Frédéric Raisin

Schweizer Jurist, Politiker und Kunstsammler

Frédéric-Pierre Raisin auch Frédéric Resin (* 25. August oder 25. April 1851 in Conches bei Chêne-Bougeries; † 1. Februar 1923 in Genf; heimatberechtigt in Cronay und Genf) war ein Schweizer Jurist, Politiker und Kunstsammler; er veröffentlichte zu heraldischen Fragen auch unter dem Anagramm Nisiar.

Leben Bearbeiten

Familie Bearbeiten

Frédéric Raisin war der Sohn des Untersuchungsrichters und Grossrats[1] Pierre-Isaac-Etienne Raisin (1820–1870) und dessen Ehefrau Catherine Hélène (geb. Granger).

Er war seit 1885 mit Henriette-Stéphanie, der Tochter von Frédéric-Henri Braillard verheiratet; ihr gemeinsamer Sohn war der Jurist und Politiker Marcel Raisin (1890–1949)[2].

Frédéric Raisin war ein enger Vertrauter des Malers Félix Vallotton.[3]

Werdegang Bearbeiten

Frédéric Raisin immatrikulierte sich 1869 zu einem Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Heidelberg und setzte das Studium an der Universität Genf fort.

Nach Beendigung des Studiums betätigte er sich seit 1873 unter anderem auch als Wirtschaftsanwalt.

Er war Ersatzrichter am Zivilgericht und von 1892 bis 1922 am Obergericht des Kantons.

Von 1902 bis 1913 war er Präsident des Rats der Genfer Advokatenkammer.

Er war von 1890 bis zu seinem Tod Mitglied im Aufsichtsrat der Bank von Genf und von 1907 bis 1910 im Aufsichtsrat von Sécheron.

1892 vertrat er Graf Joseph-Emile Palluat de Besset (1836–1895)[4] und dessen Schwager Marquis d'Humieres im Montblanc-Prozess unter anderem gegen Samuel Rochat, Ingenieur und Direktor der Dampfschifffahrtsgesellschaft Compagnie générale de navigation, weil es am 9. Juli 1892 in Ouchy am Genfersee zu einem Kesselzerknall beim Schaufelraddampfer Montblanc mit 26 Todesopfern kam; der Graf und dessen Schwager verloren hierbei fünf Familienangehörige.[5][6][7][8] Samuel Rochat, den Rechtsanwalt Georges Favey (1847–1919)[9] verteidigte, und die weiteren Angeklagten wurden im darauffolgenden Prozess, trotz nachgewiesener Verfehlungen, durch die Geschworenen freigesprochen.[10][11][12][13][14][15][16]

1896 wurde ihm als Konsul des Königreichs der Niederlande das Exequatur erteilt.[17]

Er wurde 1897 in den Verwaltungsrat der Jura-Simplon-Bahn gewählt.[18]

1901 wurde er Betrugsopfer des im selben Jahr festgenommenen Archäologen Jacques Mayor, Direktor der Genfer Kunstsammlungen.[19][20] Dieser hatte ihn um 30.000 Schweizer Franken betrogen[21] und wurde darauf für diese und weitere Taten zu fünf Jahren Haft verurteilt.[22][23]

Er kam 1910 in den Verwaltungsrat der Société des eaux de table stérilisées "Monopol"[24] und 1912 der Comptoir Marseillais de transit maritime et terrestre.[25]

Politisches und gesellschaftliches Wirken Bearbeiten

Von 1878 bis 1880 war Frédéric Raisin für die Jeune République (Junge Republik), die Henri Fazy 1868 gegründet hatte, im Genfer Grossrat, bis er von 1884 bis 1895 sowie 1901 und 1913 für die Demokratische Partei im Grossen Rat war.

Er war vom 1. Dezember 1890 bis zum 24. Juni 1892 Ständerat.

Als Literaturliebhaber übersetzte er die Gedichte des Argentiniers Leopoldo Díaz (1862–1947), verfasste satirische Gedichte und schrieb unter dem Anagramm Nisiar für den Intermédiaire.

Frédéric Raisin gehörte mehreren Malerjurys und Kunstkommissionen (1897 Eidgenössische Kunstkommission)[26] an, so unter anderem bei der Schweizerischen Landesausstellung 1896 in Genf.[27]

Er verkaufte 1911 das Bild Les réformateurs dans la cour du collège[28] von Ferdinand Hodler an die Stadt Genf.[29]

Seine Kunstsammlung wurde 1927 in der Galerie Moos in Genf versteigert.[30]

Mitgliedschaften Bearbeiten

Frédéric Raisin war seit 1891 Mitglied im Schweizer Juristenverein.[31]

Er war Mitglied im 1896 gegründeten Touring Club Schweiz und bis 1909 deren erster Präsident, 1909 wurde er zum Ehrenmitglied und später zum Ehrenpräsidenten ernannt.[32][33][34] Unter seinem Vorsitz gründete er, gemeinsam mit Ernest Guglielminetti[35], 1904 eine Liga gegen den Staub,[36] die sich für das Teeren der Strassen einsetzte[37], die sich jedoch bereits 1909 wieder auflöste.[38]

Seit 1905 war er Mitglied der 1891 gegründeten Schweizerischen Heraldische Gesellschaft.

