Kritik am IWF kommt von der politischen, zivilgesellschaftlichen und wissenschaftlichen Ebene. Es ist weder einfach alle beteiligten Akteure auszumachen, noch zu unterscheiden, ob sie sich in ihrer Kritik direkt gegen den IWF wenden oder gegen andere Phänomene wie z.B. den Neoliberalismus allgemein, den Washington Consensus oder Kritik gegen die Globalisierung. Die Hauptkritik richtet sich vor allem gegen sogenannten Strukturanpassungsprogramme, die als Grundlage für IWF- Kredite gelten. Im Zuge dieser Strukturanpassungen werden Kreditempfänger angehalten bestimmte wirtschaftspolitische Richtlinien zu verfolgen, die eine finanzpolitische Stabilität garantieren und somit die Solvenz des Kreditnehmers wiederherstellen sollen.

Poltische Kritik

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Allgemein

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Auf der politischen Ebene gibt es keine deutliche Eingrenzung der Akteure, da selbst ehemalig homogene Politiklager eine Spaltung erfahren. Unter den Kritikern stehen dabei allgemeine Skeptiker gegenüber der Wirtschaftspolitik der großen IFIs sowie moderatere Kritiker die lediglich einige Forderungen anderer politischer Akteure befürworten (z.B. einen umfassenden Schuldenerlass für Entwicklungsländer). Eine eindeutige Zuordnung zum linken oder rechten politischen Lager ist daher nicht möglich und erscheint auch nicht besonders sinnvoll, da die neuen Proteste nur teilweise klassischen Denkkategorien von „Links“ und „Rechts“ folgen.

Willy Brand äußerte sich bereits 1985 kritisch als er bemerkte:

„Wenn der IWF kommt ist es schlimm- kommt er nicht oder erst zu spät, ist es noch schlimmer“[1]

Aber auch die fraktionsunabhängige und damit parteienübergreifende Enquete- Kommission des deutschen Bundestags bemerkte 2002:

„es ist dem IWF zu Recht vorgeworfen worden, mit seiner Restriktionspolitik (...)- besonders im Verlauf der Asienkrise- (...) das destabilisierende Potenzial der Kapitalmärkte institutionell gefördert zu haben.“ [2]

Viele Länder der sog. G7 (G8 ohne USA) nehmen eine grundsätzlich kritische Position ein und plädieren seit längerer Zeit für eine umgreifendere Reform mit einer Regulierung und Überwachung der Finanzmärkte und somit auch für einen Politikwechsel des IWF.[3]

Besonders Politiker aus Ländern die von den Maßnahmen des IWF direkt betroffen sind, äußern sich besonders kritisch. Sie beklagen die harten Auflagen und die problematischen wirtschaftlichen und sozialen Folgen die durch Strukturanpassungen aufkommen. [4]

Dabei stehen sie jedoch auf schwierigem Posten, da sie in Notsituationen nach wie vor auf die Hilfe des IWF angewiesen sind und somit ihre kritische Disposition nicht in konkrete politische Taten umsetzten können.[5]Diplomatische Zurückhaltung ist somit häufig ein Kennzeichen der Machtasymmetrie im internationalen Finanzsystem. Trotzdem haben sich auch auf dieser Ebene große politisch aktive Gruppen herausgebildet, die eine grundlegende Reform des IWF fordern, so z.B. die Economic Comission for Latin America and the Carribean (ECLAC), die Division on Transnational Corporations and Investment der United Nations Conference on Trade and Developement (UNCTAD) sowie einzelne Teile der Weltbank.

Legitimierungsdefizit und Rechenschaftsdefizit

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William Easterly und andere werfen dem IWF fehlende Legitimierung und Rechenschaftspflicht vor. Die fehlende Legitimierung ergebe sich vor allem daraus, dass der IWF immer neue Tätigkeitsbereiche zukommen, die ihm im Vertrag der Bretton-Woods Konferenzen nicht zugeschrieben wurden. [6]

