Geschichte Mannheims

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Als ehemalige Residenzstadt der historischen Kurpfalz bildet Mannheim bis heute das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum der Region. Die Geschichte Mannheims war äußerst wechselhaft und die Stadt erlebte über die Jahrhunderte hinweg mehrere „goldene Zeitalter“ aber auch tiefe Krisen und Zerstörungen. Mannheim entwickelte sich im 17. und 18. Jahrhundert von einer Festungs- zu einer Residenzstadt und im 19. Jahrhundert von einer Industriestadt zu einer heute modernen Metropole im Rhein-Neckar-Dreieck.

Mannheim um 1860
Mannheimer Innenstadt 2006

Die Anfänge Bearbeiten

Ein 1929 im Stadtteil Seckenheim ausgegrabener römischer Ziegelofen, der von 74 n. Chr. bis ins frühe 2. Jahrhundert betrieben wurde, belegt eine Besiedlung in frühgeschichtlicher Zeit.[1]

Das Dorf Mannenheim, Heimstatt des Manno[2], wurde wahrscheinlich im 6./ 7. Jahrhundert gegründet und am 11. März 766 erstmals im Lorscher Codex urkundlich erwähnt.[3] Die Annahme, Mannenheim sei lange Jahre ein kleines unbedeutendes Fischerdorf gewesen, ist mittlerweile widerlegt. Durch zahlreiche Schenkungen innerhalb kurzer Zeit[4] erhielt das Kloster Lorsch 160,5 Tagewerke Acker, was der Fläche und dem Heuertrag eines mittelgroßen Königshofs entspricht.[5] 1284 fiel Mannheim an den Pfalzgrafen bei Rhein aus dem Hause Wittelsbach.

Dagegen wird Neckarau bereits 368 n. Chr. geschichtskundig. Es befand sich der Burgus des Kastells Alta Ripa (Altrip) auf heutiger Neckarauer Gemarkung. Urkundlich erwähnt wird Neckarau erstmals 871 n. Chr. als Naucrauia.[6] 771 n. Chr. wird das Dorf Hermsheim (Herimundesheim), wahrscheinlich im Gewann Bösfeld östlich des heutigen Neuhermsheim gelegen, erstmals im Lorscher Codex erwähnt.[7] Archäologische Funde deuten jedoch darauf hin, dass Hermsheim bereits im 4./5. Jahrhundert existierte.[8] 1212 schenkte Kaiser Friedrich II. Neckarau dem Bischof von Worms. 1294–1365 veränderte der Neckar seinen Lauf und mündet seitdem nördlich von Mannheim in den Rhein. Das Dorf Hermsheim wurde aufgegeben, die Einwohner zogen nach Neckarau.

Regionale Bedeutung erlangte die 1349 am Rhein im heutigen Stadtteil Lindenhof errichtete Zollburg Eichelsheim, die den Rheinschiffern einen Obolus abverlangte. 1415 wurde in der Zollburg der abgesetzte Papst Johannes XXIII. im Auftrag des Kaisers Sigismund gefangen gehalten. Durch den Sieg in der Schlacht bei Seckenheim 1462 über das Heer seiner verbündeten Gegner, des Grafen von Württemberg, des Markgrafen von Baden und des Bischofs von Metz, begründete Kurfürst Friedrich von der Pfalz „der Siegreiche“ die pfälzische Vormachtstellung am mittleren Oberrhein.

1496 kam der heutige Stadtteil Neckarau als Dorf zum Oberamt Heidelberg. 1577 gab es dort 101 Haushalte. 1566 zählte auch Mannheim mit 130 steuerzahlenden Haushaltsvorständen (etwa 700 Einwohner) zu den größten Dörfern des Oberamts Heidelberg.

1689 wurde Neckarau zerstört. 1817 gab es 1.253 Einwohner. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts siedelten sich dort ebenfalls viele Industriebetriebe an. 1899 wurde Neckarau – als damals größtes badisches Dorf – zu Mannheim eingemeindet.

