Limes superior und Limes inferior

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In der Mathematik bezeichnen Limes superior bzw. Limes inferior einer Folge reeller Zahlen den größten bzw. kleinsten Häufungspunkt der Folge. Limes superior und Limes inferior sind ein partieller Ersatz für den Grenzwert, falls dieser nicht existiert.

Limes superior und Limes inferior einer Folge: Die Folge xn wird mit blauen Punkten dargestellt. Die beiden roten Kurven nähern sich dem Limes superior und Limes inferior der Folge an, die als gestrichelte schwarze Linien dargestellt sind.

Notation Bearbeiten

Der Limes inferior wird im Folgenden mit   bezeichnet, der Limes superior mit  . Üblich sind als Bezeichnung auch   für den Limes inferior bzw.   für den Limes superior.

Limes superior und Limes inferior für Folgen Bearbeiten

Folgen reeller Zahlen Bearbeiten

Definition Bearbeiten

Sei   eine Folge reeller Zahlen. Dann ist der Limes inferior von   definiert als

 

Analog ist der Limes superior von   definiert als

 

Dabei stehen   und   für Infimum und Supremum.

Eigenschaften Bearbeiten

 
Bei beschränkten Folgen liegen für jedes   fast alle Folgenglieder im offenen Intervall  .

Als Elemente der erweiterten reellen Zahlen   existieren Limes inferior und Limes superior für jede Folge reeller Zahlen. Der Limes inferior und der Limes superior sind genau dann beide reelle Zahlen, wenn die Folge beschränkt ist. In diesem Fall erhält man aus der Existenz von Limes inferior und Limes superior den Satz von Bolzano-Weierstraß.

Für jedes   liegen jeweils unendlich viele Folgenglieder im offenen Intervall

  bzw.  

Außerdem erfüllen fast alle Folgenglieder

 

Damit ist der Limes inferior der kleinste und der Limes superior der größte Häufungspunkt einer Folge und somit gilt

 

Gleichheit liegt genau dann vor, wenn die Folge in den erweiterten reellen Zahlen konvergiert. In diesem Fall gilt

 

Die Bezeichnung   bzw.   ist dadurch motiviert, dass

  bzw.  

Die Grenzwerte existieren, da monotone Folgen in den erweiterten reellen Zahlen konvergent sind.

Da Häufungspunkte gerade die Grenzwerte konvergenter Teilfolgen sind, ist der Limes inferior die kleinste erweiterte reelle Zahl, gegen die eine Teilfolge konvergiert bzw. der Limes superior die größte.

Verallgemeinerung auf allgemeine Folgen Bearbeiten

Sei   eine partiell geordneten Menge und   eine Folge. Um   und   genauso wie im Fall von reellen Folgen definieren zu können, müssen in   die entsprechenden Suprema und Infima existieren. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn   ein vollständiger Verband ist, so dass auch in diesem Fall jede Folge einen Limes inferior und einen Limes superior besitzt.

Limes superior und Limes inferior für Folgen reeller Funktionen Bearbeiten

Für eine Folge reeller Funktionen  , also   für alle  , sind Limes inferior und Limes superior punktweise definiert, also

 

Eine bekannte mathematische Aussage, die den Begriff des Limes inferior einer Funktionenfolge verwenden, ist das Lemma von Fatou.

Limes superior und Limes inferior von Mengenfolgen Bearbeiten

Für eine beliebige Menge   bildet die Potenzmenge   einen vollständigen Verband unter der durch die Teilmengenrelation definierten Ordnung. Sei   eine Folge von Teilmengen von  , also   für alle  . Dann gilt

 

Damit erhält man für Limes inferior und Limes superior

 

und

 

Der Limes inferior einer Folge   kann als die Menge aller Elemente aus   beschrieben werden, die in fast allen   liegen, der Limes superior der Mengenfolge   als die Menge aller Elemente aus  , die in unendlich vielen   liegen.

Der Limes superior von Mengen wird beispielsweise im Borel-Cantelli-Lemma verwendet.

Außerdem lassen sich mit dem Limes inferior und superior konvergente Mengenfolgen definieren. Die Folge   konvergiert gegen die Menge  , falls der Limes inferior und der Limes superior der Folge gleich sind. Eine Folge von Teilmengen einer Menge   konvergiert genau dann, wenn es zu jedem   einen Index   gibt, so dass entweder   für alle   oder   für alle   gilt; in Formeln:

 

Limes superior und Limes inferior von Funktionen Bearbeiten

Sei   ein Intervall,   ein innerer Punkt von   und   eine reellwertige Funktion. Dann sind Limes superior und Limes inferior jene Werte aus den erweiterten reellen Zahlen  , die folgendermaßen definiert sind:[1]

 ,
 .

  bezeichnet dabei die Bildmenge des offenen Intervalls  , wobei   so klein zu wählen ist, dass  .

Analog zu einseitigen Grenzwerten werden ein einseitiger Limes superior und ein einseitiger Limes inferior definiert:

 ,
 ,
 ,
 .

Limes superior und Limes inferior von Funktionen werden beispielsweise bei der Definition der Halbstetigkeit verwendet.

Verallgemeinerung von Limes superior und Limes inferior Bearbeiten

Definition Bearbeiten

Sei   ein beliebiger topologischer Raum,   eine partiell geordnete Menge, in welcher zu jeder nichtleeren Teilmenge   sowohl   als auch   existiert.   trage die von dieser Ordnung induzierte Topologie. Sei weiter  ,   und   ein Häufungspunkt von   (das heißt jede Umgebung von   enthalte ein von   verschiedenes Element aus  ). Die Menge der Umgebungen von   in   werde mit   bezeichnet.

Definiere nun:

 
 

  darf hierbei durch eine beliebige Umgebungsbasis von   ersetzt werden.

Eigenschaften Bearbeiten

Es ist stets

 

Außerdem folgt aus der Gleichheit des Limes superior mit dem Limes inferior  , dass   existiert und es gilt

 

Beispiele Bearbeiten

  • Für  ,  ,   und   erhält man die aus der Analysis bekannte Definition des Limes inferior und Limes superior einer Folge reeller Zahlen.
  • Für  ,  ,   und   erhält man die Definition des Limes inferior und Limes superior für Mengenfolgen.

Literatur Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Nelson Dunford and Jacob T. Schwartz. Linear Operators. Part I. General Theory. John Wiles and Sons, 1988, p. 4. ISBN 0-471-60848-3.