In der Mathematik, speziell in der Gruppentheorie, ist der Holomorph einer Gruppe G eine bestimmte mit bezeichnete Gruppe, die sowohl die Gruppe G als auch ihre Automorphismengruppe enthält, oder zumindest Kopien dieser beiden Gruppen.[1] Der Holomorph gestattet es, die Umkehrungen gewisser Sätze über vollständige Gruppen und charakteristisch einfache Gruppen zu zeigen. Es gibt zwei Versionen, einmal als semidirektes Produkt und einmal als Permutationsgruppe. In der deutschsprachigen Literatur war früher auch die Bezeichnung „Holomorphie einer Gruppe“ üblich.[2]

Der englische Begriff holomorph zur Bezeichnung der hier vorgestellten Konstruktion wurde 1897 von William Burnside eingeführt. Allerdings erscheint er auch schon früher bei anderen Autoren.[3]

Hol(G) als semidirektes Produkt

Bearbeiten

Bezeichnet   die Automorphismengruppe der Gruppe  , so setzt man

 

wobei das (externe) semidirekte Produkt zur natürlichen Operation von   auf G gehört. Damit hat   das kartesische Produkt aus G und   als unterliegende Menge und die Gruppenoperation ist durch

 

definiert.

Hol(G) als Permutationsgruppe

Bearbeiten

Eine Gruppe G operiert (von links) auf natürliche Weise auf sich selbst, genauer auf ihrer unterliegenden Menge, mittels Multiplikation von links und Multiplikation von rechts. Die Multiplikation von links gehört zum Homomorphismus

 

von   nach  , wobei die symmetrische Gruppe   mit der Gruppenverknüpfung   ausgestattet ist. Die Multiplikation von rechts gehört zum Homomorphismus

 

Bei dieser zweiten Operation muss man g invertieren, um eine Linksoperation zu erhalten, das heißt einen Homomorphismus  , wie wir ihn definiert haben.

Diese beiden Homomorphismen sind injektiv und definieren daher Isomorphismen von G auf Untergruppen   bzw.   von   (wie im Satz von Cayley). Für ein gegebenes g wird die Permutation   von G oft „die Translation von links mit g“ genannt.[4]

Wir definieren nun   als die von   und   erzeugte Untergruppe von  .[5] Leicht zeigt man, dass für ein Element  

 

gilt, das heißt,   normalisiert  . Da   und   zusammen   erzeugen, ist   ein Normalteiler in  . Genauso kann man zeigen, dass   der Normalisator von   in   ist.

Darüber hinaus hat man  , denn eine Translation, die ein Automorphismus ist, bildet 1 auf 1 ab. Also ist   das (interne) semidirekte Produkt aus   und  . Dann folgt aus der Gleichung (1), dass die Abbildung   einen Isomorphismus zwischen dem externen semidirekten Produkt   (mit der natürlichen Operation von   auf G) und dem Holomorph   definiert. Die zwei hier gegebenen Definitionen von   führen also zu isomorphen Gruppen.

Leicht zeigt man[6], dass als Permutationsgruppe   auch die von   und   erzeugte Untergruppe in   ist. (Beachte  , wobei   den inneren Automorphismus   bezeichnet.)

Da   einen Isomorphismus von G auf   definiert, hat jeder Automorphismus auf   die Form   für einen Automorphismus   von G. Dann zeigt obige Relation (1):

  • Jeder Automorphismus von   ist die Einschränkung eines inneren Automorphismus von  .

Da   isomorph zu G ist, ergibt sich:

  • Jede Gruppe G kann in eine Gruppe H derart eingebettet werden, dass jeder Automorphismus von G die Einschränkung eines inneren Automorphismus von H ist.

Daraus folgt auch:[7]

  • Eine Untergruppe von   ist genau dann charakteristisch, wenn sie Normalteiler in   ist.

Beispiele

Bearbeiten
  •  , wobei   die symmetrische Gruppe dritten Grades ist.[8]
  •  , wobei   die unendliche Diedergruppe ist.[9]

Anwendungen des Holomorphs

Bearbeiten
  • Eine Gruppe heißt vollständig, wenn ihr Zentrum nur aus dem neutralen Element besteht und alle ihre Automorphismen innere sind. Man beweist: Wenn eine vollständige Untergruppe G Normalteiler einer Gruppe H ist, dann ist sie sogar ein direkter Faktor von H.[10] Umgekehrt kann man zeigen, dass eine Gruppe vollständig ist, wenn sie direkter Faktor in jeder Gruppe ist, in der sie als Normalteiler enthalten ist.[6] Dazu verwendet man die Tatsache, dass unter den gegebenen Voraussetzungen   ein direkter Faktor des Holomorphs   ist.
  • Man nennt eine Gruppe charakteristisch einfach, wenn die einzigen charakteristischen Untergruppen die triviale Untergruppe und die Gruppe selbst sind. Leicht zeigt man, dass alle minimalen Normalteiler einer Gruppe charakteristisch einfach sind. Umgekehrt kann man zeigen, dass jede nichttriviale charakteristisch einfache Gruppe so in eine andere Gruppe eingebettet werden kann, dass sie dort minimaler Normalteiler ist. Da G und   isomorph sind, genügt es zu zeigen, dass   minimaler Normalteiler im Holomorph   ist. Das ergibt sich leicht aus der oben genannten Tatsache, dass eine Untergruppe von   genau dann charakteristisch ist, wenn sie Normalteiler in   ist.

Einzelnachweise

Bearbeiten
  1. Wilhelm Specht: Gruppentheorie. Springer-Verlag (1956), Kapitel 1.3.5: Der Holomorph einer Gruppe.
  2. Andreas Speiser: Die Theorie der Gruppen endlicher Ordnung (= Lehrbücher und Monographien aus dem Gebiete der exakten Wissenschaften – Mathematische Reihe. Nr. 22). 4. Auflage. Birkhäuser Verlag, Basel/Stuttgart 1956, 9. Kapitel, § 40 Automorphismen einer Gruppe, S. 121.
  3. G. A. Miller, H. F. Blichfeldt, L. E. Dickson: Theory and Applications of Finite Groups. New York (1916), Nachdruck Applewood Books (2012).
    W. Burnside: Theory of groups of finite order. 1. Ausgabe, Cambridge (1897), Seite 228, online.
  4. Joseph J. Rotman: An Introduction to the Theory of Groups. 4. Auflage (1999), S. 15.
  5. Derek J. S. Robinson: A Course in the Theory of Groups. Springer-Verlag 1996, ISBN 0-387-94461-3, Abschnitt 1.6, Seite 37: The Holomorph.
  6. a b Rotman (1999), S. 164.
  7. W. R. Scott: Group Theory. Dover Books on Mathematics, (1987), 2. Auflage (1. Auflage 1964), ISBN 978-0-48665377-8, S. 214.
  8. Derek J. S. Robinson: A Course in the Theory of Groups. Springer-Verlag 1996, ISBN 978-1-4612-6443-9, Aufgabe 1.6.9.
  9. Wilhelm Specht: Gruppentheorie. Springer-Verlag (1956), ISBN 978-3-642-94668-4, Beispiel 1 in Absatz 1.3.6.
  10. Scott (1987), Seite 450 oder Rotman (1999), Seite 163.