Sakineh Mohammadi Ashtiani

iranische Frau, zum Tod durch Steinigung verurteilt
(Weitergeleitet von Sakineh Ashtiani)

Sakineh Mohammadi Ashtiani (* 1967; persisch سکينه محمدي آشتياني) ist eine iranische Frau aus Ost-Aserbaidschan, die im Iran wegen Ehebruchs und Beihilfe zur Ermordung ihres Ehemanns für schuldig befunden und zum Tod durch Steinigung verurteilt wurde.[1][2] Ihre für Juli 2010 angesetzte Hinrichtung wurde nach internationalen Protesten zunächst ausgesetzt.[3] Nach Angaben von Menschenrechtsaktivisten hat das Oberste Gericht in Teheran die Vollstreckung der Todesstrafe durch den Strang Anfang November 2010 genehmigt.[4][5] Eine am 9. Dezember 2010 gemeldete Freilassung wurde vom iranischen Sender Press TV auf seiner Internetseite dementiert.[6] Am 17. Januar 2011 wurde von der Vorsitzenden des Menschenrechtsausschusses im iranischen Parlament, Sohre Elahian, mitgeteilt, dass aufgrund des Gnadengesuchs der Kinder von Frau Ashtiani die Strafe in eine zehnjährige Gefängnisstrafe umgewandelt worden sei.[7]

Erste Verurteilung

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Sakineh Mohammadi Ashtianis Ehemann, Ebrahim Ghaderzadeh, starb 2005. Die örtliche Polizei behauptete, Ashtiani habe ihm ein Beruhigungsmittel verabreicht, bevor Issa Taheri, der Cousin Ebrahim Ghaderzadehs, ihn im Badezimmer mit einem tödlichen Stromstoß ermorden konnte. Issa Taheri hat den Mord gestanden und alle Schuld auf sich genommen.[8] Ashtiani wurde am 15. Mai 2006 von einem Gericht in Täbris verurteilt, nachdem sie, nach iranischem Recht, der „unerlaubten Beziehung“ mit zwei Männern (Ali und Nasser Nojoumi) für schuldig befunden wurde.[1] Daraufhin wurde sie zu 99 Peitschenhieben verurteilt; diese Strafe wurde vollzogen.[9]

Zweiter Prozess

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Im September 2006 wurde ihr Fall erneut aufgebracht, als vor einem Berufungsgericht gegen einen der beiden Männer wegen Beteiligung am Tode von Ashtianis Ehemann verhandelt wurde.[10][11] Während dieses Prozesses zog Ashtiani das Geständnis zurück, das sie während der Verhöre vor Beginn des Verfahrens abgelegt hatte. Sie gab an, zu dem Geständnis gezwungen worden zu sein, und bestritt, dass sie Ehebruch begangen habe.[12] Für zwei der fünf urteilenden Richter fehlte es für den Tatbestand des Ehebruchs an den nötigen Nachweisen, drei Richter urteilten nach einer Klausel im iranischen Strafrecht, welche „Erkenntnisse des Richters“ mitverwerten darf. Ashtiani wurde in diesem Prozess wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung verurteilt.[13]

Das iranische Oberste Gericht bestätigte das Todesurteil gegen sie am 27. Mai 2007. Die Kommission für Amnestien lehnte zwei Gnadengesuche ab, so dass nur eine Begnadigung durch Ayatollah Ali Khamenei die Hinrichtung hätte verhindern können.[9] Der oberste Richter der Provinz Ost-Aserbaidschan, Malek Ajdar Sharifi, erklärte, die Strafe werde vorerst nicht vollzogen. Dabei sei das Urteil „endgültig und anzuwenden“, jedoch wegen „humanitärer Bedenken“ des obersten Richters des Landes erst einmal verschoben worden.[14] Die iranische Botschaft in London veröffentlichte am 8. Juli 2010 eine Erklärung, Ashtiani werde „gemäß Informationen der einschlägigen juristischen Einrichtungen im Iran nicht durch Steinigung hingerichtet werden“, was offenbar die Möglichkeit der Hinrichtung durch eine andere Methode offenlässt. Hinrichtungen im Iran werden üblicherweise durch Hängen vollzogen. Journalisten im Iran ist die Berichterstattung über den Fall verboten.[15][16] Im Dezember 2011 deuteten die Justizbehörden an, das Todesurteil könne als Hängen ausgeführt werden.[17]

Proteste

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Einer von ihren beiden Kindern gestarteten Kampagne[18] gelang es, die sofortige Hinrichtung von Mohammadi Ashtiani im Juli 2010 zu verhindern. Das Todesurteil wurde jedoch nicht aufgehoben.

