Samuel Scheidt

deutscher Komponist, Organist und Hofkapellmeister

Samuel Scheidt (getauft 4. Novemberjul. / 14. November 1587greg.[1] in Halle (Saale); † 24. Märzjul. / 3. April 1654greg. ebenda) war ein deutscher Organist und Komponist der Norddeutschen Orgelschule.

Samuel Scheidt, Kupferstich (1624)

Scheidt wurde nach seiner ersten künstlerischen Ausbildung 1603 Hilfsorganist an der Moritzkirche in Halle (Saale). Durch Protektion war er in den Jahren 1607 bis 1609 Schüler des berühmten Jan Pieterszoon Sweelinck in Amsterdam.

Nach seiner Rückkehr 1609 berief ihn der Administrator des Erzstifts Magdeburg, Markgraf Christian Wilhelm von Brandenburg, als Hoforganist nach Halle. Dort arbeitete Scheidt 1614 bis 1616 mit Michael Praetorius zusammen, der im darauffolgenden Jahr am Hof in Halle Kapellmeister von Haus aus wurde.

Seine Kenntnisse im Orgelbau, die ihn früh berühmt gemacht haben müssen, führten ihn 1618 nach Eisleben sowie 1619 zusammen mit Michael Praetorius, Heinrich Schütz und Johann Staden zu einer Orgelabnahme nach Bayreuth. Die bisher viel erwähnte angebliche Zusammenarbeit mit Schütz und Praetorius in Magdeburg („Einrichtung einer Konzertmusik“ o. ä.) beruht auf einem Irrtum der Forschung.

1624 verfasste Scheidt seine Tabulatura nova. Diese Sammlung von Werken für Clavierinstrumente (Orgel, Cembalo, Clavichord) stellt den ersten Tastenmusik-Druck in Deutschland dar, bei dem die Partiturnotation (Kombination aus Fünflinien-Systemen) Anwendung fand.

Bereits 1620 hatte er die große Vokalsammlung der Cantiones sacrae veröffentlicht, an die sich bereits 1621 die Concertus sacri anschlossen. Es folgten 1621, 1622, 1625 und 1627 die Instrumentalsammlungen der sog. Ludi musici.

Mit 40 Jahren heiratete Scheidt im Jahre 1627 Helena Magdalena Keller in der Kirche St. Petrus (Wörmlitz). Mit ihr hatte er sieben Kinder, von welchen nach einer Pest-Epidemie im Jahre 1636 nur zwei überlebten.

Mit der Flucht seines Dienstherrn vor Wallensteins Truppen wurde Scheidt im Jahre 1628 arbeitslos. Deshalb schuf man noch im selben Jahr speziell für ihn das Amt des Director musices (Musikdirektor) für die drei großen Kirchen der Stadt Halle (Marktkirche Unser Lieben Frauen, St. Mauritius (Moritzkirche) und St. Ulrich).

Wie es in der neueren Forschung gesehen wird, verlor Scheidt vermutlich eher durch die mögliche Rekatholisierung in Halle als durch den bekannten (in der Literatur etwas überbewerteten) Streit mit Gymnasialrektor Christian Gueintz im Jahre 1630 seine Stellung als Musikdirektor bei der Stadt. Seitdem war Scheidt wieder „bloßer Privatus“, der sich mit einer ganzen Reihe von Schülern und Gelegenheitsmusiken seinen Lebensunterhalt verdiente. Dennoch konnte er nach 1631 vier Bände mit geistlichen Konzerten veröffentlichen, allerdings nur reduzierte Fassungen von vielstimmigen Versionen, deren Druck unterbleiben musste und die verschollen sind. Er rechnete, wie sich aus den Vorworten der Drucke ergibt, mit den in seiner Zeit üblichen Einrichtungen für die jeweiligen Aufführungsbedingungen. 1644 ließ er 70 Symphonien drucken, die auch als Einschübe der geistlichen Konzerte gedacht waren. 1650 folgte als letztes Werk die sogenannte Görlitzer Tabulatur mit vierstimmigen Choralsätzen für die Praxis.

Scheidt verlor schließlich kriegsbedingt sein gesamtes Vermögen und erhielt nach seinem Tode ein Armenbegräbnis.