Entstehung einer Stadt Bearbeiten

 
Friedrich IV. von der Pfalz
 
Rheinschanze und Zitadelle Mannheim im Jahr 1620

Anfang des 17. Jahrhunderts plante Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz eine Festung an der Stelle des Dorfes Mannheim zu errichten, der Widerstand der Dorfbevölkerung brachte ihn dazu, zusätzlich eine Stadt zu gründen. 1606 wurde der Grundstein zum Bau der Zitadelle Friedrichsburg gelegt. Am 24. Januar 1607 wurden Stadtprivilegien erlassen, die in Deutsch, Französisch, Niederländisch und Latein verfasst waren.[9] Friedrich IV. von der Pfalz beauftragte den holländischen Festungsarchitekten Bartel Janson mit dem Bau der Stadt. Eine moderne Doppelsternanlage bestehend aus Festung und Stadt entsteht. Die damalige Planung eines gitterförmigen Straßennetzes für die mit der Festung verbundene Bürgerstadt Mannheim ist bis heute erhalten geblieben. Auf diese in etwa gleich großen Baublöcke ist die Bezeichnung Quadratestadt zurückzuführen. Während des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) wurde Mannheim von den Truppen der katholischen Liga unter dem Heerführer Tilly zerstört. Bis zum Ende des Krieges wurde die Stadt mehrfach besetzt und verwüstet. 1652 verlieh Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz dem zerstörten Mannheim umfangreiche Stadtprivilegien, um den Wiederaufbau der Stadt zu begünstigen. Karl Ludwig gestattete Menschen aller Religionen nach Mannheim zu kommen, was in einer von religiösen Konflikten geprägten Zeit äußerst ungewöhnlich war. Die Geschichtsschreibung bezeichnet dies später als Mannheimer Experiment. Die Einwohnerschaft von Mannheim war reformiert oder lutherisch protestantisch, katholisch, mennonitisch und waldensisch. Der Kurfürst gestattet 1660 auch Juden, sich in der Stadt anzusiedeln sowie den Bau einer Synagoge und Mikwe[10][11] und erklärte Mannheim zur einer „zunftfreien“ Stadt, Handwerker und Händler mussten somit keiner Zunft angehören.[12] Doch bereits 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg wurde Mannheim von französischen Truppen erneut zerstört. 1692 errichteten auf dem rechten Neckarufer zurückgekehrte Bürger die Siedlung Neu-Mannheim, die 1697 durch einen Brand größtenteils vernichtet wurde. Kurfürst Johann Wilhelm forderte zum Wiederaufbau der Stadt auf. Um die geflohenen Bürger zur Rückkehr zu bewegen und neue Zuwanderer anzuziehen, erließ der Kurfürst 1698 nochmals erweiterte Privilegien. 1709 wurde die Festung Friedrichsburg mit der Stadt Mannheim vereinigt.

Kultureller und politischer Aufstieg der Stadt Bearbeiten

 
Mannheimer Schloss um 1725

1720 verlegte Kurfürst Karl Philipp die Hofhaltung und die Staatsverwaltung von Heidelberg nach Mannheim. In Heidelberg war er zur Rücksichtnahme auf die überwiegend protestantische Bevölkerung gezwungen, während er die Residenz seines Bruders (und Vorgängers), das Düsseldorfer Schloss, verschmähte, weil die dortigen Landstände von ihm geforderte Gelder nicht bewilligt hatten. Karl Philipp begann mit dem Bau des Mannheimer Schlosses, das in endgültiger Gestalt erst 1760 unter seinem Nachfolger Karl Theodor vollendet werden konnte. Mannheim wurde Residenzstadt der Kurpfalz und es begann eine kurze, aber glanzvolle Prachtzeit der jungen Stadt. Der kurpfälzische Hof förderte Kunst und Musik, Wissenschaft und Handel. Aus ganz Europa strömten Künstler nach Mannheim, um am Hof des Kurfürsten zu weilen.

Besondere Wirksamkeit entfaltete die Mannheimer Schule der frühen Klassik, die Hofkapellmeister Johann Stamitz (* 1717 in Deutschbrod/Böhmen) um 1750 gründete. Die ursprüngliche Orchesterschule wurde neben jener in Wien und den Bachsöhnen einer der wichtigsten „Trendsetter“ im Übergang von der Musik des Spätbarock zur Wiener Klassik.

Dem Ruf der Mannheimer Schule folgte auch der junge Wolfgang Amadeus Mozart, der 1777 in Mannheim weilte, wo er sich in Aloysia Weber, die ältere Schwester seiner späteren Frau Constanze Weber verliebte. Christian Cannabich, der Leiter des inzwischen berühmten Mannheimer Orchesters, nahm Mozart freundschaftlich auf. Die Mannheimer Bemühungen zur Schaffung einer deutschen Oper erwiesen sich für Mozart als sehr fruchtbar.