Demokratisches Defizit und ungerechte Stimmverteilung

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Dem IWF wird vorgeworfen über eine ungerechte Stimmverteilung innerhalb des Fonds zu verfügen. Die ungerechte Stimmverteilung garantiere, dass die wirtschaftspolitischen Vorstellungen der mächtigen Geldgeber auf dem Rücken anderer durchgesetzt werden würden. So kontrollieren beispielsweise die USA als größter Einzahler mit ca. 16.77% der Stimmanteile den Fond, während kleinere Einzahler wie Angola nur 0.13% der Stimmanteile innehaben.[7]Außerdem werde die Stelle des Vorsitzenden nur durch Europäer besetzt, was ein Ausdruck der Machtasymmetrie sei. Vor allem die Rolle der USA als Sperrminorität wird dabei heftig kritisiert, das sie so bestimmen könnten, was auf der Tagesordnung stehen könne und was nicht.[8] Befürworter der Quotenregelung entgegnen jedoch häufig, dass dieser Kritikpunkt nicht stichhaltig sei, da der IWF kein Parlament sondern ein Fonds, ähnlich einer Bank ist. In einem Fond sei es üblich, dass der stärkste Beitragszahler das Sagen hat und darüber entscheidet, was mit den zu verwendenden Geldern passiert. Wäre dies nicht der Fall, so würde er schnell durch das Übergewicht der „Wenigzahler“ ausgeplündert werden. Da die USA zum Zeitpunkt der Bretton- Woods Konferenzen die mit Abstand wichtigste politische und wirtschaftliche Macht waren, sei die Machtverteilung im Fond gerechtfertigt. Ein Gegenargument der Kritiker lautet daraufhin, dass der Fond nicht mit einer normalen Bank vergleichbar sei, da er im Finanzsystem eine monopolistische Sonderposition einnehme. [9]

Bevormundendes Auftreten

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Der Vorwurf für bevormundendes Auftreten seitens des IWF findet sich in starker oder schwacher Form in vielen kritischen Schriften wieder. Bemängelt wird dabei vor allem, dass der IWF den einzelnen Regierungen und der Zivilbevölkerung nicht zutraue, die notwendige Kompetenz zur Lösung ihrer wirtschaftspolitischen Probleme selbst zu besitzen.[10]

Wissenschaftliche Kritik

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Allgemein

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Die wissenschaftliche Kritik bildet oftmals die Grundlage politischer Kritik. Einzelne politische Lager berufen sich somit auf unterschiedliche Erkenntnisse und Theorien innerhalb der Wissenschaften. Von wissenschaftlicher Seite kann man zunächst zwischen wirtschaftswissenschaftlicher Kritik und sozialwissenschaftlicher Kritik unterscheiden. Während die wirtschaftswissenschaftliche Kritik sich dezidiert mit den wirtschaftspolitischen Modellen des IWF, deren Funktionsweise und Anwendbarkeit auseinandersetzt, zielt die sozialwissenschaftliche Kritik eher auf die sozialen Folgen der implementierten Wirtschaftspolitik ab.

Wirtschaftswissenschaftliche Kritik

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Die Wirtschaftswissenschaftliche Kritik richtet sich vor allem gegen den sog. Washington Consensus der laut den Kritikern die wichtigste Grundlage für die Wirtschaftspolitischen Richtlinien des IWF darstellt. Der Washington Consensus wiederum basiert v.a. auf Annahmen neoliberaler und neoklassischer Wirtschaftspolitik. Kritisiert werden hierbei vor allem die Forderung nach Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung.

Kapitalmarktliberalisierung

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Aus Sicht des (Post- / Finanz-) Keynesianismus ist die Liberalisierung des Kapitalmarktes als sehr gefährlich einzustufen, da sie das Potential für Wirtschaftskrisen in sich birgt. Die Anhänger von Keynes gehen v.a von der Irrationalität der Investoren und der Instabilität der Geldflüsse aus. Ihr Hauptinteresse liegt also in der Wahrung der Finanzmarktstabilität. In Hinsicht auf den IWF merken sie an, dass ja gerade dies die Aufgabe der Institution sein sollte und Keynes als ihr Vater anzusehen ist. Keynes bezeichnete die Stimmungsumschwünge auf deregulierten Finanzmärkten als animalische Geister und bemerkte:

(...)A large proportion of our positive activities depend on spontaneous optimism rather than on a mathematical expectation (...)[11]

Keynes Aussage, dass Investoren irrational handeln, stellt damals wie heute einen starken Gegensatz zur klassischen Nationalökonomie dar. Neuere Unterstützung erhält dieses Argument durch Erkenntnisse der Finanzpsychologie, in der z.B. Urteilsheuristiken als Grundlage für finanzielle Entscheidungen analysiert werden.

