Benutzer:D.wiehler/Weierstraßsche ℘-Funktion

In der Mathematik bezeichnet die Weierstraßsche ℘-Funktion eine bestimmte elliptische Funktion in Abhängigkeit eines Gitters. Benannt ist sie nach dem Mathematiker Karl Weierstraß. Sie spielt eine wichtige Rolle in der Theorie der elliptischen Funktionen. Denn mithilfe der Weierstraßschen ℘-Funktion und ihrer Ableitung lassen sich elliptische Kurven über den komplexen Zahlen parametrisieren und sie erzeugen den Körper der ellitpischen Funktionen zu einem festem Periodengitter.[1]

Symbol for Weierstrass P function

Symbol für die weierstraßsche -Funktion

Modell der weierstraßschen -Funktion

Definition Bearbeiten

 
Graph der ℘-Funktion mit den Invarianten   und  , wobei die weißen Stellen für Pole und die schwarzen für Nullstellen stehen

Seien   zwei komplexe Zahlen, welche über   linear unabhängig sind und sei   das Gitter, das von   und   erzeugt wird. Dann ist die ℘-Funktion zum Gitter   wie folgt definiert:

 .

Die Reihe konvergiert lokal gleichmäßig absolut in  . Häufig wird statt   nur   geschrieben.

Die weierstraßsche  -Funktion ist gerade so konstruiert, dass sie einen Pol der Ordung 2 an jeder Stelle   hat. Da die Summe   alleine nicht absolut konvergieren würde, ist es nötig, den Term   hinzuzufügen.[2]

Oftmals werden auch   und   als Erzeuger für das Gitter gewählt. Denn durch Multiplizieren mit   wird das Gitter   isomorph auf das Gitter   abgebildet, wobei  . Durch eventuelles Ersetzen von   durch   kann   angenommen werden. Man setzt  .

Motivation Bearbeiten

Eine Kubik der Form  , wobei   komplexe Zahlen sind mit  , lässt sich nicht rational parametrisieren.[3] Dennoch würde man gerne eine Parametrisierung finden.

Für die Quadrik  , also den Einheitskreis, existiert bekanntlich eine (nichtrationale) Parametrisierung durch die Sinusfunktion und deren Ableitung, der Kosinusfunktion:

 .

Wegen der Periodizität des Sinus und des Kosinus ist hier   als Definitionsbereich gewählt, um eine bijektive Abbildung zu erhalten.

Auf ganz analoge Weise erhält man eine Parametrisierung der Kubik   mit der doppeltperiodischen  -Funktion (siehe im Abschnitt "Zusammenhang mit elliptischen Kurven"). Diese Parametrisierung hat den Definitionsbereich  , was topologisch einem Torus entspricht.[4]

Es gibt eine weitere Analogie zu den trigonometrischen Funktionen. Betrachtet man die Integralfunktion

 ,

lässt sich diese durch die Substitution   und   vereinfachen:

 .

Das bedeutet,  . Also erhält man den Sinus als Umkehrfunktion einer Integralfunktion.[5]

Auch elliptische Funktionen sind Umkehrfunktionen von Integralfunktionen, den elliptischen Integralen. Insbesondere erhält man die  -Funktion auf folgende Weise:

Sei

 .

Dann lässt sich  auf die komplexe Ebene fortsetzen und diese Fortsetzung ist gleich der  -Funktion.[6]

Eigenschaften Bearbeiten

  • ℘ ist eine gerade Funktion. Das heißt, es gilt   für alle  , wie man auf folgende Weise sieht:
 

Die vorletzte Gleichheit folgt daraus, dass  . Da die Summe absolut konvergiert, ändert diese Umordung den Grenzwert nicht.

  • ℘ ist meromorph und die Ableitung ist gegeben durch[7]
 .
  •   und   sind doppeltperiodisch mit den Perioden  und  . Das bedeutet[7]:
  und  .

Daraus folgt, dass für alle   gilt:   und  . Funktionen, die meromorph und doppeltperiodisch sind, nennt man auch elliptische Funktionen.

Laurent-Entwicklung Bearbeiten

Sei  . Dann hat die ℘-Funktion für   folgende Laurent-Reihe:

 ,

wobei

  für   sogenannte Eisensteinreihen sind.[7]

Differentialgleichung Bearbeiten

Setze   und  . Dann erfüllt die ℘-Funktion folgende Differentialgleichung[7]:

 .

