Unter Nichiren Buddhismus (日蓮系諸宗派: Nichiren-kei sho shūha) versteht man die verschiedenen Schulen des Buddhismus, die sich auf den Mönch und Gelehrten Nichiren (1222-1282) berufen, der im Japan des 13.Jahrhunderts lebte. Nichiren, der schon zu Lebzeiten eine durchaus umstrittene Figur war und die vermeintlich machtpolitischen Verwicklungen der damals vorherrschenden buddhistischen Schulen und des Staates kritisierte, wurde in der Folgezeit zur Leitfigur einer Vielzahl buddhistischer Schulen in Japan. Seine Kritik richtete sich vor allem gegen den Zen Buddhismus, Reine Land Buddhismus sowie gegen die Schulen des Shingon und Ritsu-Buddhismus. Diese buddhistischen Schulen erfreuten sich bei Hofe sowie beim Volk im Japan des 13. Jahrhunderts grosser Beliebtheit und somit waren Verwicklungen zwischen Religion und Staat unausweichlich. Für Nichiren, der selbst ein Priester des Tendai war, waren die Gründe für die missliche Lage Japans (Kriege mit den Mongolen, Hungersnöte und Naturkatastrophen hatten das Land geschwächt) darin begründet, dass die Regierung den oben genannten buddhistischen Lehren folgte, die seiner Meinung nach von der ursprünglichen Lehre des Mahayana-Buddhismus abwichen. Auch gegen den zunehmenden Einfluss esoterischer Lehren im Tendai-Buddhismus setzte er sich zur Wehr. Für diese Kritik, welche er in zahlreichen Schriften wie zum Beispiel der Risshō Ankoku Ron (立正安国論) formulierte, wurde er mehrmals in die Verbannung geschickt. Er sollte sogar hingerichtet werden , dies wurde der Legende nach durch das Auftauchen eines Kometen verhindert, da der Schafrichter vor Schreck das Schwert hatte fallen lassen und die beiwohnenden Soldaten das Weite suchten. Für Nichiren stand das von Shakyamuni Buddha gelehrte Lotos-Sutra im Kern der buddhistischen Ausübung auf das sich auch heute noch alle Nichiren-Schulen berufen. Laut Nichiren offenbarte Shakyamuni in diesem Sutra die Tatsache, dass allen Menschen die Buddhanatur innewohnt und eine Erleuchtung in der gegenwärtigen Existenz möglich sei. Weitere Schwerpunkte setzte Nichiren mit dem rezitieren des Mantras „Nam(u)-Myoho-Renge-Kyo“ sowie die Verehrung eines Mandalas Gohonzon genannt. Dieses kaligraphische Mandala sollte die im Lotos–Sutra beschriebene „Zeremonie in der Luft“ versinnbildlichen. Durch die Art der Darstellung sollte der Gläubige sich als Teilnehmer an dieser metaphorischen Zeremonie sehen. Noch heute werden an Gläubige (je nach Schule) entweder Kopien dieses von Nichiren gefertigten Mandalas überreicht oder ein Priester fertigt selbst eine Abschrift.

Nichiren-Schulen als solche formierten sich erst nach Nichrens Tod, da er selbst zwar nachweislich keine eigene Schule begründete, betraute er sechs seiner engsten Schüler und Priester damit seine Lehren weiterzugeben. Dies waren: Nisshō (日昭), Nichirō (日朗), Nikkō (日興), Nikō (日向), Nichiji (日持), und Nicchō (日頂). Von diesen machte sich Nichiji nach dem Tod Nichirens auf um die Lehren Nichirens auf dem asiatischen Festland zu verbreiten. Von diesem Unterfangen kehrte er jedoch nie zurück. In den Folgejahren formiereten sich folgende Schulen:

  • die Minobu-Schule des Nikō (日向)
  • die Fuji-Schule des Nikkō (日興),
  • die Hama-Schule des Nisshō (日昭)
  • die Ikegami-Schule des Nichirō (日朗)
  • die Nakyama-Schule des Toki Jonin (Nichiji (日持))

Oftmals wird der Nichiren-Buddhismus mit japanischem Nationalismus in Verbindung gebracht. Zum einen weil Nichiren der Begründer einer buddhistischen Schule war die ihre direkten Wurzeln nicht auf eine Vorgängerschule auf dem asiatischen Festland zurückführt (was jedoch durch die Verbindung zum Tendai-Buddhismus in Frage gestellt werden sollte). Zum anderen tauchten diese Vorwürfe gerade auch gegenüber den neueren Nichiren Bewegungen des 20. Jahrhunderts auf. Da der Nichiren-Buddhismus sich in seiner Geschichte immer auch durch ein recht zwiespältiges zum Staat auszeichnete ist diese Frage nicht eindeutig zu klären.