Stiglitz und andere Wissenschaftler beziehen diese grundsätzlichen Annahmen mit ein, erweitern sie jedoch vor allem durch Argumente der Informationsökonomik, nach denen die Prämissen des neoklassischen Modells, nicht mehr gültig sind.Stieglitz geht ins seinen Arbeiten dabei vor allem von Intransparenz und unvollkommener Markt-Information, aus und wendet sich damit entschieden gegen zwei weitere Prämissen des neoklassischen Modells.[12] In Anbetracht dieser Tatsache sei es unmöglich, dass Finanzmärkte sich selbst regulieren. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Informationsasymmetrien ausgenutzt werden würden und somit großen volkswirtschaftlichen Schaden anrichten.[13]

Eine weitere Prämisse, die laut Stiglitz et al nicht nachvollziehbar sei, ist die Tatsache dass im neoklassischen Modell des IWF Vollbeschäftigung herrsche. Nicht nur dass diese Tatsache v.a. in Entwicklungsländer vollkommen aus der Luft gegriffen scheint, negiert sie zusätzlich die Notwendigkeit antizyklischer Wirtschaftspolitik. [14]Die Forderung des IWF nach prozyklischer Wirtschaftspolitik sei gerade in armen Ländern verheerend, da sie nicht nur die sozialen Kosten nach oben treibt sondern zusätzlich die Länder politisch destabilisiert. [15]

Des Weiteren kritisieren Stiglitz und andere Wissenschaftler vor allem Short-Time Capital Flows also kurzfristige und schnelle Kapitalbewegungen die auf deregulierten Finanzmärkten großen Schaden anrichten können. So soll nach Meinung einiger Wissenschaftler die Asienkrise vor allem durch Hot Money verursacht worden sein, dass erst durch eine tief greifende Deregulierung der Finanzmärkte ungehindert zirkulieren konnte. Die Rolle des IWF in der Asienkrise wurde daher ausgiebig und von vielen Seiten kritisiert. Laut Stieglitz et al. sind Short-Time Capital Flows gerade deshalb so gefährlich, weil sie konträr zu den Annahmen des IWF nicht antizyklisch sondern prozyklisch auftreten und somit Krisen verschärfen. Stiglitz unterlegt seine Argumente anhand theoretischer und empirischer Beobachtungen. [16]

Weiterhin stehen ebenfalls die Liberalisierung langfristiger Kapitalflüsse für ausländische Direktinvestitionen in der Kritik. Hauptargument ist dabei, dass ausländische Direktinvestitionen v.a. in die Rohstoffindustrie fließen und somit geringe gesamtgesellschaftliche Wohlfahrtseffekte zu verzeichnen sind. Der SAPRI Report [17] merkt außerdem an das häufig die institutionelle Infrastruktur fehle, die einen funktionierende Kapitalmarktliberalisierung ermöglichen soll. So kommt es beständig dazu, dass nationale Eliten und ausländische Investoren massiv profitieren und die Liberalisierungsprozesse manipulieren. Die Folge der Kapitalmarktliberalisierung sei somit häufig eine größere Ungleichverteilung bei gleichzeitig geringerer Gesamtliquidität für die breite Bevölkerung.

Die SAPRIN Gruppe sieht Kapitalmarktliberalisierungen als größtes Problem der Strukturanpassungen durch IWF (und Weltbank). Folgende empirische Beobachtungen ergänzen ihre Position:

  • steigende Spekulationen bei abnehmenden Investitionen in langfristig produktive Güter
  • Fehlende Entwicklungsfinanzierung
  • Kapitalflucht
  • Banken- und Finanzkrisen
  • Starker Anstieg der Zinssätze und daher Fehlallokationen des Kapitals
  • Ineffizienz, Korruption, Instabilität, Exklusion und Marginalisierung armer Bevölkerungsgruppen vom Geldmarkt durch entstehende oligopolistische Strukturen.

