Benutzer:Gamze Görgülü/Arbeitsseite (SU 2019)

Rezeption der Trümmerfrauen-Denkmäler in Österreich

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Trümmerfrau

Das Trümmerfrauen-Denkmal ist ein Memorial für die Trümmerfrauen, die nach dem Zweiten Weltkrieg an den Aufräumungsarbeiten beteiligt waren und existiert in Österreich bisher nur einmal seit 2018 in der Hauptstadt Wien auf der Mölker Bastei im Ersten Bezirk. Initiiert wurde der Denkmalbau von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Ein zweites Trümmerfrauen-Denkmal mit dem Standort in der steirischen Landeshauptstadt Graz wurde beantragt und wird diskutiert. Die Rezeptionen dieser Denkmäler sind unterschiedlich und Auslöser für einen politisch-medialen Diskurs.

Kritischer Zugang zur Thematik

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Die ehemalige Auffassung der "solidarischen österreichischen Wiederaufbaugesellschaft mit ihren selbstlosen und motivierten" Helfern, die als Trümmerfrauen bezeichnet werden, entspricht nicht zu hundert Prozent der Realität. [1]

Der Begriff Trümmerfrau hat eine historische Umdeutung erfahren. 1945 bezeichnete man jene als Trümmerfrauen, die "aufgrund ihrer organisierten nationalsozialistischen Vergangenheit von den Alliierten zu Aufräumarbeiten zwangsweise herangezogen wurden." Die Tatsache, dass diese beispielsweise ein durchgestrichenes Hakenkreuz auf der Kleidung sichtbar tragen mussten, wird in sehr wenigen Bilddokumenten gezeigt. [2] Mit der Zeit wurde die konkrete Bedeutung aus dem alltäglichen Wissen gestrichen, "als 'Trümmerfrauen' werden in der offiziellen Gedenkpolitik und vor allem in der mächtigen Bildpolitik alle Frauen bezeichnet, die am Wiederaufbau Österreichs beteiligt waren." [3]

Grundsätzlich war der Anteil der freiwilligen Beteiligung am Trümmerräumen nicht sehr hoch. Viel mehr waren ehemalige Unterstützer des NS-Regimes seitens der Alliierten dazu gezwungen, sich an den Arbeiten zu beteiligen. Neben den ehemaligen Nationalsozialistinnen und -sozialisten, die Strafarbeit verrichten mussten, halfen auch wenige freiwillige Trümmerfrauen mit, jedoch aus einem ganz anderen Grund, denn für das freiwillige Trümmerräumen erhielt man bessere Lebensmittelkarten. [1]

 
Trümmerfrauen-Denkmal auf der Mölker Bastei in Wien

Der kritische Zugang zum Thema Trümmerfrauen ist auch bei Historikerinnen und Historikern stark verbreitet. Brigitte Bailer, die ehemalige Leiterin des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, kritisiert das große Ansehen der erbrachten Leistung: "Was war denn die großartige Leistung? Den Schutt zu beseitigen?"

Ela Hornung-Ichikawa, Zeithistorikerin und Psychoanalytikerin, steht dem Thema ebenfalls skeptisch gegenüber und betont den Anteil von Nationalsozialistinnen unter den Trümmerfrauen: "Ja, es gibt die Fotos von den Frauen, die auf den Trümmern stehen und harte Männerarbeit verrichten. Darunter waren Frauen, die freiwillig aus der Not mitgeholfen haben. Es gab aber auch die anderen, nämlich Nationalsozialistinnen, die von Gesetz her dazu gezwungen wurden, Aufräumungsarbeiten zu verrichten."

Auch Eva Blimlinger, ehemalige Rektorin der Akademie der bildenden Künste, behandelt das Thema kritisch und mit Vorsicht: "Unter den Trümmerfrauen waren viele, die mitverantwortlich waren, dass es die Trümmer gab." Die Frauen mussten zu der Zeit zwar die Arbeit der Männer verrichten, jedoch unterscheiden sich hier die historischen Fakten zwischen Österreich und Deutschland, da dies in Österreich nur eine kurze Phase darstellt, weil es "hierzulande wenige Spätheimkehrer" gab. [4]


Politisch-medialer Diskurs

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Das Trümmerfrauen-Denkmal auf der Mölker Bastei in Wien befindet sich auf einem privaten Grundstück [5] des Investors Siegmund Kahlbacher, der ebenso den finanziellen Aufwand des Denkmalbaus in der Höhe von 60.000 Euro übernahm. Vor der Errichtung stand die Stadtregierung und -verwaltung Wien, sowie die Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) diesem sehr kritisch und ablehnend gegenüber - somit wird das Denkmal von der Stadt Wien nicht in Obhut genommen [6] und ist somit auch nicht für die Pflege zuständig. [7] Der Grund für die Ablehnung liegt hier in der - in den letzten Jahren zunehmenden - wandelnden Betrachtung der Trümmerfrauen, die Wichtigkeit eines "historisch korrekten Blicks" steht hier im Vordergrund. Die Stadt Wien will "zu einem undifferenzierten historischen Blick" beitragen und das Schicksal jener Frauen, die den Nationalsozialismus nicht überlebt haben, in den Fokus stellen. Die kritische Stimmung hält auch nach der Errichtung und Enthüllung an. [6]

