Gemeiner Wirbeldost

Art der Gattung Wirbeldost (Clinopodium)
(Weitergeleitet von Clinopodium vulgare)

Der Gemeine Wirbeldost (Clinopodium vulgare), auch Gewöhnlicher Wirbeldost genannt, ist eine Pflanzenart der Gattung Bergminze in der Familie der Lippenblütler (Lamiaceae).

Gemeiner Wirbeldost

Gemeiner Wirbeldost (Clinopodium vulgare)

Systematik
Euasteriden I
Ordnung: Lippenblütlerartige (Lamiales)
Familie: Lippenblütler (Lamiaceae)
Unterfamilie: Nepetoideae
Gattung: Bergminzen (Clinopodium)
Art: Gemeiner Wirbeldost
Wissenschaftlicher Name
Clinopodium vulgare
L.

Beschreibung

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Illustration aus Flora Batava, Volume 11
 
Scheinquirle mit lang bewimperten Hüllblättern
 
Habitus, Laubblätter und Blütenstände
 
Blütenstand mit letzten Blüten vor dem Verblühen
 
Einzelblüten Frontalansicht

Vegetative Merkmale

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Der Gewöhnliche Wirbeldost wächst als ausdauernde krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen von 20 bis, meist 30 bis 60 Zentimetern. Vom holzigen „Wurzelstock“ gehen Ausläufer aus. Der Wirbeldost ist schwach aromatisch. Der aufsteigende Stängel ist mehr oder minder ästig und abstehend behaart. Die Blätter sind kreuzgegenständig, kurz gestielt, eiförmig und schwach gekerbt bis ganzrandig. Die ein bis vier Scheinquirle werden von einer Hülle umgeben, die aus lang-bewimperten borstigen Blättern besteht und von den tragenden Laubblättern überragt wird.

Generative Merkmale

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Die Blütezeit reicht von Juli bis Oktober.[1] 10 bis 20 Blüten stehen in dichten Scheinquirlen zusammen. Meist blühen nur wenige Blüten eines Quirls gleichzeitig. Neben zwittrigen Blüten kommen auch kleinere weibliche Blüten oder auch rein weibliche Pflanzenexemplare vor.[2] Die Blüten sind zygomorph mit doppelter Blütenhülle. Der Kelch hat eine 5 bis 6 Millimeter lange Röhre und 13 etwas vortretende Nerven.[3] Er ist zottig behaart.[3] Die Oberlippe des Kelchs besteht aus drei kürzeren, etwas aufwärts gekrümmten stechend begrannten Zähnen; die Unterlippe aus 2 längeren ebenfalls begrannten Zähnen.[3] Die purpurfarbene oder gelegentlich weiße Blütenkrone ist 10 bis 15 Millimeter lang, außen flaumig behaart, mit leicht gekrümmter Kronröhre. Die Oberlippe der Krone ist 2 bis 3 Millimeter lang, flach und schwach ausgerandet.[3] Die Unterlippe ist fast doppelt so lang und besteht aus 3 rundlichen, am Rand welligen Lappen.[3] Die Klausenfrüchte zerfallen in Klausen. Die kastanienbraunen Klausen sind kugelig und etwa 1 Millimeter lang.[3]

Die Chromosomenzahl aller drei Unterarten beträgt 2n = 20.[4]

Verwechslungsmöglichkeit

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Nichtblühende Pflanzen ähneln dem Oregano (Origanum vulgare).[5] Im Unterschied zum Oregano sind beim Wirbeldost die Laubblätter auf der Unterseite nicht punktiert.

 
Adulter Rostfarbiger Dickkopffalter auf Gemeinem Wirbeldost auf dem Hochplateau Bijela gora, Montenegro

Ökologie

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Der Gewöhnliche Wirbeldost ist ein Hemikryptophyt (Schaftpflanze).[2]

Blütenökologisch handelt es sich um „Eigentliche Lippenblüten“. Ihre Narben und Staubbeutel sind nur von oben bedeckt. Nektar ist reichlich vorhanden, aber wegen der langen Kronröhre ist er nur Hummeln (Gattung Bombus) und Schmetterlingen zugänglich; auch Selbstbestäubung ist erfolgreich.[2]

Die Diasporen sind die Klausen, die als Windstreuer und Klebhafter ausgebreitet werden.[2]

Wirtspflanze

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Die Raupen der Grasminiermotte Stephensia brunnichella[6] leben (nur) am Wirbeldost.

Der Wirbeldost wird manchmal vom Pfefferminzrost Puccinia menthae befallen.

Vorkommen

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Der Gewöhnliche Wirbeldost kommt in ganz Europa (in Norwegen bis zum 66. Breitengrad), in Nordafrika, im gemäßigten Asien sowie in Nordamerika vor. Nach Gustav Hegi[3] hängt die zirkumpolare Verbreitung dieser Art mit ihren geringen Standortansprüchen und ihrem starken vegetativen Ausbreitungsvermögen zusammen.

