Überschussnachfragefunktion

volkswirtschaftlich-mathematische Funktion zur Beschreibung eines Marktes
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Als Überschussnachfragefunktion bezeichnet man in der Volkswirtschaftslehre eine mathematische Funktion zur Beschreibung eines Marktes. Sie gibt für einen gegebenen Haushalt an, um wie viel seine Nachfrage nach jedem Gut seine ursprüngliche Ausstattung mit dem jeweiligen Gut übersteigt (individuelle Überschussnachfragefunktion).

Formale Definition Bearbeiten

Sei   der Vektor der Preise aller n Güter der Ökonomie und sei   die Anfangsausstattung des Konsumenten i mit dem Gut k. Die Menge der Konsumenten sei  . Man fasst anschließend die individuellen Ausstattungen zu einem individuellen Ausstattungsvektor   zusammen. Sei weiter

 

die marshallsche Nachfrage von Haushalt i (bezüglich aller Güter).

Definition[1]: Die (individuelle) Überschussnachfragefunktion von Haushalt i,  , ist durch

 

und die aggregierte Überschussnachfragefunktion der Ökonomie,   durch

 

gegeben.

Ist das k-te Element von   negativ, herrscht in der Ökonomie ein Überschussangebot an Gut k. Man kann (etwas weniger gebräuchlich) auch direkt eine güterspezifische Überschussnachfragefunktion   definieren. Diese gibt für ein gegebenes Gut k an, wie hoch die diesbezügliche Überschussnachfrage in der Ökonomie ist; formal:[2]

 .

Eigenschaften Bearbeiten

Eigenschaften der aggregierten Überschussnachfragefunktion:[3] Sei die Nutzenfunktion   jedes Konsumenten   stetig, streng monoton steigend und strikt quasikonkav; sei ferner  . Dann gilt:

  1.   ist stetig.
  2.   ist homogen vom Grade null, das heißt   für alle  .
  3.   genügt dem Walras-Gesetz, das heißt   für alle  .
  4. Es gibt ein reelles  , sodass   für alle k und  .

Die Eigenschaften 1 und 2 folgen direkt aus den Eigenschaften der marshallschen Nachfragefunktion. Die Homogenität vom Grade null leuchtet ein, weil die Einheit die Preise für die Überschussnachfrage unerheblich ist: Wird etwa bestimmt, dass es keine Euros, sondern nur noch Eurocent gibt, so steigen zwar die Preise in der jeweiligen Einheit um den Faktor 100, gleichwohl würde man nicht erwarten, dass sich dies auf die Gütermengen auswirkt, die angeboten bzw. nachgefragt werden. Eigenschaft 3 gilt wegen

 ,

wobei die letzte Gleichung folgt, weil für jeden Konsumenten   die Budgetbeschränkung  bei strenger Monotonie der Nutzenfunktion mit Gleichheit erfüllt ist.[4] Intuitiv: Ein nutzenmaximierender Haushalt wird stets eine Nachfrage im Umfang seines gesamten Vermögens   ausüben, weshalb der Wert seiner individuellen Überschussnachfrage null betragen muss; infolgedessen muss aber auch der Wert der aggregierten Überschussnachfrage aller Haushalte null betragen.

Literatur Bearbeiten

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Vgl. Mas-Colell/Whinston/Green 1995, S. 580 f.; Moore 2007, S. 138; Varian 1992, S. 317. Abweichend Jehle/Reny 2011, S. 204, die die aggregierte Überschussnachfragefunktion als Funktion   definieren (mit   der güterspezifischen Überschussnachfragefunktion, siehe weiter unten). Durch Einsetzen kann man sich freilich leicht davon überzeugen, dass beide Vorgehensweisen auf ein und dieselbe Funktion   führen.
  2. Vgl. Jehle/Reny 2011, S. 204; implizit in Mas-Colell/Whinston/Green 1995, S. 581.
  3. Vgl. Mas-Colell/Whinston/Green 1995 S. 582 für alle Eigenschaften; Jehle/Reny 2011, S. 204 für 1-3.
  4. Zum Beweis von Eigenschaft 3 vgl. Varian 1992, S. 318; so auch, allerdings anhand güterspezifischer Überschussnachfragefunktionen, Jehle/Reny 2011, S. 204 f.