 
Karl Theodor von der Pfalz

In dieser Zeit entstanden zahlreiche bekannte Bauwerke wie das Kaufhaus in N 1 am Paradeplatz, mit dessen Bau nach Plänen von Alessandro Galli da Bibiena begonnen wurde (vollendet 1747). 1733 wurde der Grundstein zur 1760 vollendeten Jesuitenkirche, der größten Barockkirche am Oberrhein, gelegt. 1763 stiftete Kurfürst Karl Theodor die kurpfälzische Akademie der Wissenschaften als Forschungsinstitution mit einer historischen, einer naturwissenschaftlichen und einer meteorologischen Klasse. 1775 gründete er die Kurpfälzische Deutsche Gesellschaft, die sich im 18. Jahrhundert der Pflege der deutschen Sprache und Literatur widmete.[13]

Der Jesuitenpater und Hofastronom Christian Mayer bezog 1774 die neuerbaute Mannheimer Sternwarte, die der kurpfälzischen Akademie der Wissenschaften angegliedert war. Zahlreiche berühmte Zeitgenossen wie Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Friedrich Gottlieb Klopstock, Gotthold Ephraim Lessing und Christoph Martin Wieland weilten in Mannheim. In diese Zeit fällt auch die erste freimaurerische Tätigkeit in Mannheim, deren Wurzeln sich bis 1727 zurückverfolgen lassen. Die 1756 gegründete Freimaurerloge Carl zur Eintracht geht auf diese Zeit zurück und existiert bis heute.

Mitte des 18. Jahrhunderts zählte Mannheim über 25.000 Einwohner.

Verlust der politischen Stellung Bearbeiten

 
Belagerung Mannheims 1794/95
 
Mannheim 1813

Eine Vereinbarung zwischen Kurfürst Karl Theodor von der Pfalz und dem bayerischen Kurfürst Max III. Joseph sicherte beiden die wechselseitige Erbfolge in ihren Ländern zu. Diese Vereinbarung war angesichts des drohenden Aussterbens beider dem Geschlecht der Wittelsbacher angehörenden Linien notwendig geworden. Als 1777 Kurfürst Max III. Joseph starb, musste Karl Theodor daher 1778 seine Residenz nach München verlegen, um von dort aus den nun Pfalzbayern genannten Staat zu regieren.

Mit dem Ende als Residenzstadt begann für die Stadt ein tiefer wirtschaftlicher und kultureller Einschnitt, die Wirtschaftsleistung brach ein, zahlreiche wohlhabende Adelsfamilien verließen Mannheim und viele Arbeitsplätze fielen weg. Wolfgang Heribert Freiherr von Dalberg wurde als Intendant mit der Leitung des Nationaltheaters betraut, das der Kurfürst als Ausgleich für den Wegzug des Hofes in Mannheim bestehen ließ. 1782 wurde das Drama Die Räuber von Friedrich Schiller im Mannheimer Nationaltheater uraufgeführt.

Zwischen 1790 und 1794 wurde der Neckar reguliert und begradigt. 1795 wurde Mannheim im Ersten Koalitionskrieg von den Franzosen besetzt; bei der Rückeroberung durch österreichische Truppen erlitt die Stadt durch Artilleriebeschuss schwere Zerstörungen. Ab 1799 wurden die Festungsanlagen geschleift, die Abbrucharbeiten dauerten bis 1821.

Die Kurpfalz wurde 1803 im Zuge des Reichsdeputationshauptschlusses als eigenständiges Territorium aufgelöst und Mannheim fiel in der Folge an das Großherzogtum Baden, in dem es – geografisch an den nordwestlichen Rand gedrängt – den Status einer Grenzstadt einnahm. Nach dem Verlust der Residenz 1778 musste Mannheim nun auch auf die Funktion als Hauptstadt verzichten, was zunächst einen weiteren demographischen wie auch wirtschaftlichen Aderlass zur Folge hatte. Als entscheidend für die weitere strukturelle Entwicklung der Stadt erwies sich hingegen die Wiedereinführung des Neckarstapels sowie die Bestimmung Mannheims als eine der drei ausschließlichen Ein- und Ausladestellen am badischen Rheinufer. Damit wurden entscheidende Voraussetzungen gelegt für den späteren Aufstieg Mannheims zur führenden südwestdeutschen Handelsstadt, der 1840 mit der Anlage des Rheinhafens zusätzliche Dynamik gewann.

