Cardo

Hauptachse der Straßen einer römischen Stadt
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Der Cardo (lateinisch cardo ‚Pol‘ ‚Himmelsrichtung‘)[1][2] bezeichnet die bei der Anlage einer römischen Stadt angelegte Hauptachse, die meist in Nord-Süd-Richtung angelegt wurde. Senkrecht zu dieser Hauptachse wurde eine meist in Ost-West-Richtung verlaufende Achse festgelegt, die Decumanus genannt wird. Der Kreuzungspunkt dieser Hauptachsen bezeichnet das Zentrum der Stadt. Alle planmäßig angelegten römischen Städte hatten ein reguläres achteckiges Straßenraster, das heißt, alle Straßen kreuzten sich im rechten Winkel (orthogonal), und bildeten Blöcke eines rechtwinkligen Grundrisses.[3]

Schema von Decumanus maximus und Cardo maximus [=Kardo] auf dem Katasterplan B von Orange (lateinisch Arausio). Westen ist oben. Die Abkürzungen SD = sinistra decumani (links, hier: südlich) DD = dextra decumani (rechts, hier: nördlich) VK = ultra cardinem (oberhalb, hier: westlich) CK oder KK = citra cardinem (unterhalb, hier: östlich)
Die von Säulen flankierte Hauptachse (cardo maximus) der römischen Stadt Apameia am Orontes (lateinisch Claudia Apamea) in Syria.

Genauer werden die Hauptachsen als cardo maximus bzw. decumanus maximus bezeichnet, da parallel zu den Hauptachsen Nebenachsen angelegt wurden. Der sich ergebende schachbrettartige Stadtplan ist heute noch in der Anlage vieler auf römische Gründung zurückgehender Städte erkennbar.

Hintergrund Bearbeiten

Die Festlegung der Hauptachsen wurde als religiöser Akt betrachtet, bei dem ursprünglich stets ein Priester zugegen war. Da die Festlegung der Hauptachsen mit Hilfe einer Groma erfolgte, wird der Kreuzungspunkt der Hauptachsen auch groma (genauer: locus gromae) genannt.

Entwicklung Bearbeiten

Die Bezeichnungen cardo maximus bzw. decumanus maximus sind Begriffe aus der Stadtplanung des Römischen Reiches. Sie bezeichnen eine Nord-Süd-orientierte Straße in einem Militärlager oder einer Kolonie. Der „Hauptcardo“ ist der cardo maximus, der senkrecht auf dem decumanus maximus, der anderen Hauptstraße, kreuzt. Obwohl das Forum ursprünglich, also in den ersten römischen Städten, am Stadtrand lag (daher der Name: Forum = außerhalb) und für kommerzielle Aktivitäten (Märkte und Messen) gedacht war, wurde es im Laufe der Zeit zu politischen und politisch-administrativen Zwecken genutzt, damit verlagerte sich in den jüngeren römischen Städten die öffentlichen Plätze an die Kreuzung des cardo maximus mit dem decumanus maximus. In neuen römischen Städten befand sich die Fora[4] normalerweise in oder direkt an der Kreuzung der Hauptstraßen Nord-Süd und Ost-West (Cardo und Decumanus).[5] In fast allen römischen Städten wurden diesen Baustrukturen Ausdruck gegeben, in denen sich so das politische und wirtschaftliche Handeln vollzog, dem Forum als den zentralen Hauptplatz, der Curia als das Ratsgebäude, dem Comitium als einen Versammlungsplatz und der Basilica als einen profanen Vielzweckbau für Rechtsprechung, Wirtschaft und Bildung.

 
Kreuzung (locus gromae) zwischen Cardo und Decumanus in der römischen Stadt Capara in der römischen Provinz Lusitania.
 
Forum]] der Stadt befand sich am Kreuzungspunkt von decumanus maximus und cardo maximus. Die Nord-Süd-Achse, der cardo maximus verlief in etwa entlang der heutigen Saarstraße von der Porta Nigra zur Porta Media[6][7]. Der decumanus maximus entspricht den heutigen Straßenverlauf von der Römerbrücke zu den Kaiserthermen.

