Wanderhirtenameisen (nur der Ameisen-Gattung Dolichoderus) leben im tropischen Regenwald der südostasiatischen Inselwelt mit ihren Nutztieren (Schmierläusen) in Trophobiose (einer Form der Symbiose) zusammen. Sie sorgen für ihre Trophobionten, indem sie sie vor Bedrohung durch Prädatoren und Parasitoide schützen und zu neuen Futterpflanzen bringen. Dolichoderus sind eine der wenigen Ameisengruppen, die den Bau fester Ameisennester gänzlich aufgegeben haben. Statt dessen bewohnen sie in der Laubregion in Freinestern (vom Typ des Biwaknestes), zusammen mit ihren Trophobionten. Wenn die erreichbare Nahrung (Blätter) knapp wird, verlagern sie ihren Lebensmittelpunkt, tragen ihre Trophobionten mit und errichten an geeigneter Stelle ein neues Biwaknest. Dolichoderus haben sich an die trophobiotische Lebensweise so stark angepasst, dass sie – neben Wander- und Treiberameisen — nicht auf sich gestellt überleben können.

Arten und Gattungen Bearbeiten

15 Ameisen-Arten der Gattung Dolichoderus aus der Unterfamilie der Drüsenameisen leben als Wanderhirtenameisen mit jeweils mindestens einer von 36 Arten aus 11 Gattungen der Schmierläuse in obligatorischer (d. h., keiner der Partner kann ohne den anderen überleben) Trophobiose (d. h., die Ameisen leben von den Absonderungen der Trophobionten).

Viele Ameisenarten der Gattung Dolichoderus können (neben anderen Ameisengattungen) in Trophobiose mit anderen Insekten leben oder andere Pflanzenschädlinge begünstigen, ohne wegen deren Futterstellen auf Wanderschaft zu gehen, also in diesen Fällen nicht als Wanderhirtenameisen (engl.: migrating herdsman) aufzutreten.

Systematik zu Wanderhirtenameisen Bearbeiten

  • Ordnung: Hautflügler (Hymenoptera)
    • Unterordnung: Taillenwespen (Apocrita)
      • Familie: Ameisen (Formicidae)
        • Unterfamilie: Drüsenameisen (Dolichoderinae)
          • Tribus: Dolichoderini
            • Gattung: Dolichoderus - Lund, 1831 (→ en:Dolichoderus)
              • Art: Dolichoderus cuspidatus (Smith, 1857) (auch: Dolichoderus (Diabolus) cuspidatus) in Trophobiose mit Malaicoccus formicarii Takahashi und anderen Malaicoccus spp.[1]
              • Art: Dolichoderus gibbifer (Emery, 1887), in Trophobiose mit Neochavesia caldasiae (Balachowsky 1957)
              • Art: Dolichoderus thoracicus (Smith, 1860) (eng: black cocoa ant), in Trophobiose mit Cataenococcus hispidus. Außerdem Beziehung mit Conopomorpha cramerella, Oecophylla smaragdina und Xylocopa latipes

Die Gattung Dolichoderus ist weltweit in ca. 140 beschriebenen Arten verbreitet,[2] außer im tropischen Afrika, Madagaskar[3] und Antarktis.[4]

In Deutschland ist nur eine einzige Dolichoderus-Art bekannt: die Vierpunktameise (Dolichoderus quadripunctatus), welche kein Wanderhirten-Verhalten zeigt.

Systematik zu Pseudococcidae der Wanderhirtenameisen Bearbeiten

11 Obligat myrmekophile (d. h., auf das Zusammenleben mit Ameisen angewiesene) Pseudococcidae Gattungen mit 36 Arten können nur mit Wanderhirtenammeisen in Trophobiose leben. Einige Coccidae oder Membracidae[1](Hölldobler & Wilson 1990, Maschwitz & Dill 1998) sind gelegentliche Trophobionten.[5][6]

Pseudococcidae stehen in der Familie der Coccoidea, der zahlenmäßig zweitstärksten der [scale insects]. Deren Phylogenese und Verwandtschaftsbeziehungen sind weitgehend unklar.[7]

Trophobiose-Beziehungen Bearbeiten

Trophobiosen zwischen
S\A 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
1 - - + - - - - - - - - - - - -
2 - - - - - + - - - - - - - - -
3 + - - - + - - - - - - - - - -
4 - - - - - - - - - - - - - - -
- - + - - - - - - - - - - - -
36 - - - + - - - - - - - - - - -

Lebensraum und Vorkommen Bearbeiten

Wanderhirtenameisen verschiedener Dolichoderus-Arten leben im tropischen Regenwald der südostasiatischen Inselwelt auf der malayischen Halbinsel[5] (z. B. Dolichoderus cuspidatus). Der tropische Regenwald bietet ständig aufs Neue auskeimende Pflanzen. Sie zu nutzen, erfordert hohe Mobilität. Die nomadisierende Lebensweise stellt eine hohe Anpassung an das Biotop dar und ermöglicht eine besonders gute Nutzung der vielfältigen Möglichkeiten, da der Einfluss von Jahreszeiten hier Pflanzenneuwuchs wenig koordiniert, denn weitgehend unabhängig voneinander und über das ganze Jahr verteilt findet ständig neues Pflanzenwachstum statt.