Er gehört zu den wichtigsten Komponisten des 17. Jahrhunderts. Sein Werk ist durch sowohl quantitativ als auch qualitativ gewichtige Beiträge im vokalen wie auch instrumentalen Bereich insgesamt sehr viel breiter als das seiner Zeitgenossen Heinrich Schütz und Johann Hermann Schein. Viele seiner Vokalwerke, vor allem die späten Geistlichen Konzerte und die Lieblichen Kraftblümlein, sind bis heute im Wesentlichen unbekannt und unaufgeführt.

Werke (Auswahl)

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Titel der Tabulatura nova
  • Cantiones sacrae (1620)
  • Ludi Musici (1621)
  • Tabulatura nova I–III (1624)
  • Geistliche Konzerte Teil I (1631)
  • Geistliche Konzerte Teil II (1634)
  • Geistliche Konzerte Teil III (1635)
  • Liebliche Kraftblümlein (1635)
  • Geistliche Konzerte Teil IV (1640)
  • LXX Symphonias (1644)
  • Görlitzer Tabulaturbuch (1650)

Literatur (Auswahl)

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  • Samuel Scheidt. Eine Gedenkschrift zu seinem 300. Todestag am 24. März 1954. Herausgegeben vom Rat der Stadt Halle (Saale), Abteilung Kultur. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1954; enthält Beiträge von Walther Siegmund-Schultze (Samuel Scheidt in unserer Zeit), Erich Neuß (Wo Samuel Scheidt in Halle wohnte), Walther Serauky (Samuel Scheidt und Heinrich Schütz in ihrem musikalischen Zusammenwirken), Werner Bachmann (Samuel Scheidt und das Volkslied), Zwei Briefe Samuel Scheidts und Zeittafel zu Scheidts Leben und Werk sowie teils ganzseitige schwarzweiße Abbildungen.
  • Pieter Dirksen: Scheidemann, Scheidt und die Toccata. In: Schütz-Jahrbuch 22 (2000), S. 29–48.
  • Pieter Dirksen: Zum Fantasiebegriff bei Samuel Scheidt. In: Samuel Scheidt (1587–1654) – Werk und Wirkung. Bericht über die Internationale wissenschaftliche Konferenz am 5. und 6. November 2004 im Rahmen der Scheidt-Ehrung 2004 in der Stadt Halle und über das Symposium in Creuzburg zum 350. Todesjahr, 25.–27. März 2004. Halle an der Saale 2006, S. 233–246.
  • Hendrik Dochhorn: Artikel Scheidt (Familie), in: Musik in Geschichte und Gegenwart, Personenteil, Bd. 14, Kassel 2005, Sp. 1217–1249.
  • Robert EitnerScheidt, Samuel. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 30, Duncker & Humblot, Leipzig 1890, S. 712–714.
  • Erika Gessner: Samuel Scheidts geistliche Konzerte. Berlin 1961.
  • Klaus-Peter Koch (Hrsg.): Samuel-Scheidt-Werke-Verzeichnis (SSWV). Wiesbaden 2000.
  • Klaus-Peter Koch: Scheidt, Samuel. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 634–636 (Digitalisat).
  • Klaus-Peter Koch: Samuel-Scheidt-Kompendium. Beeskow 2012 (= ortus-studien; 9).
  • Christhard Mahrenholz: Samuel Scheidt. Farnborough 1968 (Ndr. d. Ausg. Leipzig 1924).
  • Walter Serauky: Samuel Scheidt in seinen Briefen. Halle 1937.
  • Wolfgang Stolze: Musikarchitektur. Samuel Scheidts vier Partes ludorum musicorum. Eine Studie über frühbarocke Kompositionspraxis. GK-Edition, Hamburg-Altona 1987.
  • Wolfgang Stolze: Zur Gesamtausgabe der Werke Samuel Scheidts. In: Die Musikforschung 40 (1987), S. 120–135.
  • Wolfgang Stolze: „War Samuel Scheidt ein musikalischer Reaktionär?“ In: Musik und Kirche 52 (1982), S. 113–126.
  • Wolfgang Stolze: Der Satz bei Samuel Scheidt. Probleme stimmlicher Ergänzungen. In: Samuel Scheidt (1587–1654) – Werk und Wirkung. Bericht über die Internationale wissenschaftliche Konferenz am 5. und 6. November 2004 im Rahmen der Scheidt-Ehrung 2004 in der Stadt Halle und über das Symposium in Creuzburg zum 350. Todesjahr, 25.–27. März 2004. Halle an der Saale 2006, S. 69–93.

Siehe auch

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Commons: Samuel Scheidt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

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  1. In älteren Ausgaben des MGG wird auch der 3. Novemberjul. / 13. November 1587greg. genannt.