Der Wirbeldost wächst in Staudenfluren und an Säumen trockener Standorte (Klasse Trifolio-Geranietea sanguinei)[7] vom Meeresniveau bis in die subalpine Höhenstufe. Er kommt in Höhenlagen bis zu, beispielsweise im Wallis von 2030 Metern, in der Türkei von 2500 Metern[8] vor und in den Allgäuer Alpen steigt er an den Ochsenhofener Köpfen in Vorarlberg bis in eine Höhenlage von 1900 Meter auf.[9] In Mitteleuropa ist er eine Charakterart der Ordnung Origanetalia.[10]

Die ökologischen Zeigerwerte nach Landolt et al. 2010 sind in der Schweiz: Feuchtezahl F = 2+ (frisch), Lichtzahl L = 3 (halbschattig), Reaktionszahl R = 4 (neutral bis basisch), Temperaturzahl T = 4 (kollin), Nährstoffzahl N = 2 (nährstoffarm), Kontinentalitätszahl K = 3 (subozeanisch bis subkontinental).[11]

Systematik

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Clinopodium vulgare wurde 1753 von Carl von Linné in Species Plantarum[12] erstveröffentlicht. Wichtige Synonyme für Clinopodium vulgare L. sind Calamintha clinopodium Spenner und Satureja vulgaris (L.) Fritsch.

Von Clinopodium vulgare sind etwa drei[4][13] Unterarten anerkannt:

  • Clinopodium vulgare L. subsp. vulgare: Der Kelch ist 7 bis 9,5 mm lang, die unteren Kelchzähne sind bis 4,0 mm, die oberen Kelchzähne bis 2,5 mm lang. Das Längenverhältnis der unteren zu den oberen Kelchzähnen liegt um 2,0. Die Blätter sind bis 40 mm lang und besitzen eine Längen-Breitenverhältnis von etwa 1,5. Diese Unterart ist im gemäßigten und submediterranen Europa heimisch und reicht ostwärts bis Indien und Sibirien. Sie kommt auch als Neophyt in der Osthälfte Nordamerikas vor.[4][13]
  • Clinopodium vulgare subsp. arundanum (Boiss.) Nyman (Syn.: Clinopodium vulgare subsp. villosum (De Noé) Bothmer): Der Kelch ist 9,5 bis 12 mm lang, die unteren Kelchzähne sind 4,0 bis 5,5 mm, die oberen Kelchzähne 2,5 bis 4,0 mm lang. Das Längenverhältnis der unteren zu den oberen Kelchzähnen liegt um 1,5. Die Pflanze ist stark behaart. Die Blätter sind 40 bis 65 mm lang und besitzen eine Längen-Breitenverhältnis von etwa 2,0. Diese Unterart besiedelt die südliche Iberische Halbinsel, den Maghreb, die Azoren und Madeira.[4][13]
  • Clinopodium vulgare subsp. orientale Bothmer: Der Kelch ist wie bei subsp. arundanum. Die Blätter sind mit bis zu 45 mm nur etwas länger als bei subsp. vulgare und besitzen mit etwa 1,5 ein ähnliches Längen-Breitenverhältnis. Diese Unterart ist zentral- und ostmediterran verbreitet und reicht vom südlichen Frankreich bis in den Iran.[4]

Trivialnamen

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Für den Gemeinen Wirbeldost bestehen bzw. bestanden, zum Teil auch nur regional, auch die weiteren deutschsprachigen Trivialnamen: Wild Basilien, Hauptdost (Schlesien), Wilde Nessel (Eifel bei Kerpen), Werbeldost, Wilddost (Schlesien), Wirbeldost und Klein Wohlgemut.[14]

Geschichte und Etymologie

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Pedanios Dioscurides. Autorenporträt im Kodex Medicina antiqua (um 1250)

Eine Pflanze Clinopodium wird bereits im 1. Jahrhundert nach Christus vom römischen Arzt und berühmtesten Pharmakologen des Altertums Pedanios Dioscurides im 99. (109.) Kapitel Περὶ κλινοπόδιου („Über Clinopodium“) des III. Buches beschrieben. Dioscurides schreibt:

„Das Klinopodium ... hat Blätter ähnlich denen des Quendels und Blüten, die Bettfüßen in gewisser Weise gleichen. ... Das Kraut und die Abkochung davon wird gegen die Bisse giftiger Tiere, gegen Krämpfe, innere Rupturen und Harnzwang genommen. Einige Tage hindurch genommen, befördert es die Monatsblutung, treibt den Embryo hinaus und vertreibt auch gestielte Warzen.“

Der Name Clinopodium leitet sich daher von griechisch κλίνη „das Lager, Bett“ und πούς-ποδός „Fuß“ ab: Die Form der Blüten des Wirbeldostes ähnelt den Knäufen antiker Bettfüße.

