Krakauer Auschwitzprozess

Prozess im Zusammenhang mit dem KZ Auschwitz-Birkenau

Im Krakauer Auschwitzprozess waren 40 frühere SS-Wächter des Konzentrations- und Vernichtungslagerkomplexes Auschwitz angeklagt. Der Prozess fand in Krakau (poln. Kraków), Polen, vor dem Obersten Nationalen Tribunal Polens statt. Er begann am 24. November 1947 und endete am 22. Dezember 1947 mit dem Urteil. Das Verfahren war durch die von Jan Sehn geleitete Krakauer Bezirkskommission zur Untersuchung der deutschen Verbrechen vorbereitet worden. Den Vorsitz im Prozess hatte Richter Alfred Eimer, der im März 1947 den Prozess gegen Rudolf Höß in Warschau geleitet hatte.[1] 23 Angeklagte wurden zum Tode verurteilt (zwei wurden anschließend begnadigt), 16 erhielten Haftstrafen, einer wurde freigesprochen.

Angeklagte im Krakauer Auschwitzprozess (1947)

Angeklagte

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Mit Arthur Liebehenschel stand einer der drei Kommandanten des Lagers Auschwitz in diesem Verfahren vor Gericht. Er galt im Vergleich zu seinem Vorgänger Rudolf Höß und seinem Nachfolger Richard Baer als gemäßigter Führer, der die Zustände im Lager besserte und Strafen abschaffte. Die weiteren Hauptangeklagten Maximilian Grabner, der berüchtigte Chef der Politischen Abteilung, Lagerführer Hans Aumeier und die Oberaufseherin des Frauenlagers Maria Mandl hingegen galten als Schrecken der Häftlinge; sie konnten unzähliger Morde von eigener Hand überführt werden.

Weitere prominente Angeklagte waren der Chef der Krematorien und Gaskammern Erich Mußfeldt, die Blockführer des Todesblocks 11 mit der Schwarzen Wand, Wilhelm Gehring und Kurt Hugo Müller, die Lager- und Rapportführer Fritz Buntrock, Ludwig Plagge und Otto Lätsch sowie die aufgrund ihrer Brutalität gefürchteten Aufseherinnen Therese Brandl, Alice Orlowski, Luise Danz und Hildegard Lächert, genannt die „blutige Brigitte“.

Der Universitätsprofessor Johann Paul Kremer wurde für die Selektion von fast 50.000 Menschen zur Tötung in den Gaskammern binnen weniger Monate, die er in seinem Tagebuch auch selbst beschrieb, zum Tod am Strang verurteilt, jedoch am Tag der Hinrichtung aufgrund seines Alters zu lebenslanger Haft begnadigt.[2] Sein Kollege Hans Münch hatte sich dem Rampen- und Gaskammerdienst entziehen können und verbuchte positive Zeugenaussagen für sich; er wurde als einziger Angeklagter freigesprochen.

Arthur Breitwieser und Hans Koch waren Sanitätsdienstgrade (SDG) gewesen. Aufgabe der SDG war weniger die medizinische Versorgung der Häftlinge als ihre Tötung. Seit Beginn der massenweisen Vergasung von Menschen im Frühjahr 1942 fiel ihnen die Aufgabe zu, das gebundene Zyklon B in die Öffnungen der jeweiligen Gaskammern zu kippen. Sie waren damit das letzte und tödlichste Glied der langen Kette von Tätern des Holocaust. Gegen Arthur Breitwieser wurde zunächst die Todesstrafe verhängt, zunehmende Zweifel ob seiner Beteiligung an den Vergasungen führten jedoch zur Begnadigung. Hans Koch machte gesundheitliche Probleme während seiner Einsätze geltend und wurde zu lebenslanger Haft verurteilt.

Neben Tätern, die den Häftlingen bekannt geworden waren, fanden sich auch bürokratisch im Hintergrund wirkende Männer auf der Anklagebank wieder, so der Rechnungsführer Richard Schröder, der Waffenmeister Karl Seufert und der Kommandanturspieß Detlef Nebbe.