Die UNCTAD bemerkt für das Jahr 2000, dass trotz umfassender Strukturanpassung und Liberalisierung des Kapitalmarktes weniger als 1% des weltweiten Investitionsvolumens in das subsaharische Afrika gehen. Die UNCTAD schließt daraus, dass die Liberalisierung der Kapitalmärkte in den Entwicklungsländern nicht die vom IWF versprochenen positiven Effekte hervorbringen würde. [18]

Handelsliberalisierung

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Eine weiterer Kritikpunkt sind die vom IWF geforderten Handelsliberalisierungen in Schwellen- und Entwicklungsländern. Laut UNCTAD haben die 43 am wenigsten entwickelten Länder haben in den letzten 20 Jahren mehr Handelsschranken abgebaut als alle anderen Entwicklungsländer zusammen. Trotzdem hat dies nicht zu den erwünschten Wachstumseffekten und der Reduzierung der Armut geführt. Im Gegenteil ist in vielen Ländern die Armut gestiegen und das Wachstum deutlich hinter den Prognosen zurück geblieben. [19]

Es wird argumentiert, dass eine überstürzte Liberalisierung der Märkte den Unternehmen nicht die notwendige Zeit zur Anpassung an die neue Weltmarktsituation gibt. Wirtschaftshistoriker zeigen in diesem Zusammenhang auf, dass die heutigen Industrienationen einen sehr viel längeren, zyklischen Liberalisierungsprozess hinter sich haben. Zölle wurden schrittweise und separiert gesenkt oder waren aufgrund der geringen Verflechtungen noch nicht notwendig. Aussichtsreiche Industriezweige wurden zunächst geschützt, um sie dann allmählich auf den Markteintritt vorzubereiten.[20] Die wichtigste Frage aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht sei daher nicht das für oder gegen Freihandel sondern das wie.

Der SAPRI Report meldet als weitere Negativfolgen der Handelsliberalisierung :

  • die Exporte wachsen geringer als erwartet und auch nur partiell in einigen Sektoren die v.a. durch eine geringen Bearbeitungsgrad gekennzeichnet sind
  • Von der Marktöffnung sind vor allem kleine und mittelständische Betriebe besonders hart betroffen, da sie mit der ausländischen Konkurrenz nicht mithalten können.
  • Häufig steigen die Importe von Konsumgütern und die Handelsbilanz verschlechtert sich. Es tritt also der adverse Effekt zu den Prognosen des IWF auf.
  • Ein Wandel in den Besitzstrukturen im industriellen Sektor findet zugunsten ausländischer Unternehmer statt
  • Wohlfahrtsgewinne entstanden v.a. für ausländische Unternehmer. Inländische Produzenten hätten das Nachsehen.
  • Der informelle Handel und der länderübergreifende Handel mit illegalen Waren wuchs stark an
  • Informelle Beschäftigungsverhältnisse nahmen zu
  • Die Reallöhne sanken
  • Die Einkommensungleichheit stieg an. [21]

Privatisierung

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Auch die Privatisierung wird teilweise hart kritisiert. So sollen in vielen Ländern die Qualität und Verfügbarkeit öffentlicher Güter abgenommen haben. Gleichzeitig stiegen jedoch häufig die Verbraucherpreise. Vor allem bei grundlegend bedeutenden Gütern (Strom, Wasser, Bildung etc.) wurde dies heftig kritisiert.[22]

Finanzkrisen, die Rolle des „lender of last ressort“ und die Problematik des Bail Out