Gegen die Hinrichtungspläne gab es öffentliche Proteste in London und Washington, D.C. sowie in anderen Städten.[19] Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch und Amnesty International sowie viele westliche Politiker und Prominente forderten öffentlich, Ashtianis Hinrichtung zu stoppen.[20]

Der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva bot anlässlich einer Wahlkampfrede am 2. August 2010 Sakineh Mohammadi Ashtiani Asyl an. In einer ersten Reaktion lehnte der Iran das Angebot ab.[21] Ihr Anwalt Mohammed Mostafai ist, nachdem Ende Juli 2010 gegen ihn ein Haftbefehl erlassen wurde, über die Türkei nach Norwegen geflohen und bat dort um Asyl.[22]

Mit verschiedenen Aufrufen und Internetseiten haben sich hunderttausende Menschen, darunter prominente Politiker, Künstler und Schauspieler, für Sakineh Ashtiani eingesetzt.[23]

Angebliche TV-Geständnisse

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Am 9. August 2010 sendete das iranische Staatsfernsehen eine Aussage von Ashtiani, die als ihr Geständnis wiedergegeben wurde. Ihrem Anwalt Houtan Kian zufolge wurde diese Aussage durch zwei Tage lange Folter und Schläge erzwungen. Ein weiterer Anwalt Ashtianis erklärte nach seiner Flucht aus dem Iran nach Norwegen, seine Mandantin wolle mit dieser Äußerung ihr Leben retten. Amnesty International verurteilte das Vorgehen des Iran („Iran erfindet Verbrechen“). Das Internationale Komitee gegen Steinigung sagte, es sei „nicht das erste Mal, dass unschuldige Opfer im Fernsehen vorgeführt und dann auf der Grundlage der erzwungenen Geständnisse verurteilt werden“.[24]

In einem Fernsehauftritt am 15. September 2010 hatte Ashtiani die Angabe, ihr Geständnis sei durch Folter erzwungen worden, bestritten; ihre Kinder und ihr Anwalt Kian halten auch dieses Interview für erzwungen.[25] Kian wurde am 10. Oktober 2010 gemeinsam mit Ashtianis Sohn Sajjad Ghaderzadeh und zwei deutschen Journalisten verhaftet.[26]

In einem weiteren Fernsehauftritt, gesendet am 15. November 2010, soll sich Ashtiani als „Sünderin“ bezeichnet haben. Ihr Gesicht war dabei unkenntlich und das, was sie sagte, nach Angaben des staatlichen Fernsehens, simultan von aserbaidschanischem Türkisch in Farsi übersetzt worden.[27]

Anfang Dezember 2010 wurde Ashtiani gezwungen, die Ermordung ihres Mannes szenisch nachzustellen. Dabei wurde sie gefilmt; der Film wurde im iranischen Staatsfernsehen ausgestrahlt. Diese Inszenierung löste weltweit erneut Empörung aus.[28]

Auf einer Pressekonferenz am 2. Januar 2011 sprach Ashtiani vor ausländischen Journalisten in der nordwestiranischen Stadt Täbris. Dabei gab sie vor, aus eigenem Willen vor die Kameras zu treten, „um zu der Welt zu sprechen“. Sie wolle reden, weil viele Menschen ihren Fall „ausgebeutet und behauptet hätten, sie sei gefoltert worden, was eine Lüge ist.“ Sie wolle „diejenigen verklagen, die Schande über mich und das Land gebracht haben.“ Beobachter gehen davon aus, dass die Verurteilte zu diesen Äußerungen genötigt wurde oder zumindest hoffte, dadurch Einfluss auf die iranische Justiz zu nehmen, um die Vollstreckung ihres Urteils abzuwenden.[29][30]