Medizinische Verwendung

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Der Wirbeldost wird in der Volksmedizin als stopfendes, herzstärkendes, wind- und schweißtreibendes, schleimlösendes Mittel eingesetzt[15]. In der bulgarischen Volksmedizin wurde der Wirbeldost zur Wundheilung verwendet. Opalchenova und Opreshkova[16] untersuchten seine antibakteriellen Wirkungen. Ein anderes bulgarisches Team, Dzhambazov, Daskalova, Monteva und Popov[17], untersuchte die Wirkungen eines Clinopodium-vulgare-Extraktes zur Hemmung des Tumorwachstums. Junge Triebe vom Wirbeldost enthalten Betulin[18]. Betulin ist antientzündlich, antibakteriell, antiviral, hepatoprotektiv und antitumoral. Damit wird der Wirbeldost zu einer interessanten Heilpflanze.

Weitere Verwendungen

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Die frischen oder getrockneten Blätter können als Gewürz Speisen zugegeben werden, sie helfen bei der Verdauung. Die frischen Blätter können Salaten beigefügt werden. Außerdem kann das Kraut als Teeersatz und zur Gewinnung von gelben und braunen Farbstoffen verwendet werden.[3]

Illustrationen

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Literatur

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  • David Aeschimann, Konrad Lauber, Daniel Martin Moser, Jean-Paul Theurillat: Flora Alpina. Band 2. Haupt, Bern/Stuttgart/Wien 2004, ISBN 3-258-06600-0.
  • Dietmar Aichele, Heinz-Werner Schwegler: Die Blütenpflanzen Mitteleuropas. 2. Auflage. Band 4: Nachtschattengewächse bis Korbblütengewächse. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2000, ISBN 3-440-08048-X, S. 256–257.
  • Pedanios Dioscurides: De materia medica. (ed. M. Wellmann) 3 Bände, Berlin 1906/14 (Neudruck 1958).
  • Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9, S. 794.
  • Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. Pteridophyta, Spermatophyta. 2. Auflage. Band V. Teil 4: Angiospermae: Dicotyledones 3 (4) (Labiatae – Solanaceae). Carl Hanser bzw. Paul Parey, München bzw. Berlin/Hamburg 1964, ISBN 3-489-78021-3, S. 2295–2297, 2628 (unveränderter Nachdruck von 1927 mit Nachtrag).
  • P. W. Ball, F. Getliffe: Clinopodium. In: T. G. Tutin, V. H. Heywood, N. A. Burges, D. M. Moore, D. H. Valentine, S. M. Walters, D. A. Webb (Hrsg.): Flora Europaea. Volume 3: Diapensiaceae to Myoporaceae. Cambridge University Press, Cambridge 1972, ISBN 0-521-08489-X, S. 167 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).

Einzelnachweise

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  1. Aichele & Schwegler 2000, S. 256–257.
  2. a b c d Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Porträt. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1, S. 227–228.
  3. a b c d e f g h Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa. 1. Auflage, unveränderter Textnachdruck Band V, Teil 4. Verlag Carl Hanser, München 1964. S. 2295–2297.
  4. a b c d e Roland von Bothmer: Intraspecific variation in Clinopodium vulgare L. (Labiatae). In: Botaniska Notiser. Band 120, Nr. 2, S. 202–208.
  5. Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9, S. 794.
  6. Grasminiermotte Stephensia brunnichella
  7. Flora Alpina, Band 2, S. 142.
  8. E. Leblebici: Clinopodium. In: Peter Hadland Davis (Hrsg.): Flora of Turkey and the East Aegean Islands. Vol. 7 (Orobanchaceae to Rubiaceae). Edinburgh University Press, Edinburgh 1982, ISBN 0-85224-396-0, S. 329 (englisch).
  9. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 409.
  10. Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 811.
  11. Clinopodium vulgare L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 11. Januar 2023.
  12. Carl von Linné: Species Plantarum. Band 2, Lars Salvius, Stockholm 1753, S. 587 (Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fwww.biodiversitylibrary.org%2Fopenurl%3Fpid%3Dtitle%3A669%26volume%3D2%26issue%3D%26spage%3D587%26date%3D1753~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D).
  13. a b c R. Govaerts, A. Paton, Y. Harvey, T. Navarro, M. del Rosario García Peña: World Checklist of Lamiaceae. The Board of Trustees of the Royal Botanic Gardens, Kew 2011, Clinopodium (online), Zugriff am 24. Februar 2016.
  14. Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, S. 72 (online).
  15. Clinopodium vulgare bei Plants For A Future
  16. G. Opralchenova, D. Opreshkova: Antibacterial action of extracts of Clinopodium vulgare L. curative plant. In: Drug Development and Industrial Pharmacy. Band 25, Nr. 3, 1999, S. 323–328, ISSN 0363-9045, DOI:10.1081/DDC-100102177.
  17. B. Dzhambazov, S. Daskalova, A. Monteva, N. Popov: In vitro screening for antitumor activity of Clinopodium vulgare L. (Lamiaceae) Extracts. In: Biological and Pharmaceutical Bulletin. Band 25, Nr. 4, 2002, S. 499–504 DOI:10.1248/bpb.25.499.
  18. Clinopodium vulgare (Lamiaceae) (englisch). In: Dr. Duke's Phytochemical and Ethnobotanical Database, Hrsg. U.S. Department of Agriculture, abgerufen am 17. Juli 2021.
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