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Vor allem für seine Rolle in den Finanzkrisen innerhalb der letzen 15 Jahre (Mexiko 94’, Asien 97’/98’ Russland 98’, Brasilien 99’, Argentinien 01’/02’) wurde de IWF stark kritisiert. Im wird dabei unter anderem vorgeworfen in seiner Rolle als „lender of last ressort“, (Kreditgeber der letzten Zuflucht) den Moral Hazard der Investoren gefördert und somit die Entstehung der Finanzkrisen unterstützt zu haben. [23] Gleichzeitig ist er in seiner Rolle als Mediator zwischen Schuldner und Gläubigern kritisiert worden. Ihm wird dabei vorgeworfen vor allem auf der Seite der Gläubiger gestanden und dabei die Interessen der Schuldner vernachlässigt zu haben. Die prekäre soziale Lage in den Schuldnerländern im Zuge der Finanzkrise habe er außerdem durch seine Austeritätspolitik und die von ihm verschriebenen Zinserhöhungen weiter verschlimmert,[24] was teilweise zu sozialen Unruhen und politischer Destabilisierung geführt haben soll. Des Weiteren wird dem IWF vorgeworfen er habe durch die obligatorische Liberalisierung der Kapitalmärkte (s.o.) zur Entstehung der Finanzkrisen beigetragen, da somit eine Kontrolle und Regulierung der Kapitalflüsse unmöglich wurde. Auch seine Forderung nach Stabilisierung der Wechselkurse gilt als umstritten, da dies den Investoren ermöglichte, ihr Kapital ohne große Wechselkursverluste abzuziehen. [25]

Der IWF wies diese Kritik von sich und zeigt in seinen Analysen vor allem interne Faktoren auf, die aus seiner Sicht zur Entstehung der Finanzkrisen beigetragen haben sollen. Dabei verwies der Fond vor allem auf die Rolle der einzelnen Staaten selbst und kritisierte diese wiederum für Formen des Bad Governance v.a. im wirtschaftspolitischen Bereich. Einige Argumente sind im Folgenden aufgelistet:

  • das Phänomen des Crony Capitalism
  • zu starke staatliche Einmischung
  • dabei v.a. ungeprüfte Kreditvergabe und Kreditgarantien für inländische Unternehmer. Der Moral- Hazard ist also vor allem ein Problem der Kreditnehmer nicht der Geber.[26]
  • Unterstützung der Schlüsselindustrien als Fehlallokation von Kapital
  • Zu Starke Regulierung und Kontrolle im Finanzsektor

Auch räumt der IWF selbstkritisch ein, dass die Liberalisierung der Kapitalmärkte zu schnell von statten gegangen ist, ohne den Aufbau einer geeigneten institutionellen Infrastruktur.[27] Trotzdem hält er am Grundsatz der Kapitalmarktliberalisierung auch bei Schwellen- und Entwicklungsländern fest.

Obwohl sich die Krisen in ihrem Schema ähneln, bildete vor allem die Asienkrise einen größeren wissenschaftlichen Diskurs da ihre Folgen schwerwiegender als die der anderen Krisen waren. Fakt ist, dass nach der Asienkrise und bis zur aktuellen Finanzkrise die Kreditanfragen an den IWF drastisch gesunken sind. So hat die internationale Kreditnachfrage beim IWF von 1995 mit ca. 28 Mrd. USD bis 2007 auf ca. 2,5 Mrd. USD abgenommen. [28] Ebenso stiegen die Tendenzen eigene regionale Entwicklungsbanken zu stärken um unabhängiger von den IFIs zu werden.

Schocktherapie für Transformationsstaaten

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Stieglitz kritisiert den IWF ausserdem scharf für seine Vorgehensweise bei der Transformation ehemaliger Plan- in Marktwirtschaften. Vor allem das Beispiel Russlands belege, dass der IWF zu schnelle Anpassungen fordere, den Ländern keine Zeit für die Transformation gebe und somit die Entstehung von Armut massiv fördere.[29]

Fehlende Landeskenntnisse und One Size Fits All

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Ein häufig auftauchender Kritikpunkt ist auch, dass der IWF seine makroökonomischen Politikempfehlungen nicht anpasse und stattdessen ein Einheitsmodell für alle Entwicklungs- und Schwellenländer entwerfe. Dieses Einheitsmodell, dass vor allem auf Stabilitäts- statt Wachstumspolitik basiere sei schädlich, da es die volkswirtschaftlichen, politischen und sozialen Eigenheiten der Länder nicht hinreichend berücksichtige. [30]

