Benutzer:Physikaficionado/Diffraktometrie unter streifendem Einfall-Neutronenstreuung

Geometrie: Der Winkel α ist nahe dem kritischen Winkel

Diffraktometrie unter streifendem Einfall (grazing incidence diffraction, GID) ist ein Verfahren zur Untersuchung der Kristallstruktur dünner Schichten.

Dazu wird eine Probe unter kleinen Winkeln mit

beleuchtet und die gebeugte Strahlung analysiert. Diffraktometrie unter streifendem Einfall zeichnet sich durch einen besonders flachen Einfallswinkel der Strahlung auf die Probe aus (α < 3°; gesehen nicht von der Normalen zur Probenoberfläche, sondern von der Oberfläche selbst).

Beschreibung

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Totalreflexion von Röntgenstrahlung an der Oberfläche zu einem homogenen Medium

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Festkörper haben bei sehr kleinen Wellenlängen   in der Regel einen Brechungsindex   kleiner als derjenige von Luft oder Vakuum mit   (siehe Wikipedia-Seite: Brechungsindex).

Für Silizium beträgt die Abweichung der Vakuumwerts des Brechungsindex   bei Röntgenstrahlung der Wellenlänge von   .

Strahlt man also Röntgenlicht, wie in der Abbildung gezeigt, unter dem kleinen Winkel   von Luft oder Vakuum als optisch dichteres Medium   gegen die Grenzfläche zum optisch dünneren Medium   streifend ein, so erhält man Totalreflexion für Einfallswinkel  , die geringer sind als der Grenzwinkel   sind (siehe Wikipedia-Seite: Totalreflexion).

Für Silizium mit   bei Röntgenstrahlung der Wellenlänge von   beträgt der Grenzwinkel  

 

Die transmittierte Welle   entnimmt man der Wikipedia-Seite über das Snelliussche Brechungsgesetz:

 

Die Röntgenstrahlung wird total reflektiert. Der erster Faktor der transmittierten Welle   klingt in Richtung des optisch dünneren Mediums bei   exponentiell ab. Der zweite Faktor   zeigt, dass sich diese längs der Grenzfläche in negativer  -Richtung ausbreitet. In der Probe tritt dann nur noch eine mit der Eindringtiefe exponentiell gedämpfte evaneszente Welle auf.

Die Eindringtiefe   lautet (siehe Wikipedia-Seite: Totalreflexion):

 

und ist im Bereich der Röntgenstrahlung nahezu wellenlängenunabhängig! Für Einfallswinkel   kann eine minimale Eindringtiefe erreicht werden, die für Silizium

 

beträgt. Die Intensität ist proportional zum Amplitudenquadrat   des elektrischen Feldes der Röntgenstrahlung und nimmt quadratisch mit der Eindrintiefe ab:  . Im Gebiet der Totalreflexion dringt das Röntgenfeld mit   also nur halb so tief ein. Diese Oberflächenempfindlichkeit bildet die Grundlage für die Diffraktometrie unter streifendem Einfall.

Totalreflektierter Bragg-Reflex an der Kristalloberfläche

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Bisher war das Medium homogen mit räumlich gleich verteilten Elektronen. Ist die Wellenlänge der Röntgenstrahlung mit den Gitterabständen im Kristall vergleichbar, dann kann Röntgenbeugung an geordneten Strukturen wie Kristallen oder Quasikristallen auftreten. Reflexion der Röntgenstrahlung an den einzelnen Gitterebenen des Kristalls tritt in den Richtungen auf, in denen die Bragg-Bedingung:

 

erfüllt ist. Die Bragg-Gleichung verknüpft den Abstand   zwischen parallelen Gitterebenen, die Wellenlänge   der Röntgenstrahlung, sowie den Winkel   zwischen Röntgenstrahl und Gitterebene.   ist eine natürliche Zahl, die die Beugungsordnung angibt. Die Gitterebenen mit Miller-Indizes (hkl) haben im kubischen System den Abstand:

 

mit der Gitterkonstanten  .

Für die Diffraktometrie unter streifendem Einfall an einem (220) orientierten Silizium-Einkristall beträgt der Gitterebenenabstand

 

Dabei ist die Kantenlänge der kleinsten kubischen Einheitszelle von Silizium   lang. Für Röntgenstrahlung der Wellenlänge   taucht der Bragg-Reflex der   Beugungsordnung beim Glanzwinkel

 

auf. Bei richtig orientiertem Kristall existiert ein Bragg-Reflex der transmittierten Welle   im Winkel   zur Ausbreitungsrichtung.

Sollte die Silizium-Oberfläche bis zur minimalen Eindringtiefe   durch Arsen-Beschuss amorph und nicht mehr kristallin sein, dann verschwindet der Oberflächen-Bragg-Reflex unter Totalreflexion für Einfallswinkel  .

So lässt sich die Beugung der Strahlung an Kristallstrukturen, etwa in Dünnschichten, mit minimaler Überlagerung von Strahlung untersuchen, die am Substrat gebeugt wurde. Dagegen dringt beim herkömmlichen Theta/2-Theta-Verfahren mit großen Einfallswinkeln (Diffraktometrie) die einfallende Strahlung in die Probe ein, und es tritt keine erhöhte Sensitivität für die Probenoberfläche auf.

Totalreflektierte Kleinwinkel-Röntgenstreuung an der Oberfläche

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Für Einfallswinkel (0–0,6 Grad) lässt sich sogar die Oberfläche der Dünnschicht untersuchen, etwa in dem verwandten Verfahren der Kleinwinkel-Röntgenstreuung unter streifendem Einfall (englisch grazing incidence small-angle X-ray scattering, GISAXS[1]). Die Kleinwinkelstruktur des totalreflektierten Röntgenstrahls verrät Eigenschaften nanostrukturierter Oberflächen und dünner Schichten.

Regelmäßig angeordnete Lamellenstapel von Tensiden erzeugen Bragg-ähnliche Reflexe in einer Richtung senkrecht zu den Lamellenebenen. Wenn die Lamellen parallel zum Substrat ausgerichtet sind, erhält man Streureflexe in der Einfallsebene entlang der Oberflächennormalen. Bei Lamellen mit zufälliger Ausrichtung taucht ein Pulverring oder Bögen auf. Bei senkrechten Lamellen schließlich beobacht man Bragg-Reflexe in der Richtung parallel zur Substratoberfläche[2].

Literatur

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Kategorie:Kristallographie Kategorie:Neutronenbeugung Kategorie:Röntgenbeugung

  1. Grazing-incidence small-angle scattering. Abgerufen am 3. April 2023.
  2. Detlef-M. Smilgies: Grazing-Incidence Small-Angle Scattering (GISAXS). Abgerufen am 3. April 2023.