Nichiren-shū Bearbeiten

Die Nichiren-shū (übersetzt: Nichiren Schule) wird allgemein hin als die älteste der Nichiren-Schulen angesehen und beruft sich auf die oben erwähnten Nichiren Schüler Nisshō, Nichirō, Nikō und Nichiji. Auf diese Schüler gehen die Mehrzahl der historischen Tempelgründungen zurück, die sich heute als Tempel der Nichiren-shū verstehen. Ein Phänomen, welches sämtliche Nichiren Buddhisten zu erdulden hatten war eine gewisse Ablehnung Seitens des Staates, da sie sich meist nicht den staatlich verordneten Gebeten anschließen wollten. Lange wurde für Nichiren Buddhisten bis zum Ashikaka Shogunat eine Ausnahme gewährt dies kam jedoch im Jahre 1595 zu einem Ende. So wie viele Christen konnten auch viele Nichiren Buddhisten einer staatlichen Kontrolle nur schwer zustimmen. Die, die es nicht taten waren folgten dem sog. Fujufuse-Prinzip. Das Fujufuse-Prinzip bedeuted übersetzt "Nichts empfangen-nichts geben" und bezieht sich auf das Verhältnis zur Regierung des Landes hinsichtlich der Unterstüzung und Anerkennung. Erst unter dem Tokugawa Shogunat im Jahre 1868 konnte sich die sog. Nichiren Shu – Fujufuse Linie wieder in aller Öffentlichkeit bekennen, eine Anerkennung als Schule erfolgte 1874. Bis in das 20. Jahrhundert hinein war diese Schule auch die grösste der Nichiren-Schulen. Die Nichiren-shū gleicht einer Konföderation von Tempeln und Linien, die als ihren Hauptempel den am Berg Minobu gelegenen Kuon-ji Tempel betrachten. Dieser Tempel führt seine Gründung auf Nichiren selbst zurück und hier befindet sich auch sein Grabmal.

Nichiren-shōshū Bearbeiten

Die Nichiren-Shōshū (übersetzt: Wahre Nichiren Schule) sieht sich in ihrem Selbstverständnis nach als die orthodoxe Nichiren-Schule an. Lange Zeit war sie eine der kleinsten Nichiren-Schulen, was auch in ihrer Interpretation der Lehren Nichirens seine Ursache hat. Ihre Gründung führt sie auf einen der sechs Schüler Nichirens, Nikkō, zurück der in Folge von Nachfolgestreitigkeiten den Tempel am Berg Minobu im Jahr 1290 verlies und den Taiseki-ji Tempel gründete. Nikko warf den anderen Schülern zeitweise vor sich zu sehr an die Tradition des Tendai anzulehnen, dennoch gab es inhaltlich noch wenig Unterschiede. Streitigkeiten untereinander zeichneten somit auch die Tempel aus, die sich in ihrer Gründung auf den Nichirenschüler Nikko beriefen. Im 19.Jahrhundert versuchten sich diese Nikko-Tempel zu einer Schule zu vereinigen. Einer dieser Tempel die auf Nikko zurückgehen, der Hommon-ji Tempel, schloß sich im Verlauf seiner Geschichte jedoch der Nichiren-shū an. Der Taiseki-ji Tempel entzog sich gegen 1900 diesen Vereinigungsversuchen der Nikko-Tempel und nannte sich ab 1913 Nichiren-shōshū – Wahre Nichiren Schule. Abgesehen von den beschriebenen Nachfolge-und Richtungsstreitigkeiten unterscheidet sich die Nichiren-shōshū jedoch auch in dogmatischer Hinsicht von den anderen Nichiren-Tempeln respektive Schulen. Zum ersten behauptet die Nichiren-shōshū, dass Nichiren seinen Schüler Nikko zu seinem direkten Nachfolger erklärt hätte. Dokumente welche dies beweisen sollen wurden 1488 durch den Priester Nikkyo in Taiseki-ji wiederentdeckt. Andere Nichiren-Schulen zweifeln die Echtheit dieser Dokumente an. Erst zweihundert Jahre nach Nichirens Tod, mag dies auch nur innerhalb der Nikko-Tempel eine Bedeutung gehabt haben um die herausragende Rolle des Taiseki-ji zu unterstreichen. Zum zweiten besitzt die Nichiren-shōshū den Dai-Gohonzon. Ein Mandala welches Nichirens Leben an sich und seine Buddhaschaft verkörpern soll und welches er der gesamten Menschheit hinterlassen habe. Auch über die Echtheit dieses Mandals bestehen Seitens anderer Nichiren-Schulen Zweifel und wissenschaftliche Erkenntnisse hierzu stehen der Öffentlichkeit nicht zur Verfügung. Hier liegt jedoch ein viel tiefgreifender Unterschied zu anderen Schulen. Eng mit dem Besitzt des Dai-Gohonzons bzw. dessen Existenz ist auch der Glaube der Nichiren-shōshū verknüpft Nichiren als einen Buddha zu verehren, während die Anhänger der Nichiren-shū Nichiren als die Verkörperung eines Bodhisattva und als Reformator des Buddhismus ansehen. Zudem finden in der Nichiren-shōshū kontemplative Formen der buddhistischen Meditation keine Anwendung. Aufgrund der sich selbst auferlegten Orthodoxität findet kein nennenswerter gedanklicher Austausch mit anderen buddhistischen Traditionen statt.