Verlust der wirtschaftspolitischen Autonomie

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In der Kritik steht hierbei die Forderung des IMF zur Stabilisierung einzelner Währungen. Da bei voller Konvertibilität der Währung und freier Kapitalbewegung, eine autonome Geld und Fiskalpolitik nur bei frei schwankenden Wechselkursen möglich ist, sind externe Einflüsse mächtiger denn je. Denn wenn nun der Wechselkurs gegen eine Auf- bzw. Abwertung stabilisiert werden soll (wie es den verschuldeten Ländern vom IWF nahe gelegt wurde), so muss sich die Wirtschaftspolitik an den externen Entwicklungen orientieren. Auf diese externen Entwicklungen (oder globalen Parameter) wie Beispielsweise die Terms of Trade, Wechselkurse oder Zinsen können wirtschaftliche schwache Länder praktisch keinen Einfluss nehmen. Daher müssen sie sich den Entwicklungen anpassen, was mit einem Verlust der staatlichen Autonomie und Souveränität gleich kommt. [31]. Gleichzeitig werde die nationale Politik bevormundet, da Kreditvergaben an wirtschaftspolitische Konditionalitäten geknüpft werden. Werden diese Konditionen nicht eingehalten, so würde der Geldhahn in Zukunft eben zu bleiben. Häufig wüssten ausländische Regierungschefs eine bessere und armutsorientiertere Wirtschaftspolitik zu machen, könnten diese aber aufgrund des Widerstandes des IWF nicht durchsetzen. Der IWF konterkariere somit sogar die Erreichung der MDGs. So soll das Beispiel Kameruns belegen, dass eine Verfehlung der Millenium Devlopment Goals zur Reduzierung der Kindersterblichkeit, durch zu restriktive Budgetvorgaben des IWF, unumgänglich werde. In Kenia wiederum führte die vom IWF verlangte Budgetrestriktion für öffentliche Gehälter dazu, dass deutlich weniger Lehrer eingestellt werden konnten und somit der Bildungssektor massiv unter den Austeritätsvorgaben litt. [32]

Datei:Camdessus Suharto.jpg
Cadessus und Suharto während der Asienkrise 1998

Der Vorwurf des Autonomieverlustes durch den IWF wird durch einige Kritiker so weit zugespitzt, dass sie dem Fond arrogantes und bevormundendes Auftreten vorwerfen. Aufmerksamkeit fand dieser Vorwurf durch ein Foto des ehemaligen IWF-General Direktors Camdessus, der mit verschränkten Armen hinter dem indonesischen Präsidenten Suharto über dessen widerwillige Vertragsunterzeichnung gewacht haben soll.Suharto habe sich gegen die harten Zinsauflagen zu Wehr gesetzt, da sie seiner Meinung nach die Krise nur verschlimmern würden. Trotzdem konnte er seine Forderungen nach einer milderen Zinspolitik nicht gegen den Willen Camdessus durchsetzen,

Sozialwissenschaftliche Kritik

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Die sozialwissenschaftliche Kritik basiert auf den sozialen Folgen der Wirtschaftspolitik einzelner IWF- Kreditnehmer. Häufig wird dabei die vom IWF geforderte Austeritätspolitik kritisiert, die zu Restriktionen in den Sozialbudgets (Gesundheit, Bildung, Sicherheit, etc.) führe und somit die soziale Lage in den betroffenen Ländern verschärfe. Vor allem der SAPRIN Report macht in vielerlei Weise auf die immensen sozialen Unregelmäßigkeiten aufmerksam, die durch die strenge Sparpolitik entstünden. Einige wichtige Erkenntnisse über Strukturanpassungen von IWF und Weltbank lassen sich nach dem Report wie folgt zusammenfassen:

  • Die soziale Ungleichheit wächst innerhalb der Betroffenen Gesellschaften
  • Betroffen von den Negativfolgen der Strukturanpassung sind vor allem schwache Bevölkerungsgruppen (Indigene, Frauen, Landbevölkerung)
  • die Marginalisierung und Verarmung ohnehin armer Bevölkerungsgruppen nimmt zu
  • Die Nahrungsmittelunsicherheit steigt an
  • Die medizinische Versorgung verschlechtert sich
  • Kinderarbeit und andere fragwürdige Erwerbspraktiken nehmen zu [33]