Festnahme von deutschen Journalisten

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Zwei Reporter der Bild am Sonntag, Marcus Hellwig und Jens Koch, wurden am 10. Oktober 2010, einen Tag nach ihrer Einreise in den Iran (ohne offizielle Akkreditierung) von den Sicherheitsbehörden festgenommen. Sie hatten versucht, in der iranischen Provinz Aserbaidschan den Sohn und den Anwalt von Sakineh Mohammadi Ashtiani zu interviewen. Ihre Kontaktperson, die auch das Interview über das Telefon übersetzen sollte, war die in Köln lebende Menschenrechtlerin Mina Ahadi. Der iranische Justizsprecher Malek Ajdar Scharifi sagte nach Angaben der iranischen Nachrichtenagentur Fars: „Die Deutschen kamen mit Touristenvisa in den Iran, aber ihre Aktivitäten hier haben gezeigt, dass ihr Ziel Spionage und die Übermittlung von Informationen war, und dies ist bewiesen worden.“ Bei einer Verurteilung wegen Spionage drohen in Iran hohe Haftstrafen.[31][32] Das iranische Fernsehen hatte am 16. November ein Interview mit den festgenommenen deutschen Journalisten und Sakineh Mohammadi Ashtiani gezeigt, in dem alle drei Fehler einräumten. Unklar ist allerdings, wie freiwillig diese Äußerungen getroffen wurden.[33] Die Nachrichtenagentur Reuters meldete am 16. November, dass Iran gegen die festgenommenen Reporter offiziell den Vorwurf der Spionage erhoben habe.[34] Die Bundesregierung bemühte sich auf diplomatischen Kanälen um die Freilassung der beiden Journalisten.[35] Sie wurden schließlich am 19. Februar 2011 freigelassen und trafen begleitet vom damaligen Bundesaußenminister Guido Westerwelle wieder in Deutschland ein.[36]

