Inverted Classroom (im Schulkontext auch Flipped Classroom oder Umgedrehter Unterricht genannt) bezeichnet ein didaktisches Konzept, das die grundlegenden Aktivitäten des Lernprozesses gegenüber traditionellen Vorgehensweisen umdreht.

Bei traditionellen Lehr-Lernansätzen trägt eine Lehrperson vor einer Gruppe von Lernenden die Lerninhalte vor, oft Faktenwissen. Anschließend setzen sich die Lernenden in Einzelarbeit und auf sich alleine gestellt mit dem Gelernten auseinander. Im Gegensatz dazu erarbeiten sich im Inverted Classroom die Lernenden die Lerninhalte eigenständig und asynchron im Rahmen der Selbstlernzeit, anhand von online zur Verfügung gestellten Materialien. In der darauf folgenden Gruppenphase setzen sich die Lernenden dann begleitet von der Lehrperson aktiv mit dem Gelernten auseinander, um das Gelernte anzuwenden, zu vertiefen und dadurch höherwertige Kompetenzen zu entwickeln. Im Idealfall übernimmt die Lehrperson dabei lediglich eine moderierende Rolle, während die Hauptaktivität bei den Lernenden liegt.

Nutzen Bearbeiten

In Lernprozessen ist die betreute Lernzeit in der Gruppe deutlich knapper bemessen als die unbetreute Selbstlernzeit. Entsprechend sollte diese betreute Lernzeit gezielt genutzt werden für Lernschritte, bei denen die Lernenden eine Unterstützung durch die Lehrperson benötigen. Der Erwerb von höherwertigen Kompetenzen im Sinne einer Lernzieltaxonomie ist kognitiv komplexer als das Lernen von Faktenwissen und damit schwieriger für die Lernenden. Im Inverted Classroom fokussiert die betreute Lernzeit daher diese höherwertigen Kompetenzen und setzt damit die Lehrperson gezielt für Lernschritte ein, bei denen die Lernenden Unterstützung benötigen.

Der Ansatz des Inverted Classroom fördert in den Lernenden die Fähigkeit, sich eigenständig Faktenwissen anzueignen und Kompetenzen zu entwickeln und befähigt damit zum lebenslangen Lernen.[1]

Grenzen des Konzeptes Bearbeiten

Das didaktische Konzept des Inverted Classroom erfordert, dass sich die Lernenden in der synchronen Präsenzeinheit durchgängig aktiv mit den Lerninhalten auseinandersetzen, um dabei höhere Kompetenzen im Sinne einer Lernzieltaxonomie zu entwickeln. Es lässt jedoch offen, wie genau diese Aktivierung der Lernenden erreicht werden kann.[1]

Gelingensbedingungen Bearbeiten

Das Flipped Learning Network benennt die folgenden vier Säulen als Erfolgsvoraussetzung:[2]

  • Flexible Umgebung
  • Lernkultur
  • Intentionale Inhalte
  • Professionelle Lehrperson

Beispiele aus dem Hochschulkontext Bearbeiten

Im Hochschulkontext kommt das didaktische Konzept des Inverted Classrooms zunehmend zum Einsatz.

Einer der Vorreiter im deutschsprachigen Raum ist Christian Spannagel, der seit Oktober 2010 seine Lehre als Inverted Classroom gestaltet und dazu für die Selbstlernphasen umfangreiche Lehr-Lernmaterialien auf seinem YouTube-Kanal[3] veröffentlicht.

Für die Fachbereiche Mathematik und Informatik

Literatur Bearbeiten

  • Bowman, Sharon: Training from the Back of the Room. John Wiley & Sons, San Francisco, 2009.
  • Handke, Jürgen; Sperl, Alexander (Hrsg.): Das Inverted Classroom Model. Oldenbourg, München 2012, ISBN 978-3-486-71652-8.
  • Handke, Jürgen: Handbuch Hochschullehre Digital – Leitfaden für eine moderne und mediengerechte Lehre. Tectum Wissenschaftsverlag, 3. Auflage, 2020, ISBN 978-3-8288-4495-7.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Axel Böttcher: Einbindung der Studierenden zur Förderung höherer kognitiver Kompetenzen im Modul Softwareentwicklung. In: Didaktik-Nachrichten. Band 2019, Nr. 06. Zentrum für Hochschuldidaktik (DiZ), 2019, ISSN 1612-4537, S. 24–34 (diz-bayern.de).
  2. Sams, Aaron; Bergmann, Jon; Daniels, Kristin; Bennet, Brian; Marshall, Helaine W.; Arfstrom, Kari M.: Definition of Flipped Learning. In: Flipped Learning Network. 12. März 2014, abgerufen am 23. Juni 2023 (englisch).
  3. Spannagel, Christian: YouTube-Kanal von Christian Spannagel mit Vorlesungen zu Mathematik und Informatik. Abgerufen am 23. Juni 2023.