Militärische Anlagen Bearbeiten

Insbesondere findet man diese Form der Anlage bei römischen Kastellen (Castra), wo die Hauptachsen auch als via principalis (cardo maximus) bzw. via praetoria (decumanus maximus) bezeichnet werden.

 
Skizze eines römischen Militärlagers (Castrum). Es gab vier Tore: die praetoria zum Feind (5); die decumana (7), auf der gegenüberliegenden Seite gelegen; die dextera (4) und die linke (6). Der decumanus maximus (2) verband die porta praetoria und die porta decumana, während der cardo maximus (3) die porta dextera mit der porta sinistra verband. An ihrer Kreuzung entstand meist das praetorium (1), das später Sitz des Forums (fori).

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Okko Behrends, Luigi Capogrossi Colognesi (Hrsg.): Die römische Feldmesskunst. Interdisziplinäre Beiträge zu ihrer Bedeutung für die Zivilisationsgeschichte Roms. Vandenhoeck und Ruprecht, Göttingen 1992, ISBN 3-525-82480-7.
  • Oswald Ashton Wentworth Dilke: The Roman land surveyors. An introduction to the Agrimensores. Hakkert, Amsterdam 1992, ISBN 90-256-1000-5. Neudruck der Ausgabe Newton Abbot 1971.
  • Ursula Heimberg: Römische Landvermessung. Kleine Schriften zur Kenntnis der römischen Besetzungsgeschichte Südwestdeutschlands Nr. 17. Gesellschaft für Vor- und Frühgeschichte in Württemberg und Hohenzollern / Württembergisches Landesmuseum, Stuttgart 1977.
  • Werner Müller: Die heilige Stadt – Roma quadrata, Jerusalem und die Mythe vom Weltnabel. Kohlhammer, Stuttgart 1961.
  • Charlotte Schubert: Land und Raum in der Römischen Republik – die Kunst des Teilens. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996, ISBN 3-534-13189-4.
  • Gundolf Precht, Norbert Zieling (Hrsg.): Genese, Struktur und Entwicklung römischer Städte im 1. Jahrhundert n. Chr. in Nieder- und Obergermanien. (= Band 9 Xantener Berichte), Kolloquium vom 17. bis 19. Februar 1998 im Regionalmuseum Xanten. von Zabern, Mainz 2001, ISBN 3-8053-2752-8, auf apx.lvr.de [6]

Weblinks Bearbeiten

  • Die orthogonale Stadtplanung der Römer. 25. August 2015 [7]
  • Köln um 350 n. Chr. – Römerstadt und Kastell. Heimat und Welt [8]
  • Geniale Bauten der Römer: Tarragona. 17. Juli 2017, auf zdf.de [9]

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Charlton T. Lewis, Charles Short: cardo, -ĭnis. In A Latin Dictionary, auf perseus.tufts.edu [1]
  2. eingedeutschte Schreibweise auch „kardo“
  3. Paul Zanker: Die römische Stadt. Eine kurze Geschichte. C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-406-66248-5.
  4. Straße, Abschnitt: Stadtstraßen. Theoria Romana 24. November 2012, auf imperium-romanum.info [2]
  5. Ivo van der Graaff: The City Walls of Pompeii: Perceptions and Expressions of a Monumental Boundary. Dissertationsschrift, Graduate School of The University of Texas, Austin 2013, S. 39; 88–90; 204, abrufbar über repositories.lib.utexas.edu [3]
  6. CARDO MAXIMUS. Spuren einer Römerstraße. Mitte-Gartenfeld, Stadt Trier Am Frankenturm, auf kulturdb.de [4]
  7. 9 Trier – Augusta Treverorum: Des Kaisers ewige Baustelle. In Peggy Leiverkus, Patrick Leiverkus: Die 40 bekanntesten archäologischen Stätten entlang der Via Agrippa in Deutschland, Luxemburg und Frankreich. Nünnerich-Asmus, Oppenheim 2017, ISBN 978-3-96176-033-6, Textauszug auf na-verlag.de [5] S. 49