Johanna Hilde Hemer

Geboren 1892 in Berlin, gestorben 1983 in New York, NY, deutsch-amerikanische Pianistin, Überlebende des Holocaust
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Johanna Hilde Hemer, auch Hilda Hemer[1] (geborene Steindorff am 29. Dezember 1892 in Berlin;[2] gestorben 1983 in New York City) war eine deutsche, später amerikanische[2] Pianistin und Holocaust-Überlebende.[3]

 
Einbürgerungsantrag von Johanna Hilde Hemer vom 21. April 1941 beim US Department of Justice in Los Angeles

Johanna Hilde Hemer war die einzige Tochter des ehemals jüdischen, Anfang der 1880er Jahre zum christlich-evangelischen Glauben konvertierten Ägyptologen Georg Steindorff und die Schwester von Ulrich Steindorff.[3]

Johanna Hilde Hemer wuchs im familiären Umfeld der „universitären Welt und der Kunst“ in Leipzig auf, wohin die Familie 1893 gezogen war. Ihre Taufpaten waren der Ägyptologe Adolf Erman und der österreichische Pianist und Komponist Artur Schnabel. Der Klavierproduzent Edwin Bechstein schenkte ihr, nach Aussage ihres Sohnes Thomas, einen besonders wertvollen Konzertflügel aus russischem Edelholz, das damals kaum noch erhältlich war. Nach einer Probephase bei Schnabels Assistenten wurde Hilde Hemer nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges schließlich am 30. April 1915 Schülerin von Artur Schnabel.[4] Kriegsbedingt wurden die regelmäßigen Fahrten zwischen Leipzig und Berlin zu Schnabels Unterricht immer beschwerlicher, so dass Hilde Hemer nach zwei Jahren ihre Studien am Leipziger Konservatorium bei dem Pianisten Robert Teichmüller fortsetzte.[5]

Während des Ersten Weltkriegs heiratete sie[4] am 29. April 1917 in Leipzig[2] den Cellisten und späteren Pelzhändler Franz Hemer, mit dem sie die Söhne Nikolaus (geboren 24. Februar 1920), Thomas (geboren 20. April 1923) und Rudolf (geboren 3. Juli 1931) bekam.[2][3] Ihr Mann diente während des Krieges als Jagdflieger im Geschwader von Manfred von Richthofen.[4]

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten folgte eine immer stärkere Ausgrenzung von Juden. Im Zuge der „Arisierung“ der Geschäftswelt folgte 1938 die Zwangsscheidung des Ehepaares Hemer.[6] Franz Hemer hatte die Scheidung eingereicht, vorher aber noch den ältesten Sohn nach England geschickt.[7] Noch im selben Jahr verließ Hilde Hemer Leipzig und ging zunächst an den Comer See.[4] 1938 emigrierte sie mit ihren beiden jüngsten Kindern erst nach Ensenada in Mexiko und dann 1940 in die USA.[2][8] Dort arbeitete sie zunächst als Haushälterin, bevor sie am 21. April 1941 beim Justizministerium der Vereinigten Staaten einen Antrag auf Einbürgerung stellte[2] und sich in Van Nuys, Kalifornien, niederließ.[9]

Im Jahr 1950 charakterisierte die Zeitung The Van Nuys News Hilde Hemer als „gifted concert pianist“ (begabte Konzertpianistin).[10] Für eine Veranstaltung der Frauenorganisation P.E.O. Sisterhood Mitte Januar 1950 wurde Hemer für den musikalischen Programmpunkt vorgestellt: sie habe in Deutschland schon mit einem Kammerorchester gespielt und große Anerkennung für ihre Kunst erhalten. Hervorgehoben wurden ihre Interpretationen von Schumann, Brahms, Beethoven, Schubert und Chopin.[9] Ende Januar 1950 spielte sie gemeinsam mit dem Solo-Cellisten Nathan Liebenbaum bei einer Ehrenveranstaltung für Margaret Carter, die Großmutter von Ferdinand Mendenhall.[1] Im März 1950 berichtete die Zeitung The Van Nuys News in einer Konzertankündigung, dass Hemer, die als Solistin mit Kammerorchestern in Europa und an der Ostküste der Vereinigten Staaten gespielt habe, bereits seit vielen Jahren in Van Nuys unterrichte.[11] Sie unterrichtete bis ins hohe Alter.[12]

