Georg Joachim Rheticus

deutscher Mathematiker, Astronom und Mediziner
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Georg Joachim Rheticus (auch Rhäticus, Rhaeticus, Rhetikus, eigentlich Georg Joachim Iserin; * 16. Februar 1514 in Feldkirch, habsburgisches Oberösterreich; † 4. Dezember 1574 in Kaschau, Königreich Ungarn) war ein habsburgischer Mathematiker, Astronom, Theologe, Kartograph, Instrumentenmacher und Mediziner. Nach der Hinrichtung seines Vaters nannte er sich zunächst nach dem Familiennamen seiner Mutter Georg Joachim de Porris, eingedeutscht auch als Georg Joachim von Lauchen.[1]

Rheticus war der Sohn von Georg Iserin, dem Stadtmedicus von Feldkirch, und der norditalienischen Adligen Thomasina de Porris.[1] Sein Vater wurde 1528 wegen Hexerei und Betruges angeklagt und hingerichtet.[1] Georg Joachim lernte zunächst an der Lateinschule in Feldkirch und studierte von 1528 bis 1531 in Zürich Mathematik, danach an der Universität Wittenberg, wo er sich 1536 den akademischen Grad eines Magisters der freien Künste erwarb. Durch die Patronage Philipp Melanchthons wurde er 1537 Professor für Mathematik und Astronomie in Wittenberg. Im folgenden Jahr ermöglichte Melanchthon ihm eine längere Studienreise zu berühmten Mathematikern und Astronomen. In Nürnberg besuchte er den Mathematiker und Herausgeber Johannes Schöner und den Drucker Johannes Petreius, die ihn vermutlich beauftragten, Nikolaus Kopernikus zur Herausgabe seines Hauptwerkes in Nürnberg zu überreden. Zumindest gab ihm Petreius drei Bücher aus seinem Verlag als Geschenk für Kopernikus mit. Anschließend studierte er bei Peter Apian in Ingolstadt, Joachim Camerarius in Tübingen und Achilles Gasser in seiner Heimatstadt Feldkirch.

Von 1539 bis 1541 weilte Rheticus bei Kopernikus in Frauenburg. Heinrich Zell, ein Schüler Sebastian Münsters, begleitete Rheticus nach Preußen und während des Aufenthaltes bei Kopernikus konnte Zell alle Dokumente im Fürstbistum Ermland einsehen und erstellte zusammen mit Kopernikus und Rheticus eine detaillierte Landkarte von Preußen.[2] Dann lehrte Rheticus wieder in Wittenberg, Nürnberg und bis 1545 in Leipzig. Bis 1548 war er wieder unterwegs, besuchte Gerolamo Cardano in Mailand und begann ein Medizinstudium in Zürich. Wiederum auf Fürsprache Melanchthons wurde er in die theologische Fakultät in Leipzig aufgenommen. Infolge eines Skandals wegen einer Affäre mit einem seiner Studenten musste er Leipzig 1551 überstürzt verlassen und studierte danach Medizin in Prag. Ab 1554 lebte er in Krakau als praktizierender Arzt und zog kurz vor seinem Tod 1573 nach Kaschau in Oberungarn, wo der kaiserliche Landeshauptmann Hans Rueber zu Pixendorf (1529–1584) ihn aufnahm.

Rheticus trug als Erster und wesentlich zur Verbreitung des kopernikanischen Weltsystems bei. Er war der einzige Schüler Kopernikus' und konnte ihn bei seinem Aufenthalt in Frauenburg davon überzeugen, sein Hauptwerk in Druck zu geben. Während dieser Zeit gab er die erste Mitteilung über dasselbe in der Narratio Prima de libris revolutionum Copernici heraus. Auf dem Weg nach Nürnberg zur Einleitung des Drucks veröffentlichte er noch in Wittenberg den mathematischen Teil, ergänzt durch von ihm berechnete Tafeln der Sinus- und Cosinusfunktionen. Die Korrektur der Druckfahnen des De revolutionibus musste er Andreas Osiander überlassen. Dieser nahm eine theologische Abhandlung Rheticus' über die Verträglichkeit des heliozentrischen Systems mit der Heiligen Schrift heraus und ersetzte sie anonym durch ein von ihm verfasstes neues Vorwort, indem er das neue System als bloßes Rechenmodell vorstellte. Später gab Rheticus die Ephemerides ex fundamentis Copernici (Leipzig 1550) heraus.

Bedeutende Verdienste erwarb er sich ferner durch seine zehnstelligen, von 10 zu 10 Sekunden fortschreitenden Tafeln der trigonometrischen Funktionen, deren Berechnung indes erst von seinem Schüler Valentin Otho zu Ende geführt wurde, der sie auch im Opus palatinum de triangulis (Heidelberg 1596) herausgab.

Der Mondkrater Rhaeticus wurde 1935 und der Asteroid (15949) Rhaeticus 2001 zu seinen Ehren benannt. 1976 wurde in Feldkirch die nach ihm benannte Rheticus-Gesellschaft gegründet.

Schriften

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Narratio Prima

Textausgaben und Übersetzungen

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  • Henri Hugonnard-Roche, Jean-Pierre Verdet (Hrsg.): Georgii Joachimi Rhetici Narratio prima. Maison d'Édition de l'Académie Polonaise des Sciences, Wrocław 1982, ISBN 83-04-00764-9 (kritische Edition mit französischer Übersetzung und Kommentar)
  • Stefan Deschauer (Hrsg.): Die Arithmetik-Vorlesung des Georg Joachim Rheticus, Wittenberg 1536: eine kommentierte Edition der Handschrift X-278 (8) der Estnischen Akademischen Bibliothek. Rauner, Augsburg 2003, ISBN 3-936905-00-2.
  • Reijer Hooykaas (Hrsg.): G. J. Rheticus’ Treatise on holy scripture and the motion of the earth, with translation, annotations, commentary and additional chapters on Ramus-Rheticus and the development of the problem before 1650. North-Holland, Amsterdam 1984 (lateinischer Text mit englischer Übersetzung und ausführlichem Kommentar)

Literatur

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  • Karl Heinz Burmeister: Georg Joachim Rhetikus 1514–1574. Eine Bio-Bibliographie. 3 Bände. Pressler, Wiesbaden 1967–1968
  • Karl Heinz Burmeister: Georg Joachim Rhetikus und Achilles Pirmin Gasser. Ein Beitrag zur Geschichte der Naturwissenschaften am Bodensee. In: Schriften des Vereins für Geschichte des Bodensees und seiner Umgebung, Jg. 86, 1968, S. 217–226 (Digitalisat)
  • Karl Heinz Burmeister: Georg Joachim Rhetikus. Künder des kopernikanischen Weltbildes. In: Alemannisches Jahrbuch 1968/69, hrsg. v. Alemannischen Institut, S. 18–37.
  • Karl Heinz Burmeister: Georg Joachim Rheticus as a geographer and his contribution to the first map of Prussia. In: Imago Mundi. Band 23, 1969, S. 73–76.
  • Stefan Hildebrandt: Rheticus zum 500. Geburtstag. Mathematiker – Astronom – Arzt. Edition am Gutenbergplatz, Leipzig 2014, ISBN 978-3-937219-74-5.
  • Wolfgang Klose: Das Wittenberger Gelehrtenstammbuch: das Stammbuch von Abraham Ulrich (1549–1577) und David Ulrich (1580–1623). Mitteldeutscher Verlag, Halle 1999, ISBN 3-932776-76-3.
  • Andreas Kühne: Rheticus, Georg Joachim. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 21, Duncker & Humblot, Berlin 2003, ISBN 3-428-11202-4, S. 496 f. (Digitalisat).
  • András Szabó: Der Copernikus-Jünger Georg Joachim Rheticus in Ungarn. In: Wilhelm Kühlmann, Anton Schindling (Hrsg.): Deutschland und Ungarn in ihren Bildungs- und Wissenschaftsbeziehungen während der Renaissance (= Contubernium. Tübinger Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Band 62). Steiner, Wiesbaden 2004, ISBN 978-3-515-08551-9, S. 219–226.
  • Denis Roegel: A reconstruction of the tables of Rheticus’ Canon doctrinæ triangulorum (1551). 6. Dezember 2010, Digitalisat
  • Denis Roegel: A reconstruction of the tables of Rheticus’ Opus Palatinum (1596). 11. Januar 2011, PDF.
  • Rheticus, Georg Joachim. In: Heinz Scheible (Hrsg.): Melanchthons Briefwechsel. Band 14, Personen O–R. Stuttgart–Bad Cannstatt 2020, S. 464–466.
  • Philipp Schöbi, Helmut Sonderegger (Hrsg.): Rheticus, Wegbereiter der Neuzeit. Hohenems 2014, ISBN 978-3-99018-263-5.
  • Marion Gindhart und Alexander Hubert, Artikel "Mathematische Wissenschaften (CamLex)", in: Opera Camerarii Online, http://wiki.camerarius.de/Mathematische_Wissenschaften_(CamLex), Abschnitt "Camerarius und Georg Joachim Rheticus".
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Wikisource: Georg Joachim Rheticus – Quellen und Volltexte (Latein)

Einzelnachweise

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  1. a b c Karl Heinz Burmeister: Georg Joachim Rhetikus. Künder des kopernikanischen Weltbildes. In: Alemannisches Jahrbuch 1968/69. S. 18–37, hier S. 21.
  2. Karl Heinz Burmeister: Georg Joachim Rheticus as a geographer and his contribution to the first map of Prussia. In: Imago Mundi, Band 23, 1969, S. 73–76.