Literatur Bearbeiten

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Grand Conseil de Genève - Députés. Abgerufen am 16. Mai 2024.
  2. Véronique Probst, Christoph Neuenschwander: Marcel Raisin. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 26. April 2012, abgerufen am 16. Mai 2024.
  3. Frédéric Raisin | Bibliothèque de Genève Iconographie. Abgerufen am 18. Mai 2024 (französisch).
  4. Familienstammbaum von Joseph Émile PALLUAT DE BESSET. Abgerufen am 16. Mai 2024.
  5. Das Unglück auf dem Genfersee. In: Intelligenzblatt für die Stadt Bern 11. Juli 1892. Abgerufen am 16. Mai 2024.
  6. Die Katastrophe von Ouchy. In: Seeländer Bote 12. Juli 1892. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  7. Waadt. In: Zürcherische Freitagszeitung 22. Juli 1892. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  8. Kleine Zeitung. In: Der Bund 27. Juli 1892. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  9. Olivier Meuwly, Marianne Derron Corbellari: Georges Favey. In: Historisches Lexikon der Schweiz. 28. März 2006, abgerufen am 17. Mai 2024.
  10. Waadt. In: Tagblatt der Stadt Biel 22. September 1892. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  11. Waadt. In: Tagblatt der Stadt Biel 12. Oktober 1892. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  12. Waadt. In: Intelligenzblatt für die Stadt Bern 24. Oktober 1892. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  13. Schweiz: "Montblanc"-Prozeß. In: Der Bund 25. Oktober 1892 Ausgabe 02. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  14. Waadt. In: St. Galler Volksblatt 26. Oktober 1892. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  15. Eidgenössisches. In: St. Galler Volksblatt 3. Dezember 1892. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  16. Carl Stooss: Die Grundzüge des schweizerischen Strafrechts. H. Georg, 1893 (google.de [abgerufen am 16. Mai 2024]).
  17. Schweiz: Aus dem Bundesrat. In: Der Bund 23. November 1895 Ausgabe 02. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  18. Handel und Verkehr. In: Neue Zürcher Zeitung 27. Juni 1897. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  19. Kleine Zeitung. In: Der Bund 1. September 1901. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  20. Genf. In: Intelligenzblatt für die Stadt Bern 29. Oktober 1901. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  21. Vom Prozeß Mayor in Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 27. November 1901. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  22. Der Fall Mayor. In: Der Bund 27. November 1901. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  23. Kleine Mitteilungen. In: Neue Zürcher Zeitung 9. Januar 1902. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  24. Société des eaux de table stérilisées Monopol. In: Neue Zürcher Zeitung 25. August 1910 Ausgabe 04. Abgerufen am 18. Mai 2024.
  25. Handel und Verkehr. In: Neue Zürcher Zeitung 28. Februar 1912. Abgerufen am 18. Mai 2024.
  26. Schweiz: Bundesrat. In: Der Bund 1. Februar 1899 Ausgabe 02. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  27. Schweiz. Landesausstellung in Genf 1896. In: Der Bund 13. September 1894 Ausgabe 02. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  28. Calvin et les professeurs dans la cour du Collège de Genève | Musées d'art et d'histoire de Genève. Abgerufen am 18. Mai 2024 (französisch).
  29. Kleine Chronik. In: Neue Zürcher Zeitung 25. Oktober 1911. Abgerufen am 18. Mai 2024.
  30. Galérie Moos [Hrsg.]: Catalogue des tableaux, aquarelles, dessins et gravures, objets d'art et d'ameublements, meubles, bronzes, porceilaines, etc.: dépendant de la collection de M. Frédéric Raisin et dont la vente aura lieu à Genève à la Galerie Moos, les 18 et 19 novembre 1927 (Katalog Nr. 1) (Genève, 1927). Abgerufen am 16. Mai 2024 (französisch).
  31. Zeitschrift für schweizerisches Recht: ZSR. Helbing & Lichtenhahn, 1891 (google.de [abgerufen am 18. Mai 2024]).
  32. Neue Zürcher Zeitung 8. November 1897 — e-newspaperarchives.ch. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  33. Drahtberichte der Kleinen Zeitung. In: Der Bund 5. April 1909 Ausgabe 02. Abgerufen am 18. Mai 2024.
  34. Todes-Anzeige. In: Neue Zürcher Zeitung 4. Februar 1923 Ausgabe 02. Abgerufen am 18. Mai 2024.
  35. Franz Fischer: Vergessene Hauptachse: Bundesstraße 30 in Oberschwaben. Books on Demand, 2019, ISBN 978-3-7494-5830-1 (google.de [abgerufen am 18. Mai 2024]).
  36. Genf. In: Neue Zürcher Zeitung 28. November 1904. Abgerufen am 17. Mai 2024.
  37. Sport. In: Neue Zürcher Zeitung 11. November 1905. Abgerufen am 18. Mai 2024.
  38. Liga gegen den Staub. In: Der Bund 13. Juni 1909. Abgerufen am 18. Mai 2024.