Federung Fahrrad

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Die Federung des Fahrrads dient dazu den Fahrer und das Rad vor den Einflüssen des Untergrundes weitestgehend zu isolieren. Für gewöhnlich werden nur Mountainbikes und Hybridräder ( E-Mountainbikes ) mit einer Federung oder einem Federungssystem ausgestattet. Die Federung kann in vielen Bauformen und deren Kombinationen auftreten:

  • Federung am Vorderrad
  • Federung am Hinterrad
  • Federung an der Sattelstütze

Räder die nur über eine Federung am Vorderrad verfügen nennt man "Hardtails". Räder die über Federung am Vorderrad sowie am Hinterrad verfügen nenn man "vollgefederte Räder". Wenn keinerlei Federung vorhanden ist spricht man von "Crossern" wie zb. Rennräder, Triathlonräder oder Single Speed ( Fixed Gear ) Rädern.

Obwohl ein möglichst steifer Rahmen üblicherweise präferiert wird, ist kein Material unendlich steif und deswegen wird bei jedem Rahmen eine gewisse Eigenbiegung ( ugs. flexen ) auftreten. Dadurch wird bereits ein Teil der Vibration genommen.

Neben der Sicherstellung des Komforts des Fahrers bietet die Federung auch zusätzlich ein höhere Traktion und somit mehr Sicherheit, da beide Räder häufiger und konstanter Kontakt zum Untergrund haben. Das Ansprechverhalten einer Federung gibt Auskunft darüber, wie schnell und sensibel Federungskomponente auf Bodenunebenheiten reagiert und den Federweg freigibt (vgl. auch Losbrechmoment).


Geschichte

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1885 Whippet

1885 erschien das Whippet der Marke Safety Bicycle, dass bereits einfache Federkonstruktionen nutzte um den Rahmen zu federn.[1][2][3]

1985 entwickelte Horst Leitner einen Mountainbike Prototyp mit dem später nach ihm benannten Horst-Link. Die erste Form des klassischen Viergelenkers. Leitner gründete das Mountainbike- und Forschungsunternehmen AMP, dass began vollgefederte Mountainbikes herzustellen. 1990 stellte AMP die erste komplett unabhängige Wippe im Hinterbausystem für Mountainbikes vor. Das AMP B-3 und das AMP B-4 XC Mountainbike waren vollgefedert und boten eine optionale Montage von Scheibenbremsen mit Horst-Link Federungssystem. Der Horst-Link wurde von Horst Leitner für AMP Research entwickelt und 1994, bzw. 1996 zum Patent angemeldet.[4][5] Über 10 Jahre produzierte AMP-Research eine kleine Stückzahl ihrer vollgefederten Mountainbikes in Laguna Beach (Kalifornien), sowie eigene Naben, Dämpfer, Federgabeln und hydraulischen Scheibenbremsen, welche AMP zusätzlich erfand.[6]


Federung Vorderrad

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Federung Hinterrad

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Räder mit Hinterradfederung haben meist auch Federgabel am Vorderrad verbaut. Das hintere Federelement wird als Dämpfer (umgangssprachlich) bezeichnet und über den Hinterbau angelenkt. Feder und Stoßdämpfer sind als kombiniertes Federbein ausgeführt. Die Dämpfung ist bei allen hochwertigen Federelementen im MTB-Bereich hydraulisch umgesetzt. Die Dämpfung regelt die Ein- und Ausfedergeschwindigkeit der Federgabel. Die Dämpfung wird entweder durch Stahlfederdämpfer ( eng. Coil ) meist bei Rädern mit viel Federweg oder Luftdämpfer bei weniger Federweg realisiert. Der Federweg beschreibt wie viel Bewegung der Federmechanismus zulässt. Federwege im „Downhill“-Sport betragen 200 Millimeter Federweg, im „All Mountain (Enduro)“-Sport 140 bis 180 mm und im Cross Country-Sport etwa 80 bis 100 mm. Der als Negativfederweg bezeichnete Weg (SAG), den die Gabel bei statischer Belastung allein durch das Gewicht des Fahrers beim ruhigen Sitzen im Sattel eintaucht, ist der Betrag um den Gabel und Dämpfer – etwa beim Durchfahren von Schlaglöchern – noch ausfedern können, ohne dass der Reifen den Bodenkontakt verliert. Die Federhärte ist ein Maß für die Einfedertiefe bei gleichem Fahrergewicht. Bei Stahlfedergabeln-/dämpfern ist eine Anpassung der Federhärte nur begrenzt über deren Vorspannung oder eine Luftunterstützung möglich. Ansonsten ist der Austausch der Feder erforderlich – schwere Fahrer benötigen härtere Federn als leichte. Bei Luftfedergabeln-/dämpfern lässt sich die Federhärte sehr viel einfacher durch Variieren des Luftdrucks anpassen: Mehr Druck entspricht einer härteren Feder. Durch Federhärte lässt sich der Negativfederweg auf das Fahrergewicht anpassen.

Geometrie

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Für den Hinterbau existieren zahlreiche Bauformen, die sich in ihrer Kinematik, ihrem Gewicht und im Preis unterscheiden.