Ausserdem wird bemängelt, dass die so genannten guten Strukturanpasser (core adjusters nach dem IWF) schlechter abschneiden würden als die schlechten Struckturanpasser. Schneider stellt in diesem Zusammenhang fest, dass solche Länder, die die Politik der IFIs getreu durchgeführt haben, einen Armutsanstieg zwischen 1965-1988 von 56,6% auf 62,4% zu verzeichnen hatten. Dahingegen würden Länder die die Strukturanpassung nicht durchführten einen Abfall der Armut von 65,6% auf 43,8% im gleichen Zeitraum erfahren haben.[34] Auch William Easterly vertritt die These, dass Länder mit Eigenständiger Wirtschafts- und Entwicklungspolitik deutlich besser da stünden als mit Strukturanpassungspolitik durch den IWF.[35]

Es bleibt jedoch anzumerken, dass die direkten sozialen Effekte der IWF- Politik schwer quantifizierbar und fassbar sind, und dass sie sich mit anderen politischen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen vermengen.

Einzelnachweise

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  1. Nuscheler F (2006): Entwicklungspolitik, Bonn.
  2. Deutscher Bundestag (Hrsg.) (2002): Globalisierung der Weltwirtschaft, Kap. 2: Finanzmärkte, Opladen.
  3. Kellermann C. (2006): Die Organisation des Washington Consensus. Der Internationale Währungsfond und seine Rolle in der internationalen Finanzarchitektur, Bielfeld. Transcript Verlag.
  4. Vgl. hierzu u.a. das Statement des kenianischen Präsidenten Daniel Arap Moi im Jahre 2000: "We have been paying our debts for the past nine years but have not received anything in return. Our economic growth will definitely slow down as a result of the conditions. These conditions are the toughest ever imposed on Kenya." In: World Developement Movement 2005, S. 12 sowie den unerfüllten Wunsch der ruandischen Regierung nach mehr fiskalischen Möglichkeiten zur Armutsbekämpfung, in Siebold T. (2008): Armutsorientierte Entwicklung mit Hilfe von PRSPs? Eine Zwischenbilanz für Subsahara-Afrika. Als bekanntestes Beispiel kann jedoch die Weigerung des malaysischen Premiers Mahatir Mohamad gesehen werden, die vom IWF auferlegten Konditionalitäten während der Asienkrise zu unterzeichnen.
  5. vgl.Stiglitz J. (2004): Die Schattenseiten der Globalisierung, München: Goldmann Verlag. und Siebold T. (2008): Armutsorientierte Entwicklung mit Hilfe von PRSPs? Eine Zwischenbilanz für Subsahara-Afrika.
  6. Easterly W. (2007): The White Man’s Burden. Why The West’s Efforts To Aid The Rest Have Done So Much Ill And So Little Good, Oxford: Oxford University Press.
  7. http://www.imf.org/external/np/sec/memdir/members.htm
  8. http://www.eed.de/de/de.col/de.col.d/de.sub.33/de.sub.news/de.presse.367/index.html?entry=page.de.presse.367
  9. Außerdem entspreche die traditionelle Stimmverteilung lange nicht mehr den globalen ökonomischen Realitäten.Vgl. Stiglitz J. (2004): Die Schattenseiten der Globalisierung, München: Goldmann Verlag.
  10. SAPRIN (Hrsg.) (2004): Structural Adjustment . The SAPRI Report, London & New York. Zed Books.
  11. Keynes J.M. (1936): The General Theory of Employment, Interest and Money, S.105
  12. Stiglitz gilt als Mitbegründer der Informationsökonomik. 2001 erhielt er für seine Errungenschaften auf diesem Arbeitsgebiet den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Seine Kritik am Fonds leitet er v.a. aus seinen Arbeiten auf diesem Gebiet ab.
  13. Vgl. Stiglitz J. (2004): Die Schattenseiten der Globalisierung, München: Goldmann Verlag.
  14. Vgl. Ocampo J.A. & J. Stieglitz (2008): Capital Marcet Liberalization and Developement, Oxford. Oxford University Press.
  15. Vgl. Stiglitz J. (2004): Die Schattenseiten der Globalisierung, München: Goldmann Verlag.