Lebensweise Bearbeiten

Biwaknest Bearbeiten

Freinester[8] vom Typ des Biwaknestes (engl.: bivouac nest). Biwaknester sind faust- bis kindskopfgroße Zusammenballungen der Tiere mit ihren Trophobionten.[9][5] Sie bestehen aus Ansammlungen von Arbeitern, die sich aneinander klammern und Brut und Trophobionten umhüllen.[1][5] Außer den Tierkörpern wird kein Baumaterial verwendet. Das Nest befindet sich in Bodennähe zwischen Blättern oder in Boden- oder Holzhöhlungen, aber auch frei zwischen Ästen hängende Nester kommen vor.[1]

Staatengröße Bearbeiten

Auszählungen mehrerer Nester von Dolichoderus cuspidatus ergaben einen Bestand von mindestens 10.000 Arbeitern, etwa 4000 Larven und verpuppten Ameisen, über 5000 Schmierläusen und einer (d. h. monogyner) Ergatogyne (d. h. arbeiterinähnliche Königin). Männliche geflügelte Ameisen konnten in großer Zahl während der Trockenperiode (Januar — Februar) und während der Monsunperiode (September — Oktober) beobachtet werden.[1] Die Kolonien vermehren sich durch Teilung.[1]

Ernährung Bearbeiten

Im Umkreis von 25 m um das Biwaknest werden die Trophobionten durch die Ameisen intensiv gepflegt.[1] Solange ausreichend Futterpflanzen in der Nähe sind, betätigen sich die Ameisen primär darin, Honigtau von ihren Trophobionten einzusammeln und sie zu beschützen oder sie an geeignete junge Pflanzen umzusetzen.[1] Weder Jagd auf andere Tiere noch Sammeln anderer Nahrung konnte beobachtet werden, allerdings wurden aufgefundene tote Insekten verzehrt.[1]. Nachts und manchmal auch tagsüber bleiben die Ameisen im Nest.[1]

Die Trophobiose ist für Dolichoderus cuspidatus obligat. Ihrer Trophobionten beraubt, finden sie im Wettbewerb mit anderen Ameisen nicht genug Nahrung.[1]

Die Schmierläuse Malaicoccus formicarii können viele Futterpflanzen der Dicotylen und Angiospermen zu Nahrungszwecken nutzen, saugen aber nur den Phloemsaft junger Triebe, der reich an Aminosäuren ist.[1] Auf Betrillern durch Ameisen geben sie Honigtau ab, in für viele aphiphile Trophobiosen typischer Weise. Schmierläuse der Gattung Malaicoccus sind lebendgebärend.[1]

Schmierläuse finden sich auch im Ameisennest, insbesondere befruchtete adulte weibliche Tiere.[1]

Schutzverhalten Bearbeiten

Bei Regen bilden die Ameisen mit ihren Körpern ein wasserabweisendes Schutzdach über ihren Trophobionten, beobachtet für Dolichoderus cuspidatus und Malaicoccus formicarii.[1]

Transport- und Wanderverhalten Bearbeiten

Während die Schmierläuse durch Ameisen getragen werden, verhalten sich beide Arten in typischer Weise. Dies geschieht beim Umsetzen auf neue Pflanzen in der Nähe des Nestes, bei Wanderungen und bei Störungen, aber auch ohne ersichtliche Veranlassung.[1]

Wanderungen finden nicht in saisoabhängigem Rhythmus statt,[5] sondern dienen dazu, neue Standorte der bevorzugten Laubhölzer zu erreichen, um frisches Laub innerhalb 25 m vom Nest zur Verfügung zu haben. Auch können sie durch Störungen oder Änderungen des Mikroklimas ausgelöst werden.[1]

Wanderungen zu einem neuen Standort verlaufen als geordnete Massenprozessionen; etwa 10 % der Ameisen tragen Schmierläuse.[1]

Schmierläuse können bei Etappenzielen (engl. intermediate depots) abgesetzt werden und verharren dort, bis sie von den Ameisen auf neue Futterpflanzen ausgesetzt werden.[1] Späherinnen der Ameisen suchen nach jungem pflanzlichem Gewebe und setzen dort probeweise Läuse ab. Nehmen die Läuse die Nahrung an und produzieren Honigtau, so werden weitere Läuse an die Saugstelle gebracht.(Spektrum)