Am 12. Juni 1817 unternahm Karl von Drais mit der vom ihm entwickelten Laufmaschine, auch Draisine oder Veloziped genannt, eine erste Fahrt auf der Strecke zwischen dem Mannheimer Schloss und dem heutigen Stadtteil Rheinau.[14]

1819 ermordete der radikale Burschenschafter Karl Ludwig Sand aus politischen Gründen mit mehreren Messerstichen den reaktionären Schriftsteller und russischen Staatsrat August von Kotzebue in dessen in A2 gelegenen Palais. Die Tat diente in den Staaten des Deutschen Bundes als Rechtfertigung für Unterdrückungsmaßnahmen gegen nationale und liberale Bestrebungen (Karlsbader Beschlüsse). Karl Ludwig Sand wurde vom Mannheimer Hofgericht zum Tode verurteilt und am 5. Mai 1820 hingerichtet.

Erneuter wirtschaftliche Aufschwung Bearbeiten

 
Karl Mathy spricht vom Balkon des Mannheimer Rathauses, von der Mannheimer Bürgerwehr vor protestierenden Anhängern Heckers geschützt.
 
Schuldverschreibung über 500 Mark der Stadt Mannheim vom 1. April 1901; diente zur Finanzierung von: Erweiterung des Industriehafens, der electrischen Strassenbahnen, der Erbauung von Vorortbahnen, eines neuen Krankenhauses und für Schulgebäude.

1828 wurde am Rhein ein Freihafen eröffnet. 1831 wurde durch den Abschluss der ersten Rheinschifffahrtskonvention (Mainzer Akte) Mannheim Endpunkt der Großschifffahrt auf dem Rhein. Es begann eine weitere Blütezeit Mannheims, die vom wirtschaftlichen Aufstieg des Bürgertums geprägt war. 1840 wurde der Rheinhafen, sowie die erste badische Eisenbahnlinie von Mannheim nach Heidelberg eröffnet. Die Badische Hauptbahn war mit einer Spurweite von 1600 mm gebaut, weswegen später ein Umbau auf Normalspur nötig wurde.

1848 war Mannheim ein Mittelpunkt der politischen und revolutionären Bewegung (siehe auch Deutsche Revolution 1848/1849). Am 27. Februar fand hier die erste Volksversammlung in Baden statt. Aus der Quadratestadt kamen prominente gemäßigte Liberale wie Friedrich Daniel Bassermann, Karl Mathy und Alexander von Soiron, Männer der Mitte wie Lorenz Brentano, aber auch radikale Demokraten wie Karl Blind, Friedrich Hecker oder Gustav Struve. Nach Niederschlagung des badischen Volksaufstands 1849 wurden zahlreiche Revolutionäre standrechtlich erschossen, so in Mannheim Karl Höfer, Valentin Streuber und Wilhelm Adolph von Trützschler. 1863 wurde das Stadtamt Mannheim mit Gemeinden des aufgehobenen Amtes Ladenburg zum Bezirksamt Mannheim vereinigt.

 
Mannheim, historische Karte (1880)