  16. Vgl. Ocampo J.A. & J. Stieglitz (2008): Capital Marcet Liberalization and Developement, Oxford. Oxford University Press.
  17. Der SAPRI Report ist ein wissenschaftlicher Report, der sich mit den Folgen der Strukturanpassungspolitk durch IWF und Weltbank beschäftigt. Initiiert wurde der bericht durch den damaligen Weltbankpräsidenten James Wolfensohn der ihn als Beitrag der Zivilgesellschaft zum Reformdialog verstand. Die Ergebnisse des SAPRI- Report basieren auf einer fünfjährigen, länderübergreifenden Fachstudie in der über 200 Forscher aus verschiedenen Fachdisziplinen zusammen arbeiteten, unter Einbeziehung der Zivilbevölkerung. Das Ergebnis des Berichts ist eine sehr starke Kritik an der bisherigen Form der Strukturanpassung und der Arbeitsweise der großen IFIs (Weltbank und IWF), sowohl auf ökonomischer, sozialer als auch umweltpolitischer Ebene. Trotz des großen öffentliche Aufsehens durch den der Bericht, fanden die Ergebnisse keinen Anklang nur wenig Eingang in die Politik der IFIs.
    vgl. SAPRIN (Hrsg.) (2004): Structural Adjustment . The SAPRI Report, London & New York. Zed Books. und http://www.saprin.org/
  18. Schneider A.K. (2003): Vom Washington-Konsens zum Washington-Konsens-Plus? In: Weed (Hrsg) (2003): Die Umverteilungsmaschine- Finanzmärkte und Verschuldung, Berlin.
  19. ebd
  20. vgl. In diesem Zusammenhang z.B. den Industrialisierungsprozess Australiens in: Meredith D. & B. Dyster (1999): Australia in the global economy, continuity and change; Cambridge. Auch heutige Positivbeispiele scheinen zu belegen, dass dies die deutlich bessere Alternative ist, wobei in diesem Zusammenhang häufig China zitiert wird, dass seit der Ära von Deng Xiaoping eine langsame aber kontinuierliche Form der Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung vollführt.
  21. SAPRIN (Hrsg.) (2004): Structural Adjustment . The SAPRI Report, London & New York. Zed Books.
  22. ebd
  23. Kellermann C. (2006): Die Organisation des Washington Consensus. Der Internationale Währungsfond und seine Rolle in der internationalen Finanzarchitektur, Bielfeld. Transcript Verlag.
  24. Vgl. hierzu: ILO (Hrsg.) (1998): The social impact of the Asian Financial Crisis, Bangkok. Sowie Deutscher Bundestag (Hrsg.) (2002): Globalisierung der Weltwirtschaft, Kap. 2: Finanzmärkte, Opladen
  25. vgl. hierzu. Stiglitz J. (2004): Die Schattenseiten der Globalisierung, München: Goldmann Verlag.
  26. Wade, R. (1998): From Miracle to Meltdown. Vulnerabilities, Moral Hazard or Panic and Debt Deflation in the Asian Crisis? Russell, Sage Foundation, New York
  27. IWF (1998): Jahresbericht, Washington DC.
  28. World Bank (2008): Global Development Finance 2008. The globalization of corporate finance in developing countries, Washington DC.
  29. vgl. hierzu. Stiglitz J. (2004): Die Schattenseiten der Globalisierung, München: Goldmann Verlag.
  30. ebd & SAPRIN (Hrsg.) (2004): Structural Adjustment . The SAPRI Report, London & New York. Zed Books.
  31. Deutscher Bundestag (Hrsg.) (2002): Globalisierung der Weltwirtschaft, Kap. 2: Finanzmärkte, Opladen nach Paul Krugman
  32. vgl. Siebold T. (2008): Armutsorientierte Entwicklung mit Hilfe von PRSPs? Eine Zwischenbilanz für Subsahara-Afrika.
  33. ebd & SAPRIN (Hrsg.) (2004): Structural Adjustment . The SAPRI Report, London & New York. Zed Books.
  34. Schneider A.K. (2003): Vom Washington-Konsens zum Washington-Konsens-Plus? In: Weed (Hrsg) (2003): Die Umverteilungsmaschine- Finanzmärkte und Verschuldung, Berlin.
  35. Easterly W. (2007): The White Man’s Burden. Why The West’s Efforts To Aid The Rest Have Done So Much Ill And So Little Good, Oxford: Oxford University Press.