 
Mölker Bastei (Richtung Nordosten)

Nationalratsabgeordneter Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (Neos) kritisiert die musikalische Einlage bei der Enthüllungsveranstaltung des Trümmerfrauen-Denkmals in der Mölker Bastei. Diesbezüglich wurde an den steirischen Freiheitlichen Mario Kunasek eine parlamentarische Anfrage gestellt, in der der Hintergrund zur Anordnung zum Auftritt der Gardemusik und die diesbezüglichen Kosten infrage gestellt wird: "Wenn die Gardemusik zu Privatveranstaltungen kommt, ist die Frage: Zu welchen Kriterien? Heißt das, wenn ich die Gardemusik zu meinem Geburtstag einlade, dass sie kostenlos kommt?" Die Neos kritisieren hier die staatliche Finanzierung von Privatveranstaltungen. Die Vorwürfe wurden von der FPÖ zurückverwiesen, da es sich hier um keine private Veranstaltung gehandelt hat, da "nahezu die gesamte FPÖ-Regierungsmannschaft vor Ort war." Ebenso seien sowohl Regierung als auch Parlament auch vertreten gewesen, da die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) anwesend war. Das Trümmerfrauen-Denkmal ist auf privatem Boden, jedoch habe die Veranstaltung ein Ereignis "auf öffentlichem Grund". [8]

 
Gerhard Kurzmann (FPÖ)

Für die Errichtung eines Trümmerfrauen-Denkmals in der steirischen Landeshauptstadt Graz wurde vom dritten Landtagspräsidenten Gerhard Kurzmann (FPÖ) ein Antrag gestellt, welcher ebenso eine politisch-mediale Debatte ausgelöst hat[9]: „Es gilt auch in Graz jenen Frauen zu gedenken, die mit bloßen Händen ihre Heimat vom Schutt und den Trümmern des Krieges befreiten und dabei noch zusätzlich ihre Familien und Kinder versorgten. Sie stehen symbolisch für die Leistung dieser Generation und für den Wiederaufbau unserer Republik. Welche menschlichen Entbehrungen dahinterstanden, kann aus heutiger Sicht kaum mehr nachvollzogen werden. Umso mehr gilt es, der Aufbaugeneration auch in der Landeshauptstadt durch die Errichtung eines Denkmals Dank und Anerkennung auszusprechen“ Im Antrag wird die Haltung der Allgemeinheit kritisiert, etwa wie, dass alle "Anstrengungen, den Trümmerfrauen die notwendige Anerkennung zuteilwerden zu lassen" ins "Leere" gegangen sind. Die Freiheitliche Partei in der Steiermark fordert die Landesregierung auf, in Zusammenarbeit mit der Landeshauptstadt Graz einen "angemessenen Standort für ein Denkmal für die Trümmerfrauen sicherzustellen, die für die Aufstellung benötigten finanziellen Mittel – unter Einbeziehung möglicher Privatinitiativen – bereitzustellen". [9]

Wolfgang Dolesch, Kultursprecher der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, kritisiert diese Anforderung: "Abgesehen davon, dass wir ja wissenschaftlich belegt wissen, dass hier vor allem auch NS-Frauen verpflichtet worden sind, soll hier wohl wieder emotionalisiert und in Richtung Blut, Boden, Vaterland und Ehre heroisiert werden. Das passt zum Geschichtsbild der FPÖ." Auch SPÖ-Klubchef Hannes Schwarz gibt an, dass solch ein Denkmal nicht notwendig ist.