Dies lässt sich verifizieren, indem man den Pol an der Stelle   durch eine Linearkombination von Potenzen von   und   eliminiert. Man erhält eine ganze, elliptische Funktion, die nach dem Satz von Liouville konstant sein muss.

Invarianten Bearbeiten

 
Realteil der Invariante g3 als Funktion in   auf der Einheitskreisscheibe
 
Imaginärteil der Invariante g3 als Funktion in   auf der Einheitskreisscheibe

Die Koeffizienten   und  , die in der Differentialgleichung auftauchen heißen die Invarianten. Da diese vom Gitter   abhängen, kann man   und   auch als Funktionen in  und   betrachten.

Wie man an der Reihendarstellung erkennen kann, sind   und   homogene Funktionen vom Grad -4 und -6. Das heißt, es gilt[8]:

 ,
  für  .

Wenn  und   so gewählt sind, dass  , können   und   als Funktionen in einer komplexen Variablen in der oberen Halbebene   aufgefasst werden.

Dazu setzet man   und erhält[8]:

 ,
 .

Also werden   und   dadurch nur skaliert. Man setzt nun:

 ,  .

Als Funktionen von   sind   und   sogennante Modulformen.

Die Fourierreihen für   und   sind wie folgt gegeben[9]:

 
 ,

wobei  die Teilerfunktion ist und  .

Diskriminante Bearbeiten

 
Der Realteil der Diskriminante als Funktion in   auf der Einheitskreisscheibe.

Die (modulare) Diskriminante   ist definiert als die Diskriminante des kubischen Polynoms auf der rechten Seite der Differentialgleichung:

  .

Die Diskriminante ist eine Modulform vom Gewicht 12. Das bedeutet:

 ,

wobei   mit  .[10]

Weiter gilt  . Hierbei bezeichnet   die Dedekindsche Eta-Funktion.[11]

Für die Fourierreihe von   siehe Ramanujan-Vermutung.

Die Konstanten und Bearbeiten

Mit den Konstanten  ,   und   werden üblicherweise die sogannanten Halbwerte der  -Funktion bezeichnet. Gemeint sind damit die Funktionswerte an den Halbperioden.

 
 
 

Diese sind paarweise verschieden und hängen bis auf die Reihenfolge nur vom Gitter   ab und nicht von den Erzeugern.[12]

 ,   und   sind die Nullstellen des kubischen Polynoms   und erfüllen die Relation:

 .

Da diese paarweise verschieden sind, folgt daraus insbesondere, dass die Diskriminante   (auf der oberen Halbebene) nicht verschwindet.[13] Damit lässt sich die Differentialgleichung auch diese Art schreiben:

 .

Also sind die Halbperioden Nullstellen von  .

Die Invarianten   und   hängen mit den Konstanten auf folgende Weise zusammen[14]:

 
 

Zusammenhang mit elliptischen Kurven Bearbeiten

Man betrachte die projektive kubische Kurve

 .

Für diese Kubik, auch Weierstraßkubik genannt, existiert keine Parametrisierungen durch rationale Funktionen, falls  .[3] In diesem Fall spricht man von einer elliptischen Kurve. Trotzdem gibt es eine explizite Parametrisierung mittels der  -Funktion und ihrer Ableitung  [15]:

 

Die Abbildung   ist bijektiv und parametrisiert die Kurve  .

  ist sowohl eine abelsche Gruppe also auch auch ein topologischer Raum, versehen mit der Quotiententopologie.

Weiter lässt sich zeigen, dass jede glatte Weierstraßkubik auf diese Weise gegeben ist. Also dass es für jedes Paar   mit   ein Gitter   gibt, sodass

  und  .[16]

Die Aussage, dass alle elliptischen Kurven über   durch Modulformen über   parametrisiert werden können, ist als Modularitätssatz bekannt. Dieser Satz ist von großer Bedeutung in der Zahlentheorie. Er floss insbesondere in Andrew Wiles' Beweis (1995) des Großen Fermatschen Satzes ein.

Additionstheoreme Bearbeiten

Seien  , sodass  . Dann gilt[17]:

 .