Siehe auch

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Einzelnachweise

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  1. a b IRAN: Judiciary official says woman to be stoned for husband’s murder, not just adultery., 12. Juli 2010. Abgerufen am 6. September 2010  (englisch).
  2. Shahghasemi, E. (October 26, 2016). Human Rights against Human Rights: Sexism in Human Rights Discourse for Sakineh Mohammadi. Society, 53(6), 614–618.
  3. Scharia oder Gnade? Archiviert vom Original; abgerufen am 7. Oktober 2023.
  4. Termin verstrichen – Verurteilte Iranerin noch nicht hingerichtet, 3. November 2010 
  5. Greifen nun doch die Menschenrechte im Fall Aschtiani?, 3. November 2010 
  6. AFP: Staats-TV: Iranerin Mohammadi Aschtiani doch nicht frei. 14. Dezember 2010, archiviert vom Original am 14. Dezember 2010; abgerufen am 7. Oktober 2023.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.google.com
  7. Steinigung: Iran setzt Todesstrafe gegen Aschtiani aus - WELT. 21. Dezember 2015, abgerufen am 7. Oktober 2023.
  8. Bernard-Henri Lévy: Der Fall „Sakineh Ashtiani“: Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß. In: FAZ.NET. 10. November 2010, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 7. Oktober 2023]).
  9. a b Iran: Prevent Woman’s Execution for Adultery In: Human Rights Watch, 7. Juli 2010. Abgerufen am 12. Juli 2010  (englisch)
  10. Von Steinigung bedroht: Iran zwingt angebliche Ehebrecherin zu TV-Geständnis. In: Der Spiegel. 12. August 2010, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 7. Oktober 2023]).
  11. Iran: Prevent Woman’s Execution for Adultery | Human Rights Watch. 7. Juli 2010, abgerufen am 7. Oktober 2023 (englisch).
  12. Sakineh Ashtiani weiter in Hinrichtungsgefahr. Abgerufen am 7. Oktober 2023.
  13. Justizmord im Namen Allahs. Abgerufen am 7. Oktober 2023.
  14. Florian Rötzer: Irans Führung verschiebt die Steinigung einer Frau wegen Ehebruchs. telepolis.de, 12. Juli 2010, abgerufen am 17. Juli 2010.
  15. Iran denies stoning claims In: Press TV, 9. Juli 2010. Abgerufen am 12. Juli 2010  (englisch)
  16. Saeed Kamali Dehghan: Iran imposes media blackout over stoning sentence woman. In: The Guardian. 9. Juli 2010, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 7. Oktober 2023]).
  17. Iran: Hängen statt Steinigen - Nachrichten - KURIER.at. 9. Januar 2012, archiviert vom Original am 9. Januar 2012; abgerufen am 7. Oktober 2023.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/kurier.at
  18. Drohende Steinigung von Ashtiani: „Helft uns, unsere Mutter zu retten“. Stern.de, 8. Juli 2010, abgerufen am 17. Juli 2010.
  19. Iran execution of woman temporarily halted, state media reports In: CNN, 11. Juli 2010. Abgerufen am 12. Juli 2010 (englisch); DC: Protests Outside Iranian Interests Building: Stop the Stoning of Sakineh Ashtiani In: Responsible for Equality And Liberty, 3. Juli 2010. Abgerufen am 12. Juli 2010 (englisch)
  20. Iran will Steinigung wegen Ehebruchs überdenken. Welt.de, 12. Juli 2010, abgerufen am 17. Juli 2010.; Halt stoning of Iran 'adulterer' – Human Rights Watch In: BBC News, 7. Juli 2010. Abgerufen am 12. Juli 2010 (englisch); David Akin: PM's wife opposes Iranian woman’s death sentence In: Toronto Sun, 10. Juli 2010. Abgerufen am 12. Juli 2010 (englisch); Celebs Pressure Iran on Stoning In: The Sun, 8. Juli 2010. Abgerufen am 12. Juli 2010 (englisch); Megan Gibson: An Iranian Woman's Unlikely Supporter: Lindsay Lohan In: Time Magazine, 9. Juli 2010. Abgerufen am 12. Juli 2010 (englisch)
  21. Ulrike Putz: Asylangebot aus Brasilien: Lula will Iranerin vor Todesstrafe retten. In: Der Spiegel. 2. August 2010, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 7. Oktober 2023]).
  22. otr/apn/AFP: Von Steinigung bedrohte Iranerin: Anwalt flieht nach Oslo. In: Spiegel Online. 8. August 2010, abgerufen am 15. Mai 2020.
  23. Beispiele: Online-Petition auf freesakineh.org (Memento vom 24. August 2010 im Internet Archive) (englisch, mit Bild von Sakineh Mohammadi Ashtiani); Heather Reisman (Globe and Mail): Let’s get noisy; Donya Jam (Facebook): Save Sakineh Mohammadi Ashtiani from being Stoned to Death in Iran
  24. Ashtiani droht nach TV-Geständnis die Hinrichtung. Abgerufen am 7. Oktober 2023.
  25. Saeed Kamali Dehghan: Sakineh Mohammadi Ashtiani denies torture claims on Iranian TV. In: The Guardian. 15. September 2010, ISSN 0261-3077 (theguardian.com [abgerufen am 7. Oktober 2023]).
  26. ICAE: Sajjad Ghaderzadeh and Houtan Kian have been arrested (Memento vom 23. Oktober 2010 im Internet Archive)
  27. Umstrittener Auftritt: Iranisches TV zeigt zum Tod verurteilte Aschtiani. In: Der Spiegel. 15. November 2010, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 7. Oktober 2023]).
  28. RP ONLINE: Iran führt Todeskandidatin im TV vor. 14. Dezember 2010, abgerufen am 7. Oktober 2023.
  29. Sakineh Mohammadi Aschtiani kämpft um Gnade. Abgerufen am 7. Oktober 2023.
  30. Süddeutsche Zeitung: Zum Tod verurteilte Iranerin beschuldigt Journalisten. 3. Januar 2011, abgerufen am 7. Oktober 2023.
  31. n-tv NACHRICHTEN: Deutsche Journalisten im Iran inhaftiert. Abgerufen am 7. Oktober 2023.
  32. ftd.de vom 16. November 2010 (Memento vom 20. Dezember 2010 im Internet Archive) Iran beschuldigt deutsche Reporter der Spionage
  33. Süddeutsche Zeitung: Reporter räumen "Fehler" ein. 16. November 2010, abgerufen am 7. Oktober 2023.
  34. Anklage wegen Spionage: Teheran führt deutsche Journalisten im TV vor. In: Der Spiegel. 16. November 2010, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 7. Oktober 2023]).
  35. Inhaftierte Spionageverdächtige: Iran führt Deutsche im Fernsehen vor. In: Die Tageszeitung: taz. 16. November 2010, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 7. Oktober 2023]).
  36. Süddeutsche de GmbH, Munich Germany: Aktuelle Nachrichten und Kommentare. 6. Oktober 2023, abgerufen am 7. Oktober 2023.