Kulturlandesrat Christopher Drexler (ÖVP) steht dem Denkmalbau skeptisch gegenüber: "Ich bin zwar grundsätzlich erfreut, wenn Landtagsfraktionen kulturpolitische Initiativen setzen, aber bevor man daran denkt, ein Denkmal für sogenannte Trümmerfrauen vorzuschlagen, muss es zuvor eine eingehende wissenschaftlich-historische Bewertung geben. So ein Denkmal ist, wenn, dann nur in einem historischen Kontext möglich und sollte nicht von einer Partei vereinnahmt werden." [9]

Die Stadträtin der Grünen in Graz, Tina Wirnsberger, kritisiert das Vorhaben der Freiheitlichen Partei in der Steiermark: "Sollen sie sich damit beeilen, der steirischer herbst hat dafür aktuell den passenden Standort parat." Damit ist die Aktion der japanischen Künstlerin Yoshinori Niwa gemeint. Hier werden Gegenstände aus der Zeit des NS-Regimes in einem Container am Hauptplatz entsorgt - ganz nach dem Motto "Fragwürdige Vergangenheit? Einfach weg damit!"[10]

Für Brigitte Bailer, die ehemalige Leiterin des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstands, ist alles eine populistische Inszenierung der FPÖ. [4]


Seitens der Freiheitlichen Partei Österreichs war in diesem Diskurs oftmals die Rede der ehemaligen DDR, welches vorbildlich betrachtet wird, da auch dort ein Denkmal für die Würdigung der Trümmerfrauen errichtet wurde. Heinz-Christian Strache (FPÖ) bestreitet medial, dass die meisten Frauen als Opfer betrachtet werden können und nicht als ein Teil des NS-Regimes. Die Tatsache, dass Frauen unter grauenhaften Umständen mit "bloßen Händen" Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg wiederaufgebaut haben, verdiene ein Denkmal.

 
Trümmerfrauen-Denkmal auf der Mölker Bastei in Wien

Funktionalität in der Kulturvermittlung

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Grundsätzlich wird das Trümmerfrauen-Denkmal in Wien in der Stadtführung kaum bis gar nicht wahrgenommen, der Stellenwert in der touristischen Stadtführung und Kulturvermittlung ist hier somit sehr gering. Ein direktes Interesse gegenüber dem Denkmal auf der Mölker Bastei ist durchaus schwer festzustellen, welches am fehlenden Wissen an der Vorgeschichte liegt. Desinteresse und Passivität können vor allem bei einer expliziten Deutung auf das Denkmal festgestellt werden, da hier verwunderte Reaktionen ausgelöst werden, da es eine Auseinandersetzung bzw. Konfrontation mit dieser Thematik zuvor nicht gegeben hat. [5]

Die Funktionalität der Trümmerfrauen-Denkmäler können durchaus eine Chance sein, Menschen die Geschichte näherzubringen und dazu anzuregen, den Denkmalbau auch aus einer kritischen Perspektive zu betrachten, unterschiedliche Meinungen zu bilden und sich für das Thema in gewisser Weise zu engagieren.

Literatur

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  • Thurner, Erika, Eppel, Peter, Historisches Museum der Stadt Wien: Frauenleben 1945: Kriegsende in Wien. Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien. 1995.
  • Pohn-Weidinger, Maria: Heroisierte Opfer. Bearbeitungs- und Handlungsstrukturen von "Trümmerfrauen" in Wien. 2. Auflage. Wiesbaden: Springer VS. 2014.


Einzelnachweise

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  1. a b Mythos Trümmerfrau. War of Pictures, abgerufen am 27. September 2019.
  2. Thurner, Erika., Eppel, Peter., Historisches Museum der Stadt Wien.: Frauenleben 1945 : Kriegsende in Wien. Eigenverlag der Museen der Stadt Wien, Wien [1995], ISBN 3-85202-121-9 (worldcat.org [abgerufen am 30. September 2019]).
  3. Pohn-Weidinger, Maria.: Heroisierte Opfer Bearbeitungs- und Handlungsstrukturen von "Trümmerfrauen" in Wien. 2. Aufl. 2014. Imprint: Springer VS, Wiesbaden 2014, ISBN 978-3-658-04219-6 (worldcat.org [abgerufen am 30. September 2019]).
  4. a b Historikerinnen gegen Wiener Denkmal für Trümmerfrauen. Der Standard, 1. Oktober 2018, abgerufen am 27. September 2019.
  5. a b Email-Konversation mit Barbara Wolflingseder, Österreichische Fremdenführerin, https://www.wolflingseder.at/. 27. September 2019.
  6. a b „Trümmerfrauen“: Stadt Wien auf Distanz zu Denkmal. Die Presse, 1. Oktober 2018, abgerufen am 27. September 2019.
  7. Endlich Würdigung für die Trümmerfrauen. Freiheitliche Partei Österreichs, 2. Oktober 2018, abgerufen am 27. September 2019.
  8. Trümmerfrauen-Denkmal: Neos hinterfragen Auftritt der Gardemusik. Der Standard, 3. Oktober 2018, abgerufen am 27. September 2019.
  9. a b c Die steirischen Blauen hätten jetzt auch gerne eine "Badende". Der Standard, 4. Oktober 2018, abgerufen am 27. September 2019.
  10. Aufregung: FPÖ fordert Denkmal für "Trümmerfrauen" in Graz. 4. Oktober 2018, abgerufen am 27. September 2019.