1865 gründete Friedrich Engelhorn in Mannheim-Jungbusch die Badische Anilin- und Soda-Fabrik (BASF), die später allerdings nach Ludwigshafen am Rhein verlegt wurde. Aus der Farbenfabrik wurde bis heute das größte Chemieunternehmen der Welt. Am 17. Oktober 1868 unterzeichneten im Mannheimer Schloss die Anrainerstaaten Bayern, Baden, Hessen, Holland und Preußen die Revidierte Rheinschifffahrtsakte, die sog. Mannheimer Akte.[15] Die Mannheimer Akte bildet bis heute die Rechtsgrundlage der freien Rheinschifffahrt. Der Vorläufer der Straßenbahn, die Pferdeeisenbahn wurde 1878 in Betrieb genommen. 1880 stellte Werner von Siemens den ersten elektrische Aufzug auf der Pfalzgau-Ausstellung im Mannheimer Schlossgarten vor. 1886 ließ Carl Benz sein „Veloziped mit Ligroingasmotor“ patentieren und unternahm am 3. Juli seine erste Probefahrt: die Geburtsstunde des Automobils. Am 5. August 1888 absolvierte Bertha Benz gemeinsam mit ihren beiden Söhnen die erste Überlandfahrt eines Autos in ihre Geburtsstadt Pforzheim. 1889 wurde der Mannheimer Wasserturm feierlich eingeweiht. 1895 erwarb die Stadt Mannheim von Sandhofen die Friesenheimer Insel und begann mit dem Bau des Industriehafens. Die Eingemeindung Käfertals (1897) brachte das Industriegebiet Waldhof zu Mannheim. Die Stadt zählte nun über 100.000 Einwohner. Bis 1913 folgten die Eingemeindungen Neckaraus (1899), Feudenheims (1910) sowie Sandhofens und des Rheinau-Gebiets (1913). Die Gemarkungsfläche der Stadt vergrößerte sich um fast 350 Prozent. Man sprach in dieser Zeit vom amerikanischen Wachstum. Zwischen 1867 und 1930 fand eine Verneunfachung der Einwohner von Mannheim und Ludwigshafen, das sich aus der alten Mannheimer Rheinschanze entwickelte, von 42.000 auf 385.000 statt. Der erste Abschnitt der elektrischen Straßenbahn ging 1900 in Betrieb und ersetzte die bisherige Pferdebahn.

 
Gebäude des ehemaligen Bezirksamtes Mannheim (1906), heute Sitz des Polizeipräsidiums Mannheim

1907 feierte Mannheim sein 300-jähriges Stadtjubiläum mit einer großangelegten Jubiläums Gartenbau- und Kunstausstellung.[16] Die Kunsthalle wurde zum 300-jähriges Stadtjubiläum 1907 eröffnet.[17] Großherzog Friedrich I. von Baden weihte den Industriehafen ein. Dort siedelten sich eine Reihe wichtiger Unternehmen an und Mannheim entwickelte sich zur wichtigsten Industrie- und Handelsstadt des Südwestens. Am 11. April 1907 wurde der SV Waldhof Mannheim gegründet.

Nach dem Ersten Weltkrieg Bearbeiten

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Mannheim infolge der französischen Besetzung des linksrheinischen Gebiets zur Grenzstadt. Bürgerschaftliches Engagement bewältigt eine Wiederaufbaupatenschaft für die Beseitigung von Kriegsschäden in der ostpreußischen Stadt Memel (heute Klaipeda). 1921 stellte die Heinrich Lanz AG den ersten selbstfahrenden Rohölschlepper (Bulldog) für den landwirtschaftlichen Gebrauch vor und löste damit eine Revolution in der maschinengestützten Landwirtschaft aus. 1924 wurde das Bezirksamt Mannheim um die Gemeinden des aufgelösten Bezirksamts Schwetzingen erweitert. 1925 zeigte die von Gustav Hartlaub geleitete Kunsthalle die Ausstellung Neue Sachlichkeit, die damit einer bedeutenden Kunstrichtung der 1920er Jahre ihren Namen gab. 1928 wurde mit Hermann Heimerich erstmals ein Sozialdemokrat zum Oberbürgermeister gewählt. Mit Friedrichsfeld und Seckenheim war 1930 der Prozess der Eingemeindungen abgeschlossen.

Mannheim im Dritten Reich Bearbeiten

Nachdem am 30. Januar 1933 die Nachricht von Hitlers Ernennung zum Reichskanzler in Mannheim eintraf, zogen zirka 700 NSDAP-Anhänger durch die Stadt. Kam es in den ersten Tagen nach der sog. Machtergreifung noch zu Gegendemonstrationen von Kommunisten und Sozialdemokraten, ebbte dieser Widerstand im Vorfeld der Reichstagswahl 1933, die von Zeitungsverboten und Verhaftungen, Benachteiligungen und Einschüchterungen begleitet wurde, stark ab. Die NSDAP ging in Mannheim mit 35,5 Prozent der Stimmen als stärkste Partei aus den Stadtratswahlen hervor. Am 6. März 1933 wurde am Rathaus die Hakenkreuzflagge gehisst. Am 11. März wurde der noch amtierenden Oberbürgermeister und Sozialdemokraten Hermann Heimerich, der sich zuvor geweigert hatte, die Hakenkreuzflagge am Rathaus zu hissen, von SA-Männer unter physischen Zwang auf den Rathaus-Balkon gebracht, wo er gegen seinen Willen die Verbrennung der schwarz-rot-goldenen Flagge der Republik mit ansehen musste.[18] Von diesen Vorfällen nervlich geschwächt wurde Hermann Heimerich am 12. März im Krankenhaus in „Schutzhaft“ genommen und im Juni 1933 als Oberbürgermeister abgesetzt.[19][20] Neuer Oberbürgermeister von Mannheim wurde Carl Renninger. Hitler selbst besuchte Mannheim nur einmal anlässlich der Saarfeier 1935 am Flughafen Neuostheim.[21]

