Die Supersymmetrie (SUSY) ist eine Symmetrie der Teilchenphysik, die Bosonen und Fermionen ineinander umwandelt. Dabei werden Teilchen, die sich unter einer SUSY-Transformation ineinander umwandeln, Superpartner genannt.

Aufgrund ihres Potentials, bestehende Fragen der Teilchen- und Astrophysik zu erklären, sind supersymmetrische Theorien insbesondere in der theoretischen Physik sehr populär. Die meisten Großen Vereinheitlichten Theorien und Superstringtheorien sind supersymmetrisch. Die minimal mögliche, mit bisherigen Erkenntnissen kompatible Erweiterung des Standardmodells der Teilchenphysik (SM), das Minimale Supersymmetrische Standardmodell (MSSM), ist der meistuntersuchte Kandidat für Physik jenseits des Standardmodells (BSM-Physik). Allerdings konnte trotz vielversprechender theoretischer Argumente bis heute kein experimenteller Beweis erbracht werden, dass Supersymmetrie tatsächlich in der Natur existiert - insbesondere wurden noch keine Superpartner bekannter Teilchen beobachtet.

Geschichte: Wess-Zumino Modell und MSSM Bearbeiten

Das erste supersymmetrische teilchenphysikalische Modell wurde 1974 von Julius Wess und Bruno Zumino vorgestellt[1]. Dieses heute unter dem Namen Wess-Zumino-Modell bekannte Modell beschreibt zwei skalare Bosonen, die mit sich und einem chiralen Fermion wechselwirken. Obwohl es unrealistisch ist, ist das Wess-Zumino-Modell ein wegen seiner Einfachheit beliebtes Beispiel, an dem sich wichtige Eigenschaften supersymmetrischer Feldtheorien zeigen.

Das erste mit den bisherigen experimentellen Beobachtungen verträgliche supersymmetrische Modell, das Minimale Supersymmetrische Standardmodell (MSSM), wurde 1981 von Howard Georgi und Savas Dimopoulos vorgeschlagen. Nach dem MSSM sind die Massen der bisher unbeobachteten Superpartner in dem für den 2008 in Betrieb gehenden Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider (LHC) zugänglichen Bereich von 100 GeV bis 1 TeV, im Einklang mit dem Befund, daß bis jetzt keine Superpartner beobachtet wurden, und in der Hoffnung, am LHC Superpartner bereits bekannter Elementarteilchen nachweisen zu können.

Generelle Eigenschaften Bearbeiten

Supersymmetriealgebra Bearbeiten

Die Supersymmetrietransformationen, die Fermionen und Bosonen ineinander umwandeln, erweitern die Raumzeitsymmetrie, die Poincaré-Gruppe.

Sidney Coleman und Jeffrey Mandula hatten 1967 [2] unter, wie es schien, allgemein gültigen Bedingungen gezeigt, dass außer den Erzeugenden der Poincaré-Gruppe alle anderen Erzeugenden von physikalisch relevanten Symmetrien unter Poincaré-Transformationen invariant sein müssen, daß also jede größere Symmetrie eines physikalischen Modells eine Produktgruppe der Poincaré-Gruppe mit einer Gruppe sein müsse, die nichts mit der Raumzeit zu tun hat.

Nachdem aber Wess und Zumino 1974 mit ihrem Modell gezeigt hatten, daß es auch fermionische Erzeugende von Symmetrien geben kann, die sich wie Teilchen mit Spin-1/2 bei Drehungen ändern und die von Coleman und Mandula nicht bedacht worden waren, klassifizierten 1975 Rudolf Haag, Jan Łopuszański und Martin Sohnius die möglichen Symmetriealgebren mit bosonischen und fermionischen Erzeugenden.[3].

Die einfachste supersymmetrische Erweiterung der Poincarégruppe ist im Wess-Zumino-Modell realisiert und erweitert sie um zwei Weyl-Spinoren  . Die relevanten Kommutator- und Antirkommutatorrelationen sind

 

Dabei bezeichnet   die Pauli-Matrizen und   den Viererimpuls.