Hilde Hemer hinterließ eine Autobiographie, in der sie das Leben ihrer Familie „as members of high class citizens“ beschrieb, und die ursprünglich für ihre Söhne gedacht war.[4] Diese über fünfzig Seiten starke Abhandlung umfasst größtenteils die Zeit in Leipzig. Eine Kopie befindet sich heute im Archiv des Ägyptischen Museums der Universität Leipzig (ÄMUL-Archiv) und noch Anfang des 21. Jahrhunderts wurde sie für die Entschlüsselung der Biographien von Hemers zahlreichen berühmten Verwandten und Bekannten genutzt.[4][13]

Siehe auch

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Literatur

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Commons: Johanna Hilde Hemer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b True Pioneer Receives Orchid on Community Sing Program in der Zeitung The Van Nuys News vom 30. Januar 1950, S. 8; Vorschau mit OCR-Text auf der Seite newspapers.com
  2. a b c d e f Declaration of Intention (Einbürgerungsantrag) vom 11. April 1941 in Los Angeles, USA
  3. a b c Elke Blumenthal, Kerstin Seidel: Steindorff, Georg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 25, Duncker & Humblot, Berlin 2013, ISBN 978-3-428-11206-7, S. 173–175 (Digitalisat).
  4. a b c d e f Dietrich Raue: Der „J'accuse“-Brief an John A. Wilson. Drei Ansichten von Georg Steindorff, in Susanne Bickel, Hans-Werner Fischer-Elfert, Antonio Loprieno, Sebastian Richter (Hrsg.): Ägyptologen und Ägyptologien zwischen Kaiserreich und Gründung der beiden deutschen Staaten. Reflexionen zur Geschichte und Episteme eines altertumswissenschaftlichen Fachs im 150. Jahr der Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde ( = Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde, Beiheft, Heft 1), Berlin: Akademie-Verlag, 2013, ISBN 978-3-05-006340-9, 345–378; hier: S. 357; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  5. Elke Blumenthal: Das „erste Leben“ der Hilde Hemer, geborene Steindorff. In: Leipziger Blätter, Band 59 (2011), S. 56–64; hier: S. 57; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  6. Susanne Bickel, Hans-Werner Fischer-Elfert, Antonio Loprieno, Sebastian Richter: Ägyptologen und Ägyptologien zwischen Kaiserreich und Gründung der beiden deutschen Staaten: Reflexionen zur Geschichte und Episteme eines altertumswissenschaftlichen Fachs im 150. Jahr der Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2014, ISBN 978-3-05-006341-6, S. 350 (google.com [abgerufen am 7. Juli 2021]).
  7. Cilli Kasper-Holtkotte: Deutschland in Ägypten: Orientalistische Netzwerke, Judenverfolgung und das Leben der Frankfurter Jüdin Mimi Borchardt. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2017, ISBN 978-3-11-052612-7, S. 464 (google.com [abgerufen am 10. Juli 2021]).
  8. Susanne Voss, Dietrich Raue: Georg Steindorff und die deutsche Ägyptologie im 20. Jahrhundert: Wissenshintergründe und Forschungstransfers. Walter de Gruyter GmbH & Co KG, 2016, ISBN 978-3-11-047756-6, S. 527 (google.com [abgerufen am 10. Juli 2021]).
  9. a b The Van Nuys News, Van Nuys, California 12. Januar 1950, S. 19, digitalisiert in: newspapers.com (abgerufen am 8. Juli 2021)
  10. The Van Nuys News from Van Nuys vom 3. April 1950, S. 5
  11. Three artists in der Zeitung The Van Nuys News vom 16. März 1950, S. 11
  12. In einem Kommentar zu einer Radioshow erinnerte sich die Hörerin Abigail Breiseth an ihre Erfahrungen als Zwölfjährige mit ihrer Klavierlehrerin Hilde Hemer, wie „ihre knotigen, arthritischen Hände kaum die Tasten berührten und einen so zarten Klang hervorbrachten“; siehe Simone Dinnerstein: “Something Almost Being Said”, Radioshow von Diane Rehm, 22. Dezember 2012
  13. Susanne Voss, Dietrich Raue (Hrsg.): Georg Steindorff und die deutsche Ägyptologie im 20. Jahrhundert. Wissenshintergründe und Forschungstransfers ( = Zeitschrift für ägyptische Sprache und Altertumskunde, Beiheft, Band 5), Berlin: De Gruyter, [2016], ISBN 978-3-11-046751-2 und ISBN 3-11-04 6751-8, passim; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche