O Little Town of Bethlehem

Weihnachtslied aus den USA
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O Little Town of Bethlehem ist ein seit dem Ende des 19. Jahrhunderts in den USA sehr beliebtes Weihnachtslied. Es fand zunächst durch die Gesangbücher der Episcopal Church Verbreitung, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dann auch durch Interpretationen von Elvis Presley, Ella Fitzgerald, Bob Dylan, Garth Brooks, dem Golden Gate Quartet und anderen.

Manuskript des Autors mit der ersten Strophen

Entstehungsgeschichte Bearbeiten

Phillips Brooks (1835–1893), damals Rektor der Dreifaltigkeitskirche (Church of the Holy Trinity) in Philadelphia (Pennsylvania, USA), verfasste den Text 1868 unter dem Eindruck einer Pilgerreise in das Heilige Land, die er 1865/1866 unternommen hatte.[1]

Spätere Fassungen Bearbeiten

Der Text wurde von Brooks und späteren Herausgebern mehrfach verändert. In den gedruckten Fassungen fehlt zumeist die im ursprünglich fünfstrophigen Text an vierter Stelle stehende Strophe, weil in ihr Christus als „son of the Undefiled“ (Sohn der Unbefleckten) angesprochen wurde. Die Entstehung des Textes fällt in eine Phase intensiver Auseinandersetzung um die von der Oxford-Bewegung vorangetriebene Orientierung der anglikanischen Kirchen an katholischen Traditionen, die in den USA so stark an Boden gewann, dass es 1873 zur Abspaltung der Reformierten Episkopalkirche kam. Die Bezeichnung der Gottesmutter Maria als „undefiled“ enthielt daher erhebliches Konfliktpotential,[2] denn sie erinnerte an die schon im späteren Mittelalter entstandene, aber erst 1854 vom Papst als spezifisch katholisches Dogma verkündete Lehre von der unbefleckten Empfängnis. Die Strophe wurde in den gedruckten Fassungen daher entweder weggelassen oder das Wort „undefiled“ (unbefleckt) wurde durch „mother mild“ (gütige Mutter) ersetzt.[3]

Singbare Fassungen existieren auch in spanischer, französischer, deutscher[4] und anderen Sprachen.

Melodien Bearbeiten

 
„St. Louis“, die Vertonung von Lewis Redner (aus einem Liederbuch von 1896)

Das Weihnachtslied ist auf verschiedene Melodien verbreitet.

Phillips Brooks bat Lewis H. Redner, den Organisten seiner Kirche, den Text für die Sonntagsschule zu vertonen. Redner berichtete später, er habe diesen Auftrag zunächst aufgeschoben, in der Nacht zum Sonntag aber, für den er die Melodie zugesagt hatte, sei ihm im Schlaf ein Engel erschienen und habe ihm die Noten eingegeben.[5] In Anspielung auf den Vornamen des Komponisten wird diese Melodie in der Literatur auch als „St. Louis“ bezeichnet. Diese Melodie ist die in den Vereinigten Staaten verbreitetste Fassung und liegt auch den meisten modernen Einspielungen auf Weihnachtsalben von Popmusikern zugrunde.

 
„Forest Green“, aus dem English Hymnal, 1906

Im Vereinigten Königreich und Ländern des Commonwealth, in denen die Kirchen der Anglikanischen Gemeinschaft vorherrschen, ist eine andere Melodie verbreitet, die auf ein altes Volkslied zurückgeht. Ralph Vaughan Williams unterlegte den Text der Melodie zur Volksballade The Ploughboy’s Dream, die er 1903 von einem gewissen Henry Garman aus Forest Green in Surrey aufgezeichnet hatte.[6][7] Die Melodie wird nach ihrem Herkunftsort als „Forest Green“ referenziert. Vaughan Williams’ Chorsatz des Liedes wurde erstmals 1906 im English Hymnal publiziert.

Weitere Vertonungen des Textes stammen von Henry Walford Davies und William Rhys-Herbert, erreichten aber nicht die Popularität und Verbreitung der beiden erstgenannten Melodien.

Literatur Bearbeiten

  • Louis F. Benson: O Little Town of Bethlehem. In: Studies of Familiar Hymns. First Series. The Westminster Press, Philadelphia 1924 (englisch, Auszug [abgerufen am 24. Dezember 2012]).
  • Alexander V. G. Allen: Life and Letters of Phillips Brooks. Three Volumes. E. P. Dutton, New York 1900 (englisch).
  • Alexander V. G. Allen, Phillips Brooks: 1835–1896 – Memories of His Life With Extracts From His Letters and Note-Books. E. P. Dutton, New York 1907 (englisch).
  • Rainer Hauke: Art. „Barbe, Helmut“. In: Wolfgang Herbst (Hrsg.): Wer ist wer im Gesangbuch? Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-50323-7, S. 30 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Klaus Danzeglocke, Mathias Nagel: 55 – O Bethlehem, du kleine Stadt. In: Gerhard Hahn, Jürgen Henkys (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Band 5. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2002, ISBN 3-525-50326-1, S. 44–48.
  • O little town of Bethlehem. In: Robert Haven Schauffler (Hrsg.): Christmas. Its Origin, Celebration and Significance as Related in Prose and Verse. Dodd, Mead and Company, New York 1949, S. 5 (englisch); Volltext (Wikisource)

Weblinks Bearbeiten

Commons: O little town of Bethlehem – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise und Anmerkungen Bearbeiten

