Aufruf zum Ausschluss der Russisch-Orthodoxen Kirche aus dem Ökumenischen Rat der Kirchen vom 23. Juli 2022

Der Aufruf zum Ausschluss der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) aus dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) vom 23. Juli 2022 ist ein Aufruf an den Weltkirchenrat (ÖRK) von zumeist im kirchlichen bzw. religiösen Bereich tätigen christlichen Wissenschaftlern aus Osteuropa oder mit Osteuropabezug für eine Suspendierung der Mitgliedschaft der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK). Er wurde am 23. Juli 2022 veröffentlicht.

Hergang Bearbeiten

Der Aufruf war an den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖKR) mit Sitz in Genf gerichtet.[1] Im deutschen Sprachraum wurde der Text zuerst auf der römisch-katholischen Website des Nachrichtendienstes Östliche Kirchen[2] (NÖK) verbreitet.

Die Unterzeichner bezeichnen sich als „ein internationales Netzwerk von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen – Theologen / Theologinnen, Religionswissenschaftlern / Religionswissenschaftlerinnen, Historikern, Religionssoziologinnen –, die verschiedenen Konfessionen angehören (orthodox, römisch-katholisch, griechisch-katholisch, lutherisch, reformiert, anglikanisch, evangelikal) oder ohne religiöse Zugehörigkeit sind“, sie „verbindet eine tiefe Sorge um die tragische Situation in der Ukraine.“[3]

Der Appell missbilligt das Verhalten des russisch-orthodoxen Patriarchen von Moskau und der ganzen Rus Kyrill, der den „ungerechten Krieg, den die Russische Föderation gegen die Ukraine führt“, mit „[s]einer schockierenden Verdrehung von Tatsachen und Werten“ rechtfertige.[4]

Zuvor war auf Antrag der Synode der Evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz im Zentralausschuss des Ökumenischen Rats der Kirchen die Suspendierung der Russisch-Orthodoxen Kirche geprüft worden, welche den Krieg theologisch zu rechtfertigen versucht und Kriegspropaganda betrieben habe.[5][6]

Ein Verfahren war nicht eingeleitet worden.[7]

Auf der 11. Vollversammlung (ihr Motto lautete: „Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt“) des ÖRK bezeichnete der kommissarische ÖRK-Generalsekretär Ioan Sauca den Krieg als „klaffende Wunde in unserer Welt von heute“.[8]

Auf der Website des Nachrichtendienstes Östliche Kirchen (NÖK) wurde am 7. Oktober 2022 ferner berichtet, dass das Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) den Soldaten, die in der Ukraine umkommen, die Vergebung ihrer Sünden in Aussicht gestellt habe.[9]

Einem der Unterzeichner, dem emeritierten Vorsitzenden der Tschechischen Brüderkirche (Církev bratrská) Pavel Černý zufolge, glaube Patriarch Kyrill I. so wie Russlands Präsident Wladimir Putin an eine „abermalige Verbindung von Thron und Altar“, wobei sich im russisch-ukrainischen Krieg dieses „grauenhafte Bündnis in seiner ganzen Nacktheit“ zeige.[10]

Als Stütze der ukrainischen Nation hatte sich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vor allem die Orthodoxe Kirche der Ukraine erwiesen.[11] Kyrills ukrainischer Amtskollege Epiphanius hatte sich im Juni 2022 für Waffenlieferungen an sein Land ausgesprochen.[12] Außerdem hatte Metropolit Epiphanius die orthodoxen Kirchenführungen anderer Länder bereits im April 2022 zum Bruch mit dem Moskauer Patriarchen aufgerufen. Durch seine Unterstützung des russischen Krieges gegen die Ukraine habe Kyrill „diejenigen, die ihm als ihrem Hirten vertrauten, in den Tod geführt“. „Niemand mit Blut an seinen Händen kann den Kelch oder den Hirtenstab halten“, so Epiphanius weiter.[13]

Einer der Unterzeichner aus den Vereinigten Staaten beispielsweise war der Jesuit David Hollenbach von der Walsh School of Foreign Service und dem Berkley Center for Religion, Peace, and World Affairs, beide an der Georgetown University, der ältesten römisch-katholischen, von Jesuiten geleiteten, Universität in den USA. Von einer anderen US-amerikanischen Hochschule der Jesuiten, der Fordham University, unterzeichnete der russisch-orthodoxe Sergei Chapnin.[14]

Unterzeichner Bearbeiten

Die größtenteils christlichen Unterzeichner (aus einem breiten Spektrum östlicher Kirchen) werden – ähnlich wie bei vergleichbaren Aufrufen – mit Titeln (im Original), Funktionen, Länderangaben und last not least (mit wenigen Ausnahmen und bisweilen unvollständig) Kirchenzugehörigkeit angegeben:[15]

An weiteren Intellektuellen und Nachwuchswissenschaftlern, die den Aufruf unterstützen, werden genannt:

  • Martin Boukal (Tschechische Republik), Doktorand, Karls-Universität, Katholisch-Theologische Fakultät, Mitglied des Akademischen Senats der Universität, Kirchenzugehörigkeit: Römisch-katholische Kirche.
  • Mikes Frantisek (Tschechische Republik), ThLic, PhD, Doktorand, Karls-Universität Prag, Kirchenzugehörigkeit: Römisch-katholische Kirche.
  • Vladimír Komárek (Tschechische Republik), Techniker, Kirchenzugehörigkeit: Römisch-katholische Kirche.
  • Václav Křeček (Tschechische Republik), Kirchenzugehörigkeit: Römisch-katholische Kirche.
  • Pavel Kulich (Tschechische Republik), Veterinärmedizinisches Forschungsinstitut, Kirchenzugehörigkeit: Römisch-katholische Kirche.
  • Petr Pazdera Payne (Tschechische Republik), Prediger, Kirchenzugehörigkeit: Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder.
  • Václav Peňáz (Tschechische Republik), MUDr., Arzt, Krankenhaus von Třebíč, Kirchenzugehörigkeit: Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder.
  • Tomáš Píšek (Tschechische Republik / Slowakei), IT-Analyst, Kirchenzugehörigkeit: Römisch-katholische Kirche.
  • Ksenija Uholyeva (Ukraine / Tschechische Republik), Mgr., Ph.D., Psychologin, Kirchenzugehörigkeit: Ukrainische griechisch-katholische Kirche.
  • Pavel Zatloukal (Tschechische Republik), Kunsthistoriker.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise und Fußnoten Bearbeiten

  1. risu.ua: The international network of scientists calls to deprive the Russian Orthodox Church of membership in the World Council of Churches (mit dem Text der Petition, englisch)
  2. Zum Nachrichtendienst Östliche Kirchen (NÖK) von Renovabis, des Osteuropa-Hilfswerk der katholischen Kirche in Deutschland, vgl. renovabis.de.
  3. noek.info: Wissenschaftler rufen ÖRK zur Suspendierung der Mitgliedschaft der ROK auf
  4. noek.info: Wissenschaftler rufen ÖRK zur Suspendierung der Mitgliedschaft der ROK auf
  5. Dialog um fast jeden Preis, reformiert.info, Nr. 13/Juli 2022, Seite 4; „Trotz Kriegspropaganda bleibt die ROK weiterhin Mitglied im ÖRK“
  6. novayagazeta.eu: Über die Beendigung des Blutvergießens... Nowaja gaseta, 4. Juli 2022; „Patriarch Kyrill selbst, der in den ersten Tagen der „Spezialoperation“ versuchte, einige theologische und moralische Rechtfertigungen dafür zu finden (wie die Notwendigkeit, eine Schwulenparade in Donezk zu verhindern)....“
  7. Russisch-Orthodoxe Kirche bleibt Mitglied im Weltkirchenrat, reformiert.info, 22. Juni 2022
  8. kirche-und-leben.de: Weltkirchentreffen beginnt: Scharfe Kritik an russischen Orthodoxen (31. August 2022)
  9. noek.info: Russland: Patriarch verspricht Soldaten Vergebung der Sünden
  10. katholisch.de: Ökumeniker: Russisch-Orthodoxe aus Weltkirchenrat ausschließen (Aktualisiert am 8. März 2022)
  11. Ukraine: Der Krieg der Kirchen. arte.tv, 11. März 2022, abgerufen am 14. Oktober 2022.
  12. Orthodoxes Oberhaupt hofft auch auf EU-Beitritt: Kiewer Metropolit Epiphanius für Waffenlieferungen www.kirche-und-leben.de, 15. Juni 2022
  13. „Epiphanius ruft zu Bruch mit Patriarch Kyrill I. auf: Worte und Taten des Moskauer Patriarchen verurteilen“ www.domradio.de, 27. April 2022
  14. russisch Сергей Валерьевич Чапнин, wiss. Transliteration Sergej Valer'evič Čapnin – ohne Angabe von Titeln, aber mit der Angabe „Russland / Vereinigte Staaten“, dort Senior Fellow des Orthodox Christian Studies Center (zu diesem Studienzentrum, vgl. die Offizielle Webseite). Von dort war auch die Erklärung zur Lehre von der „Russischen Welt“ (Ruskij Mir) (online unter publicorthodoxy.org, dt.) vom 13. März 2022 ausgegangen, die ebenfalls von ihm unterzeichnet wurde (siehe Unterschriftenliste), eine auf der Website Kalakazo als antirussisches politisches Pamphlet eingeordnete, in vielen Sprachen gleichzeitig publizierte Schrift, die dann als fast dogmatisches Oros eines ökumenischen Konzils beworben wurde (kalakazo.livejournal.com – 25. August 2022: „Антирусскую политическую листовку тогда раскручивали как чуть ли не догматический орос вселенского собора.“). - Tschapnin (Chapnin), der verantwortlicher Redaktor des Journals des Moskauer Patriarchats, war zusammen mit dem Erzpriester Wsewolod Tschaplin (dem Leiter der Synodalabteilung für die Beziehungen zwischen Kirche und Gesellschaft) im Dezember 2015 prominent aus der Administration der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) entlassen worden (vgl. g2w.eu: Patriarch Kirill entlässt prominente Mitarbeiter).
  15. NÖK (vgl. risu.ua)
  16. estnisch Riho Altnurme