Literatur Bearbeiten

Siehe auch Bearbeiten

Glossar Bearbeiten

  • Aphiphilie: Ameisen leben mit Blattläusen in Trophobiose
  • Coccidophilie:[10] Ameisen leben mit Schildläusen in Trophobiose
  • Mutualismus: Wechselbeziehung zwischen Lebewesen zweier Arten, aus der beide Partner Nutzen ziehen
  • Myrmekophilie: Eine Lebewesen-Art lebt symbiontisch mit Ameisen
  • Symbiose: Vergesellschaftung unterschiedlicher Lebewesen-Arten (D: mit Nutzen für beide Partner, USA: auch ohne beiderseitigen Nutzen)
  • Trophobiose: Ameisen ernähren sich von den Absonderungen ihrer Trophobionten

Einzelbelege Bearbeiten

<references> [1] [5] [6]

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u Ulrich Maschwitz, Heinz Hänel: The migrating herdsman Dolichoderus (Diabolus) cuspidatus: an ant with a novel mode of life. In: Behavioral Ecology Sociobiology, Band 17, Nr. 2, 1985, S. 171—184 doi:10.1007/BF00299249
  2. Encyclopedia of Life
  3. B. Bolton: A new general catalogue of the ants of the world, herausgegeben von Harvard University Press Cambridge Massachusetts, London England, 1995 [1]
  4. Online Catalog of the North American Ants
  5. a b c d e f g Jacques H. C. Delabie: Trophobiosis between Formicidae and Hemiptera (Sternorrhyncha and Auchenorrhyncha): an overview. In: ' Neotropical Entomology, Band 30, Nr. 4, 2001, doi:10.1590/S1519-566X2001000400001
  6. a b D. J. Williams. The anomalous ant-attending mealybugs (Homoptera: Pseudococcidae) of south-east Asia. In: Entomology Series, Band 37, Nr. 1, 1978 [2]
  7. D. A. Downie: Phylogenetic analysis of mealybugs (Hemiptera: Coccoidea: Pseudococcidae) based on DNA sequences from three nuclear genes, and a review of the higher classification. In: Systematic Entomology, Band 29, 2004, S. 238–260, doi:10.1111/j.0307-6970.2004.00241.x
  8. Andreas Weißflog: Freinestbau von Ameisen (Hymenoptera: Formicidae) in der Kronenregion feuchttropischer Wälder Südostasiens. Dissertation am Fachbereich Biologie und Informatik, J. W. Goethe-Universität in Frankfurt am Main, 2001
  9. U. Maschwitz, H. Hänel: Dolichoderus cuspidatus: the first nomadic ant. In: Nature Malaysiana, Band 11, Nr. 1, 1986, 18—23
  10. Gustav H. Bünzli: Untersuchungen über coccidophile Ameisen aus den Kaffeefeldern von Surinam. In: Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft, Band 56, Nr. 6/7, 1935 doi:10.3929/ethz-a-000099183


Noch nicht ausgewertetes Material Bearbeiten

Text ungenutzt Bearbeiten

Laubschütte der Wirtspflanzen

wiss.Lit.(51 Stellen): Dolichoderus / "migrating herdsman" Bearbeiten

[3]

wiss.Lit.(126 Stellen): Dolichoderus / Pseudococcidae Bearbeiten

[4]

wiss.Lit.(alles): Wanderhirten / Ameisen Bearbeiten

wiss.Lit.(alles): Dolichoderus / biwak Bearbeiten

Google(alles): Wanderhirten / Ameisen / Trophobiose Bearbeiten

Recherchen zu Dolichoderinae liegen außerhalb des Themas !! Bearbeiten

wiss.Lit.(E, 2800 Fundstellen): Dolichoderinae Bearbeiten

Rechercheergebnisse grob nach Qualität geordnet, aber Qualität liegt im Auge des Betrachters, wonach er sucht.

Recherchlisten enthalten auch Redundanzen.

wiss.Lit.(D): Dolichoderinae / Kartonnest (alles) Bearbeiten

(auf englisch (Dolichoderinae / cartonnest): 47 Funde)

wiss.Lit.: Dolichoderinae / aphidophil (alles = 1) Bearbeiten

The role of the ant in the biological control of homopterous insects

wiss.Lit.(E): trophobiont / formicidae / review (180 Funde) Bearbeiten

Diese Recherche sollte weitere Gattungen / Familien entdecken. Ergibt viele interessante Artikel, aber keine Klarheit. Benötige also engl. Term für „Wanderhirtenameisen“.