  1. Der Weihnachtsgottesdienst im römisch-katholischen Ritus, an dem er in Bethlehem teilnahm, wurde von Brooks zunächst als „langatmiger und ermüdender Mummenschanz“ empfunden, scheint aber bei ihm dennoch in der späteren Erinnerung einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben. Brief von Philipps Brooks an seinen Vater (30. Dezember 1865): „My energetic letter-writing has paused for a week. It take it up again to tell you you of my tours around Jerusalem. Last Sunday morning we attended service in the English church, and after an early dinner took our horses and rode to Bethlehem. It was only about two hours when we came to the town, situated on an eastern ridge of a range of hills, surrounded by its terraced gardens. It is a good-looking town, better built than any other we have seen in Palestine. The great church of the Nativity is its most prominent object; it is shared by the Greeks, Latins, and Armenians, and each church has a convent attached to it. We were hospitably received in the Greek convent, and furnished with a room. Before dark, we rode out of town to the field where they say the shepherds saw the star. It is a fenced piece of ground with a cave in it (all the Holy Places are caves here), in which, strangely enough, they put the shepherds. The story is absurd, but somewhere in those fields we rode through the shepherds must have been, and in the same fields the story of Ruth and Boaz must belong. As we passed, the shepherds were still 'keeping watch over their flocks,' or leading them home to fold. We returned to the convent and waited for the service, which began about ten o'clock and lasted until three (Christmas). It was the old story of a Romish service, with all its mummery [= ein katholischer Gottesdienst mit all seinem Mummenschanz], and tired us out. They wound up with a wax baby, carried in procession, and at last laid in the traditional manger, in a grotto under the church. The most interesting part was the crowd of pilgrims, with their simple faith and eagerness to share in the ceremonial. We went to bed very tired. Christmas morning we rode up to town and went to service. It rained all that day, and we stayed in the house. The next morning we were off for our trip to the Jordan …“ (Letters of Travel by Phillips Brooks, hrsg. v. M. F. B. Dutton, New York 1894, S. 69f.); Brief von Phillips Brooks an die Kinder der Sonntagsschulen von Holy Trinity und Chapel in Philadelphia (Rom, 19. Februar 1866): „I remember especially on Christmas Eve, when I was standing in the old church at Bethlehem, close to the spot where Jesus was born, when the whole church was ringing hour after hour with the splendid hymns of praise to God, how again and again it seemed as if I could hear voices that I knew well, telling each other of the 'Wonderful Night’ of the Saviour’s birth, as I heard them a year before; and I assure you I was glad to shut my ears for a while and listen to the more familiar strains that came wandering to me halfway round the world.“ (Letters of Travel by Phillips Brooks, hrsg. v. M. F. B. E. P. Dutton, New York 1894, S. 85 f.).
  2. Eine umfassende Darstellung der anglo-katholischen Sicht zur Unbefleckten Empfängnis bietet F. Hasting Smyth, The Immaculate Conception of Saint Mary The Virgin. An Eirenic Essay, McGuire-Johnson Publishers, Wadsworth IL 1954.
  3. Die Textgeschichte des Liedes spiegelt hier in ähnlicher Weise die konfessionellen Gegensätze seiner Entstehungszeit wie im deutschen Sprachraum das Weihnachtslied „Es ist ein Ros entsprungen“, in dessen zweiter Strophe aus protestantischer Sicht problematische Aussagen über Maria in der protestantischen Version durch Umdeutung auf Jesus entschärft wurden (katholisch 1599: „Das Röslein, das ich meine, / davon Jesaia sagt, / ist Maria die reine, / die uns das Blümlein bracht. / Aus Gottes ewgem Rat / hat sie ein Kind geboren / und blieb ein reine Magd“; protestantisch 1609: „Das Röslein, das ich meine, / davon Jesaia sagt, / hat uns gebracht alleine / Marie die reine Magd. / Aus Gottes ewgem Rat / hat sie ein Kind geboren / wohl zu der halben Nacht“).
  4. Der Eintrag in Wikisource bietet neben einer wörtlichen deutschen Übersetzung auch eine ältere singbare deutsche Fassung („O Bethlehem, du Städtchen klein“). Eine modernere deutsche Fassung von Helmut Barbe 1954 findet sich im Evangelischen Gesangbuch, Nr. 55 („O Bethlehem, du kleine Stadt“).
  5. Carlton A. Young: Companion to the United Methodist Hymnals. Abingdon Press 1993, S. 519: „As Christmas of 1868 approached, Mr. Brooks told me that he had written a simple little carol for the Christmas Sunday-school service, and he asked me to write the tune to it. The simple music was written in great haste and under great pressure. We were to practice it on the following Sunday. Mr. Brooks came to me on Friday, and said, ‘Redner, have you ground out that music yet to “O Little Town of Bethlehem”?’ I replied, ‘No,’ but that he should have it by Sunday. On the Saturday night previous my brain was all confused about the tune. I thought more about my Sunday-school lesson than I did about the music. But I was roused from sleep late in the night hearing an angel-strain whispering in my ear, and seizing a piece of music paper I jotted down the treble of the tune as we now have it, and on Sunday morning before going to church I filled in the harmony. Neither Mr. Brooks nor I ever thought the carol or the music to it would live beyond that Christmas of 1868.“ (nach dem Briefwechsel Louis F. Benson mit Redner von 1901)
  6. Vaughan Williams’ Manuscript of “The Ploughboy’s Dream”. Vaughan Williams Memorial Library, Full English collection; abgerufen am 30. März 2014
  7. Julian Onderdonk: Hymn Tunes from Folk Songs: Vaughan Williams and English Hymnody. In: Byron Adams, Robin Wells (Hrsg.): Vaughan Williams essays. Ashgate Publishing, Aldershot 2003, ISBN 1-85928-387-X, S. 103–128, hier S. 111.