Die 40 Urteile im Einzelnen

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Angeklagter Funktion Urteil
Arthur Liebehenschel Lagerkommandant im Stammlager des KZ Auschwitz Todesurteil, hingerichtet 24. Januar 1948
Maria Mandl Oberaufseherin
Hans Aumeier Schutzhaftlagerführer
August Bogusch Blockführer
Therese Brandl Aufseherin
Fritz Buntrock Rapportführer
Wilhelm Gehring Blockführer in Block 11
Paul Götze Blockführer
Maximilian Grabner Leiter der Politischen Abteilung
Heinrich Josten Kommandeur der Wachmannschaft
Hermann Kirschner Blockführer
Josef Kollmer Kommandeur der Wachmannschaft
Franz Kraus Verwaltungsführer
Otto Lätsch Lagerführer Gleiwitz IV
Herbert Ludwig Blockführer
Karl Möckel Chef der Standortverwaltung
Kurt Hugo Müller Blockführer in Block 11
Erich Mußfeldt Leiter der Krematorien
Ludwig Plagge Rapportführer
Hans Schumacher Mitglied der Standortverwaltung
Paul Szczurek Blockführer und Kommandoführer
Arthur Breitwieser SS-Sanitätsdienstgrad (SDG) Todesurteil, begnadigt zu lebenslanger Haft, Entlassung 18. Januar 1959
Johann Paul Kremer Lagerarzt Todesurteil, begnadigt zu lebenslanger Haft, Entlassung 9. Januar 1958
Luise Danz Aufseherin lebenslange Haftstrafe, Entlassung 20. August 1957
Hans Koch Führer des Desinfektions- und Vergasungskommandos lebenslange Haftstrafe, verstorben in Haft 14. Juli 1955
Anton Lechner Angehöriger der Standortverwaltung lebenslange Haftstrafe, Entlassung 1957
Adolf Medefind stellv. Leiter des Verpflegungsmagazins lebenslange Haftstrafe, verstorben in Haft 8. August 1948
Detlef Nebbe Spieß der Kommandantur lebenslange Haftstrafe, Entlassung 24. Oktober 1956
Karl Seufert Leiter der Abteilung Waffen und Geräte lebenslange Haftstrafe, Entlassung 2. November 1957
Alexander Bülow Blockführer 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1956
Hans Hoffmann Mitglied der Politischen Abteilung 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 28. Juli 1956
Hildegard Lächert Aufseherin 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1956
Eduard Lorenz stellvertretender Leiter der Fahrbereitschaft 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 8. Dezember 1955
Alice Orlowski Aufseherin 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 19. Dezember 1956
Franz Romeikat Mitglied der Standortverwaltung 15 Jahre Haftstrafe, Entlassung 25. Juni 1956
Johannes Weber Leiter von Häftlingsküchen 15 Jahre Haftstrafe, verstorben in Haft 11. Oktober 1949
Richard Schröder Rechnungsführer der Standortverwaltung 10 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1953
Erich Dinges Mitglied der Fahrbereitschaft 5 Jahre Haftstrafe, Entlassung 1953
Karl Jeschke Wachmann 3 Jahre Haftstrafe, Entlassung 18. April 1950
Hans Münch Lagerarzt Freispruch

Schicksal der Verurteilten

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Von den 23 Todesurteilen wurden 21 vollstreckt. Die Hinrichtungen wurden am 24. Januar 1948 im Krakauer Gefängnis Montelupich durch Erhängen vollzogen. Zwei Todesurteile wurden in lebenslange Haftstrafen umgewandelt.

Vier der Inhaftierten starben während ihres Gefängnisaufenthalts, aller Wahrscheinlichkeit nach an Tuberkulose. Die anderen zu Haftstrafen verurteilten bzw. begnadigten SS-Leute wurden spätestens 1959 entlassen und nach Deutschland abgeschoben, wo sie mitunter erneut gerichtlich belangt wurden.[3]

Bedeutung

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Der Krakauer Auschwitzprozess gilt als der erste Auschwitzprozess. Allerdings waren schon beim ersten Bergen-Belsen-Prozess (17. September bis 17. November 1945 in Lüneburg) Verbrechen im KZ Auschwitz angeklagt worden, da einige der Angeklagten vor ihrem Einsatz im KZ Bergen-Belsen im KZ Auschwitz tätig gewesen waren.

Der Krakauer Auschwitzprozess diente als Vorbild für zahlreiche ähnliche Verfahren gegen hunderte ehemalige SS-Angehörige, die in den ersten Nachkriegsjahren in Polen, vornehmlich in Krakau und Wadowice, stattfanden.[4] Die Ergebnisse dieser Verfahren wurden später von der Zentralen Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen in der Bundesrepublik Deutschland ausgewertet und für den ersten Frankfurter Auschwitzprozess (1963–1965) verwendet.

Siehe auch

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Literatur

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  • Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3. (Kurzbiografien der Angeklagten)
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Einzelnachweise

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  1. Sybille Steinbacher: Auschwitz: Geschichte und Nachgeschichte. C.H.Beck, 2015, ISBN 978-3-406-67628-4 (google.de [abgerufen am 10. Juli 2020]).
  2. Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. 1. Auflage. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3, S. 236.
  3. Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. 1. Auflage. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3, S. 93, 224, 273.
  4. Ernst Klee: Auschwitz. Täter, Gehilfen, Opfer und was aus ihnen wurde. Ein Personenlexikon. 1. Auflage. S. Fischer, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-10-039333-3, S. 213.