Benutzer:Physikaficionado/Neutronenreflektometrie-Brechungsindex

Funktionsweise

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Zur Messung wird ein kollimierter Neutronenstrahl mit einer kinetischen Energie von einigen hundertstel Elektronenvolt auf eine (sehr glatte) Grenzfläche gestrahlt und die Intensität der reflektierten Neutronen über den Reflexionswinkel gemessen (gerichtete Reflexion, der Reflexionswinkel entspricht dem Einfallswinkel). Dazu sind eine entsprechende Neutronenquelle, beispielsweise eine Spallationsquelle, und ein Neutronenleiter notwendig. Die Form des Intensitätsprofils liefert verschiedene Informationen über die gemessene Oberfläche, wie die Schichtdicke, Dichte oder Grenzflächenrauigkeit.

Gemäß der Theorie von Louis de Broglie[1] können mikroskopische Teilchen wie Neutronen als Materiewelle beschrieben und ihnen eine charakteristische Wellenlänge   zugeordnet werden, die vom Impuls   der Neutronen abhängt:

 

wobei   das plancksche Wirkungsquantum ist. Der Betrag des Impulsvektors bestimmt die kinetische Energie   des Neutrons der Masse  

 

Für Neutronen mit einer kinetischen Energie von   beträgt die De-Broglie-Wellenlänge  , was der charakteristischen Molybdän  -Röntgenlinie entspricht. Somit liegt das theoretische Auflösungsvermögen bei einigen Zehntel Nanometer.

Neutronen als neutrale Teilchen dringen in die meisten Materialien tief ein. Sie wechselwirken dann direkt mit den Atomkernen des Mediums in einem Bereich von  , der viel kürzer ist, als die Wellenlänge der Neutronen. Die Quantenmechanik beschreibt die Streuung des Neutrons. Die Wellenfunktion   für kohärente elastische Neutronenstreuung muss Lösung der Einteilchen-Schrödinger-Gleichung[2] sein:

 

Das Fermische Pseudopotential  , das keine räumliche Ausdehnung um die Koordinate   des Kerns hat, beschreibt diese Wechselwirkung[3]. Die Kerneigenschaften landen in der Streulänge  .

Die potentielle Energie   mit der Atomzahldichte   beschreibt ein homogenes Medium. Treffen Neutronen vom Vakuum auf eine ebene Grenzfläche zu einem homogenen Medium, dann ist die allgemeine Lösung   der Schrödinger-Gleichung eine Überlagerung ebener Wellen

 

Die Wellenvektoren   und   müssen die Schrödinger-Gleichung erfüllen:

 

Wie in der Optik kann man einen Brechungsindex als Quotient der Wellenzahlen   einführen.

 

Damit kann man die Bewegung der Neutronen wie Lichtstrahlen in einem Medium mit Brechungsindex   gemäß[4]

 

beschreiben. Mathematisch gesehen kann u. a. durch diese Zusammenhänge die Reflexion von Neutronen ähnlich der Reflexion von elektromagnetischer Strahlung beschrieben werden. Das heißt, man definiert für das Material einen komplexen Brechungsindex   und nutzt die aus der Optik bekannten Gesetzmäßigkeiten (vgl. Brechungsgesetz, fresnelsche Gleichungen, Abelès-Matrixformalismus[5] und Parratt-Rekusionsformel[6]). Diese Form der Darstellung bietet sich an, da wie bei Röntgenstrahlung der Realteil des Brechungsindexes sehr nahe bei 1 liegt. In der Literatur findet man daher oft nur die Dispersion   angegeben, die in der Regel in der Größenordnung von 10−6 liegt. Der Absorptionskoeffizient   kann in vielen Fällen vernachlässigt werden, da er außer für stark absorbierende Isotope wie Bor oder Lithium in der Größenordnung von 10−12 liegt.

Ähnlich wie bei Röntgenstrahlung tritt aufgrund des minimal geringeren Realteils des Brechungsindexes als bei Luft/Vakuum auch bei Neutronen externe Totalreflexion auf, wenn die Neutronen sehr flach, d. h. bei Einfallswinkeln nahe 90° (vom Lot), auf die glatte Probe fallen (streifender Einfall). Dieser Messaufbau bietet sich an, da andernfalls die Intensität der reflektierten Neutronen zu gering bzw. die Verluste zu hoch für eine Auswertung wäre.

Der Reflexionskoeffizient   lautet für nichtabsorbierende Medien[7]

 

wo   der Einfallswinkel zwischen dem Neutronenbündel und dem Normalenvektor zur Oberfläche ist.

Die Totalreflexion für Neutronen tritt nur bei sehr kleinen Winkeln   auf.   lautet für nichtabsorbierende Medien[8]:

 
  1. Broglie, Louis de: Licht und Materie - Ergebnisse der neuen Physik. de Gruyter, H. Goverts 1939, S. 56.
  2. Heisenberg, Werner: Physikalische Prinzipien der Quantentheorie -. B. I.-Wissenschaftsverlag, Mannheim 1958, ISBN 3-411-00001-5, S. 27.
  3. Bergmann Schaefer: Lehrbuch der Experimentalphysik -- Band IV, Teil 2. 2. Auflage. de Gruyter, Berlin 1980, ISBN 3-11-008075-3, S. 1730.
  4. Wlassow, N.A.: Neutronen -. N. J. Hoffmann Verlag, Köln 1959, S. 371.
  5. Florin Abelès: La théorie générale des couches minces. In: Journal de Physique et le Radium. Band 11, Nr. 7, 1950, S. 307–309, doi:10.1051/jphysrad:01950001107030700.
  6. L. G. Parratt: Surface Studies of Solids by Total Reflection of X-Rays. In: Physical Review. Band 95, Nr. 2, 1954, S. 359–369, doi:10.1103/PhysRev.95.359.
  7. Wlassow, N.A.: Neutronen -. N. J. Hoffmann Verlag, Köln 1959, S. 393.
  8. Wlassow, N.A.: Neutronen -. N. J. Hoffmann Verlag, Köln 1959, S. 394.