Schleifenkorrekturen durch Superpartner Bearbeiten

 
Korrekturbeiträge zur Higgsmasse. Die quadratische Divergenz der Fermionenschleife im oberen Diagramm wird durch das untere Diagramm eines skalaren Superpartners kompensiert.

Die Existenz zusätzlicher Elementarteilchen liefert zusätzliche Beiträge zu den Schleifenkorrekturen für beobachtbare physikalische Parameter. Besitzen Superpartner außer dem Spin exakt gleiche Quantenzahlen, so sind die Schleifenkorrekturen identisch im Betrag, unterscheiden sich jedoch (aufgrund des unterschiedlichen Spins) im Vorzeichen. Die Korrekturen addieren sich zu Null. In gebrochenen SUSY-Modellen, insbesondere in spontan gebrochenen Modellen, addieren sich die Korrekturen nicht notwendigerweise zu Null, liefern aber oft vergleichsweise kleinere Effekte.

Die (teil-)Kompensation der Schleifenkorrekturen durch Superpartner hat zwei interessante Effekte:

  • Supersymmetrie bietet eine Möglichkeit zur Lösung des Natürlichkeitsproblems (engl.: Naturalness problem oder fine-tuning problem), bei dem mit der Energieskala quadratisch divergente Schleifendiagramme zu unangenehm großen Korrekturbeiträgen zur renormierten Masse des Higgs-Bosons führen: Zu jedem quadratisch divergenten Korrekturterm existiert ein äquivalenter Term des anderen Superpartners mit unterschiedlichem Vorzeichen. Die problematischen Korrekturen addieren sich zu Null.
  • Im Gegensatz zum Standardmodell ist in spontan gebrochenen (oder ungebrochenen) SUSY-Theorien der Erwartungswert der Energiedichte im feldfreien Raum endlich. Somit scheint es einfacher, die Gravitation, in der die Energiedichte Quelle für das Gravitationsfeld ist, in ein quantentheoretisches Modell einzubeziehen.

Dunkle Materie Bearbeiten

Um nicht in Widerspruch zu experimentellen Ergebnissen zu geraten, muss man annehmen, dass Zerfallsprozesse von Superpartnern in Standardmodellteilchen (ohne einen weiteren Superpartner als Zerfallsprodukt) stark unterdrückt oder unmöglich sind (R-Parität). Dadurch ist das leichteste supersymmetrische Partnerteilchen (LSP) praktisch stabil. Da nach aktuellen kosmologischen Modellen Teilchen beliebiger Masse in Frühphasen des Universums erzeugt werden können, stellt ein elektrisch neutrales LSP einen Kandidaten als Erklärung für Dunkle Materie dar[4].

Ausgewählte Aspekte der Supersymmetrie Bearbeiten

MSSM: Minimales Supersymmetrisches Standardmodell Bearbeiten

Hauptartikel: MSSM

Das MSSM ist die (im Sinne der Teilchenzahl) kleinste Möglichkeit ein realistisches supersymmetrisches Teilchenphysikmodell aufzubauen. Das MSSM erweitert das SM um ein zusätzliches Higgs-Dublett und SUSY-Partnerteilchen für alle Teilchen des Modells. Für den Grund aus dem die neuen Teilchen andere Massen besitzen als ihre Standardmodellpartner existiert kein expliziter Mechanismus. Statt dessen werden alle supersymmetriebrechenden Terme, die renormierbar, eichinvariant und R-paritätserhaltend sind, explizit mit zunächst unbekannten Kopplungskonstanten in das Modell aufgenommen.