Darüber hinaus gibt es die Verdopplungsformel[17]:

 .

Diese Formeln haben eine geometrische Bedeutung, wenn man wie im vorherigen Abschnitt die elliptische Kurve   zusammen mit der Abbildung   betrachtet.

Die Gruppenstruktur von   überträgt sich auf die Kurve  und kann dort geometrisch interpretiert werden:

Die Summe dreier paarweise verschiedener Punkte  ist genau dann Null, wenn sie auf einer gemeinsamen Geraden in   liegen.[18]

Dies ist äquivalent dazu, dass gilt:

 ,

wobei  ,   und   gelte.[19]

Zusammenhang mit Jacobischen elliptischen Funktionen Bearbeiten

Aus numerischen Gründen ist es oftmals besser, die  -Funktion über die Jacobischen elliptischen Funktionen zu berechnen.

Es gilt[20]:

 ,

wobei   und   die in einem vorherigen Abschnitt beschriebenen Konstanten sind. Der Modulus   der Jacobischen elliptischen Funktionen entspricht hierbei

 

und für das   Argument gilt

 

Siehe auch Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4., korr. und erw. Auflage. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-32058-6, S. 275.
  2. Apostol, Tom M.: Modular functions and Dirichlet series in number theory. Springer-Verlag, New York 1976, ISBN 0-387-90185-X, S. 9.
  3. a b Hulek, Klaus.: Elementare Algebraische Geometrie : Grundlegende Begriffe und Techniken mit zahlreichen Beispielen und Anwendungen. 2., überarb. u. erw. Aufl. 2012. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-8348-2348-9, S. 8.
  4. Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4., korr. und erw. Auflage. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-32058-6, S. 259.
  5. Jeremy Gray: Real and the complex : a history of analysis in the 19th century. Cham 2015, ISBN 978-3-319-23715-2, S. 71.
  6. Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4., korr. und erw. Auflage. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-32058-6, S. 294.
  7. a b c d Apostol, Tom M.: Modular functions and Dirichlet series in number theory. Springer-Verlag, New York 1976, ISBN 0-387-90185-X, S. 11.
  8. a b Apostol, Tom M.: Modular functions and Dirichlet series in number theory. Springer-Verlag, New York 1976, ISBN 0-387-90185-X, S. 14.
  9. Tom M. Apostol: Modular functions and Dirichlet series in number theory. 2nd ed Auflage. Springer-Verlag, New York 1990, ISBN 0-387-97127-0, S. 20.
  10. Tom M. Apostol: Modular functions and Dirichlet series in number theory. Springer-Verlag, New York 1976, ISBN 0-387-90185-X, S. 50.
  11. K. Chandrasekharan: Elliptic functions. Springer-Verlag, Berlin 1985, ISBN 0-387-15295-4, S. 122.
  12. Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4., korr. und erw. Auflage. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-32058-6, S. 270.
  13. Tom M. Apostol: Modular functions and Dirichlet series in number theory. Springer-Verlag, New York 1976, ISBN 0-387-90185-X, S. 13.
  14. K. Chandrasekharan: Elliptic functions. Springer-Verlag, Berlin 1985, ISBN 0-387-15295-4, S. 33.
  15. Hulek, Klaus.: Elementare Algebraische Geometrie : Grundlegende Begriffe und Techniken mit zahlreichen Beispielen und Anwendungen. 2., überarb. u. erw. Aufl. 2012. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-8348-2348-9, S. 12.
  16. Hulek, Klaus.: Elementare Algebraische Geometrie : Grundlegende Begriffe und Techniken mit zahlreichen Beispielen und Anwendungen. 2., überarb. u. erw. Aufl. 2012. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden 2012, ISBN 978-3-8348-2348-9, S. 111.
  17. a b Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4., korr. und erw. Auflage. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-32058-6, S. 286.
  18. Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4., korr. und erw. Auflage. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-32058-6, S. 287.
  19. Rolf Busam: Funktionentheorie 1. 4., korr. und erw. Auflage. Springer, Berlin 2006, ISBN 978-3-540-32058-6, S. 288.
  20. Korn GA, Korn TM: Mathematical Handbook for Scientists and Engineers. McGraw–Hill, New York 1961, S. 721.