im Tal annehmen mussten.

Von 1978 bis zu seinem Ableben 2007 betrieb der Basler Ermanno Brun, dessen Mutter eine Brugnasconerin war, im Dorf unter dem Namen "Brun Etuis" eine der höchstgelegenen Manufakturen der Schweiz, in der er Etuis für Münzen und Medaillen herstellte und verschiedene Frauen aus Brugnasco, Madrano und Airolo beschäftigte.[6] Zu seinen ständigen Kunden gehörten verschiedene Schweizer Grossbanken und die FIFA

Heute existiert in Brugnasco nur gerade noch ein Bauernbetrieb, der vornehmlich Kühe hält. Die übrigen Einwohner gehen im Tal einer Arbeit nach oder sind pensioniert.

Spezielle Ereignisse Bearbeiten

Ende 19./Anfang 20. Jahrhundert wurde die im 16. Jahrhundert erbaute Cappella San Barnaba[7] durch eine Lawine vollständig zerstört. Die beiden Flügeltüren des Altars sind heute im Museo di Leventina in Giornico ausgestellt.

Am 10. Juni 1906 um 3 Uhr morgens brach in Brugnasco ein verheerendes Feuer aus, das ein Drittel des Dorfes – zehn Häuser und drei Ställe – komplett zerstörte und neun Familien obdachlos machte.[8]

Ein weiterer grosser Brand ereignete sich im Jahre 1952, bei dem das Ristorante Bellavista im Dorfkern ein Raub der Flammen wurde.

Das Basler Koloniehaus Bearbeiten

1908 wurde durch Mitglieder des Gymnasial-Turnvereins Basel (GTV) sowie durch Lehrer des Humanistischen Gymnasiums Basel (heute Gymnasium am Münsterplatz) der Verein Basler Ferienhaus Brugnasco gegründet, der in jenem Jahr das heruntergekommene Wirtshaus erwarb, dieses renovierte und zu einem Koloniehaus mit 14 Betten umbaute. 1957 kaufte der Verein einen Rohbau, der usprünglich ein Ristorante hätte werden sollen, und baute diesen als zweites Koloniehaus mit 20 Betten aus. Seit 1909 fanden in diesen Häusern weit über 1000 Ferien- und Schulkolonien sowie Skilager statt, was dazu beitrug, dass Brugnasco auch in der Deutschschweiz einen grösseren Bekanntheitsgrad erlangte.

Bilder Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Versch. Autoren: AIROLO, Il borgo ai piedi del San Gottardo, da secoli luogo di passagio fra il nord ed il sud delle Alpi. Hrsg.: Comune di Airolo. Arti Grafiche A. Salvioni & Co. SA, Bellinzona 1992 ISBN 88-7967-001-8
  • Tabasio: Piccolo Dizionario illustrato del Dialetto dell'Alta Leventina, unter: https://sites.google.com/site/leventinese/, abgerufen am 29. Januar 2021.
  • Thomas Schweizer: 111 Jahre Verein Basler Ferienhaus Brugnasco, Chronik der GTV-Häuser von 1908-2019, mit einem Abriss über die Dorfgeschichte, Basel 2019, ISBN 978-3-033-07596-2

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Tabasio: Piccolo Dizionario illustrato del Dialetto dell’Alta Leventina, Villagi di Leventina, Brügnèsc'. Abgerufen am 29. Januar 2021.
  2. Julius Studer: Schweizer Ortsnamen. Schulthess, Zürich 1886, S. 73.
  3. Tabasio: Piccolo Dizionario illustrato del Dialetto dell’Alta Leventina, Cognomi dell‘Alta Leventina, COMUNE DI AIROLO. Abgerufen am 29. Januar 2021.
  4. a b versch. Autoren: Historisch-Biographisches Lexikon der Schweiz. Band 2. Neuenburg, S. 373.
  5. Div. Autoren: Airolo, Il borgo ai piedi del San Gottardo, da secoli luogo di passaggio fra il nord e il sud delle Alpi. Hrsg.: Comune di Airolo. Arti Grafiche A. Salvioni & Co. SA, Bellinzona 1992, ISBN 88-7967-001-8, S. 109.
  6. vgl. auch den Artikel von Sandro Pauli: Una fabbrica, lassú sulle montagne. In: Coop-Zeitung, italienischsprachige Ausgabe, Nr. 41/2003. 8. Oktober 2003, abgerufen am 29. Januar 2021.
  7. vgl. dazu Paolo D'Alessandri: Atti di S. Carlo riguardanti la Svizzera e suoi territorii : documenti raccolti dalle visite pastorali, dalla corrispondenza e dalle testimonianze nei processi di canonizzazione. Tipografia Artistica, Locarno 1909, S. 20.
  8. Il Dovere, Giornale dei liberali Ticinesi vom 11. und 15. Juni 1906