Sōka Gakkai Bearbeiten

Die Sōka Gakkai (übersetzt: Wertschaffende Gesellschaft) war seit ihrer Gründung 1930 durch Tsunesaburu Makiguchi (1871-1944) lange Zeit als Laienorganistaion der Nichiren-shōshū angegliedert und verhalf dieser zu einem beträchtlichen Zuwachs an Gläubigen, sowohl in Japan als auch ausserhalb des Landes. Sie zählt heute zu den grössten neuen religiösen Bewegungen in Japan. Nicht zuletzt durch eine verstärkte Missionierung im In-und Ausland war dieser Zuwachs möglich und brachte ihr den Ruf ein evangelikale Züge zu zeigen. Von dieser Praxis einer aggressiv anmutenden Missionierung hat sie sich jedoch inzwischen distanziert. Teil ihrer Geschichte waren jedoch auch immer wieder Differenzen mit den Priestern der Nichiren-shōshū. Zum endgültigen Bruch kam es dann im Jahre 1991, wobei die Mehrzahl der Anhänger sich für einen Verbleib bei der Sōka Gakkai entschieden. Die Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Gruppen währte lange und ist bis heute nicht völlig beigelegt, da auch Gerichte Streitpunkte juristischer Natur zu klären haben. Obgleich in punkto Auslegung der Lehre Nichirens, gerade in Hinsicht auf Nichiren als Buddha, für den Aussendstehenden nur wenig Uneinigkeit zu herrschen scheint, so lehnt die Sōka Gakkai die in der Nichiren-shōshū praktizierte Form des Priestertums unter der Führung eines Hohen Priesters strikt ab. Da die Sōka Gakkai mit ihrer Mitgliedschaft in Japan durchaus auch einen politischen Einfluss hat sei dahingestellt ob nicht auch klare machtpoltische Gründe für die Trennung von Sōka Gakkai und Nichiren-shōshū sprechen. Beide Seiten führen zumindest offiziell religiöse Gründe für den Bruch an, wobei der Nichiren-shōshū mit den Mitgliedern der Sōka Gakkai auch ein grosser Teil ihrer finanziellen Unterstützung verloren ging.

Weitere Nichiren-Schulen Bearbeiten

Im obigen Abschnitt wurden die drei grossen Nichiren Schulen angesprochen. Im Laufe der Geschichte spalteten sich jedoch noch weitere Gruppen ab. Einige sind:

Literatur Bearbeiten

  • Fire in the Lotus, The Dynamic Buddhism of Nichiren, Daniel B. Montgomery, Mandala 1991, ISBN 1852740914
  • Original Enlightenment and the Transformation of Medieval Japanese Buddhism, Jacqueline I. Stone, University of Hawaii Press (30 Jun 2003, ISBN 0824827716