Eingelenker

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Eingelenker 2008 Morewood 160mm

Beim eingelenkter handelt es sich um die einfachste aller Bauweisen. Die Hinterachse ist mit nur einem zentralen Gelenk mit dem Rahmen verbunden. Um dieses Gelenk dreht sich der komplette Hinterbau beim Einfedern in einer Kreisbahn. Es befindet sich meist in der Nähe des Tretlagers. Kettenstrebe und Ausfallenden sind fest verbunden. Der Dämpfer wird direkt angesprochen was ihn sehr sensibel macht, jedoch auch anfällig für den sogenannten Wiegenritt. Dadurch können zusätzliche seitliche Kräfte entstehen die dem Dämpfer schaden können. Bei diesen Bauformen werden weitere Gelenke nicht gezählt, da diese nur zur Abstützung seitlicher Kräfte dienen (abgestützter Eingelenker/Mehrgelenker). Aufgrund dieser sehr einfachen Bauweise nutzen viele Hersteller diesen Typ als billige Grundplattform.


Viergelenker

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Viergelenker

Die Hinterachse ist mit zwei Gelenken mit dem Rahmen verbunden wobei ein Gelenk zwischen Kettenstrebe und Ausfallenden liegt, das sogenannte "Horst-Link" . Die restlichen Gelenke dienen der Abstützung. Dadurch federt das Hinterrad in einer gleichmäßigeren geraden Bewegung ein. Zudem verringern sich die Einflüsse von Antrieb und Bremsen auf den Hinterbau durch die weiteren Lager. Jedoch entstehen durch jedes weiteres Lager höhere Kosten und Gewicht sowie größerer Verschleiß. [7] [8]

Specialized eignete sich einige Patente von Leitner an, die sie für ihren bekannten "FSR-Hinterbau" nutzten. Viele weitere Firmen lizensierten sich dieses Design später von Specialized. Europäische Firmen wie Cube und Scott benutzten das gleiche Design, konnten es aber bis 2013 aufgrund der Patentrechte nicht auf dem US-Amerikanischen Markt verbreiten.[9]Norco Bicycles, ein kanadischer Radhersteller, lizensierte sich ebenfalls das Design von Specialized, entwickelte es jedoch weiter und führt es seither unter den Namen Advanced Ride Technology (ART)[10][11]


VPP-Hinterbau

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VPP Hinterbau Santa Cruz

"VPP" ("Virtual Pivot Point") bedeutet so viel wie "virtueller Drehpunkt"[12][13]. Zwischen Kettenstrebe und Rahmen liegen zwei Lager dicht beieinander. Dadurch entsteht ein imaginärer Drehpunkt um den sich das Hinterrad beim Einfedern dreht. Zwei weitere Lager befinden sich an der Dämpferanlenkung. Diese Bauweise reduziert das Wippen ( Wiegetritt )beim Pedalieren auf ein Minimum.[14]

Literatur

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  • Michael Gressmann, Franz Beck, Rüdiger Bellersheim: Fachkunde Fahrradtechnik. 1. Auflage, Verlag Europa Lehrmittel, Haan-Gruiten, 2006, ISBN 3-8085-2291-7
  • Michael Gressmann: Fahrradphysik und Biomechanik. Technik, Formeln, Gesetze. 11. Auflage, Delius Klasing Verlag, Bielefeld, 2010, ISBN 978-3-7688-5222-7
  • Fritz Winkler, Siegfried Rauch: Fahrradtechnik Instandsetzung, Konstruktion, Fertigung. 10. Auflage, BVA Bielefelder Verlagsanstalt GmbH & Co. KG, Bielefeld, 1999, ISBN 3-87073-131-1


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  1. David V. Herlihy: Bicycle: History. Yale University Press, 2004, ISBN 0-300-10418-9, S. 246 (google.com): „The popular Whippet incorporated a series of external springs suspending the entire frame.“
  2. Wiebe E. Bijker: Of Bicycles, Bakelites, and Bulbs: Toward a Theory of Sociotechnical Change. The MIT Press, 1997, S. 73 (google.com): „Even the successful "Whippet" with its many movable parts needed more attention than an ordinary bicycle.“
  3. Tony Hadland and Hans-Erhard Lessing: Bicycle Design, An Illustrated History. MIT Press, 2014, ISBN 978-0-262-02675-8, S. 207: „The Whippet bicycle of the mid 1880s had the whole section of the frame carrying the handlebars, the seat, and the cranks sprung as a single unit.“
  4. USPatent US000005509679A. Depatisnet, abgerufen am 28. Juni 2016.
  5. USPatent US000005509679A. Depatisnet, abgerufen am 28. Juni 2016.
  6. History of AMP Research. AMP Research, abgerufen am 28. Juni 2016.
  7. Horst Leitner: Rear suspension for bicycles US5678837. Abgerufen am 3. Juni 2016.
  8. Horst Leitner: Rear suspension for bicycles US5509679. Abgerufen am 3. Juni 2016.
  9. Scott USA Genius. Archiviert vom Original am 20. Februar 2009; abgerufen am 28. Juni 2016.
  10. EXPLAINING ADVANCED RIDE TECHNOLOGY – A.R.T. In: Norco Bicycles. Abgerufen am 28. Juni 2016.
  11. Bike Test: Norco Range 2. In: Bike Magazine. The Enthusiast Network, abgerufen am 28. Juni 2016.
  12. US Patent RE39159 - Bicycle wheel travel path for selectively applying chainstay lengthening effect. Abgerufen am 28. Mai 2016.
  13. Paul 'Supersonic' Hayes, Simon Young, Doddy: Buyer's guide to mountain bike suspension, part 2. Abgerufen am 20. Mai 2016.
  14. The Virtual Pivot Point. In Kenneth M. Sasaki: A Bicycle Rear Suspension Analysis Method, 2001. Abgerufen am 20. Mai 2016