Vereinheitlichte Theorien Bearbeiten

Hauptartikel: Große Vereinheitlichte Theorie

Die Existenz der neuen Teilchen ab einer Masse von 100 GeV - 1 TeV beeinflusst die Energieabhängigkeit der Parameter, die die Stärke der drei im Standardmodell vorkommenden Wechselwirkungen charakterisieren, so, dass sie bei extrem hohen Energien von 10^16 GeV den gleichen Wert annehmen können. Dies wird manchmal als ein Hinweis auf vereinheitlichte Theorien interpretiert, also auf Theorien in denen die drei Wechselwirkungen des Standardmodells analog der elektrischen und magnetischen Wechselwirkung nur verschiedene Effekte einer einzigen übergeordneten Wechselwirkung sind.

Supergravitation Bearbeiten

Hauptartikel: Supergravitation

Die um die SUSY-Generatoren erweiterten Raumzeitsymmetrien sind zunächst (wie auch im Standardmodell) globale Symmetrien. Deklariert man SUSY zu einer lokalen Symmetrie, so erzwingt dies zwei neue Teilchen: Das Spin-3/2 Gravitino und das Spin-2 Graviton, von dem erwartet wird, das Wechselwirkungsteilchen der Gravitation zu sein[5]. Daher werden lokale SUSY-Theorien auch Supergravitation (SUGRA) genannt. Supergravitation besitzt gegenüber lokaler Raumzeitsymmetrie im Standardmodell (die nicht renormierbar ist) zwei potentielle Vorteile, die insbesondere in der Anfangsphase supersymmetrischer Ansätze die Hoffnung nährten, dass SUSY einen möglichen Mechanismus für eine Theorie der Quantengravitation liefert:

  • Nach der Relativitätstheorie ist die totale Energiedichte des Raumes ein Quellterm für Gravitation. Im Standardmodell der Teilchenphysik ist der Erwartungswert der Energiedichte jedoch bereits im Vakuum unendlich. In supersymmetrischen Theorien ist die Vakuumenergiedichte endlich (im Fall der ungebrochenen Supersymmetrie sogar exakt Null).
  • Der unterschiedliche Spin von Graviton und Gravitino könnte dazu führen, dass sich nichtrenormierbare Terme kompensieren und die Theorie renormierbar ist.

Bis heute ist es -mit potentieller Ausnahme von Superstringansätzen, die jedoch über einfache Supersymmetrie hinausgehen- nicht gelungen eine widerspruchsfreie Theorie der Supergravitation aufzustellen. SUGRA könnte allerdings eine effektive Theorie unterhalb der Planck-Skala sein: SUGRA ist ein möglicher Mechanismus für spontane Supersymmetriebrechung. In manchen Modellen ist der Nachweis des Gravitinos an zukünftigen Beschleunigerexperimenten wie dem LHC denkbar[6].

Weiterführende Informationen Bearbeiten

Siehe auch Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

  • A Supersymmetry Primer by S.P. Martin. Sehr beliebte englischsprachige Quelle zum Thema. Ausgehend von bekannter Quantenfeldtheorie wird über das Wess-Zumino Modell das MSSM motiviert und begründet. Phänomenologische Aspekte des MSSM und mögliche Erweiterungen werden kurz behandelt.

Referenzen Bearbeiten

  1. J. Wess, B. Zumino: Supergauge transformations in four dimensions, Nucl. Phys. B70 (1974) 39-50.
  2. Sidney Coleman, Jeffrey Mandula: All possible symmetries of the S-matrix, Phys. Rev. 159 (1967) 1251-1256.
  3. Haag, Lopuszanki, Sohnius: All possible generators of supersymmetries of the S-matrix, Nucl. Phys. B88 (1975) 257.
  4. Siehe beispielsweise D. Hooper, T. Plehn: Supersymmetric Dark Matter - How light can the LSP be?, Phys.Lett. B562 (2003) 18-27 [1]
  5. Takeo Moroi: Effects of the Gravitino on the Inflationary Universe, hep-ph/9503210
  6. Nanopoulos et al.: Light-Gravitino Production at Hadron Colliders, hep-ph/9707331