Mannheim wurde „gleichgeschaltet“ und aus den beiden Bezirksämtern Mannheim und Weinheim entstand 1936 der Landkreis Mannheim. 1939 schied die Stadt aus dem Landkreis Mannheim aus und wurde eine kreisfreie Stadt, blieb aber Sitz des Landkreises Mannheim.

Nach der Verwüstung der Haupt-, der Klaus- und der Feudenheimer Synagoge wurden 1940 fast 2.000 Mannheimer jüdischen Glaubens in das deutsche Internierungslager Gurs nach Frankreich deportiert (Wagner-Bürckel-Aktion). Dort starben viele an unbehandelten Krankheiten und Unterernährung. Viele wurden von dort 1941/42 in die Vernichtungslager des Ostens verschleppt und ermordet. Im September 1944 wurde im Stadtteil Sandhofen ein Außenlager des Konzentrationslagers Natzweiler-Struthof errichtet. Darin waren 1.060 polnische Häftlinge als Zwangsarbeiter untergebracht, die bei Daimler-Benz eingesetzt wurden. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Mannheim aufgrund der ständigen Luftangriffe auf die Industrie-, Gleisanlagen und Wohnviertel fast völlig zerstört (Luftangriffe auf Mannheim).

Am 17. März 1945 erklärte Dwight D. Eisenhower das Stadtgebiet Mannheims zur Kampfzone, wenngleich zu diesem Zeitpunkt noch auf pfälzischer Seite gekämpft wurde. Die Bevölkerung verließ daraufhin zu großen Teilen die Stadt in Richtung Odenwald, so dass zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich weniger als 100.000 Menschen in Mannheim gelebt haben.

Am 22. März überquerten die Amerikaner den Rhein bei Oppenheim und kurz darauf (26. März) auch bei Worms. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits alle Rheinbrücken in der Region gesprengt, lediglich die Brücke bei Germersheim blieb bis zum 24. März als Rückzugsmöglichkeit intakt. Aus den gebildeten Brückenköpfen stießen die Amerikaner aus Norden Richtung Mannheim vor.

Am Mittwoch, dem 28. März 1945 fand die erste telefonische Kapitulation in der Geschichte statt. Über eine intakt gebliebene Leitung von der Innenstadt in das Wasserwerk Käfertal handelte Gretje Ahlrichs, eine Telefonistin der Stadt Mannheim, mit den im Wasserwerk befindlichen Amerikanern eine Feuerpause aus, um einen der wenigen noch nicht geflohenen Mitarbeiter der Stadtverwaltung ans Telefon zu holen, der befugt war, die Kapitulation der Stadt auszuhandeln. Am Donnerstag, den 29. März besetzten US-Truppen die Innenstadt. Am Karfreitag, den 30. März 1945, war ganz Mannheim besetzt.[22] Die amerikanische Militärregierung setzte den Zentrumspolitiker Josef Braun am 31. März 1945 als Oberbürgermeister ein.[23]

Wiederaufbau bis heute Bearbeiten

 
Zweitstimmenergebnisse bei Bundestagswahlen im Stadtgebiet (die Wahlkreiseinteilung war teilweise nicht damit identisch)

Eine Reihe wichtiger Nato- und amerikanischer militärischer Einrichtungen befanden sich seit Kriegsende in Mannheim, so beispielsweise das Hauptquartier des 5th Signal Command, das Telekommunikationskommando der United States Army in Europa.

Nur mühsam setzte der Wiederaufbau der Stadt ein. Schloss und Wasserturm wurden wiederaufgebaut, das Nationaltheater an neuer Stelle errichtet. Immer noch herrschte Wohnungsnot. Daher wurden in rascher Abfolge neue Wohngebiete (Waldhof-Ost, Vogelstang, Herzogenried, Neckaruferbebauung) erschlossen. 1967 wurde Mannheim Universitätsstadt und beherbergt heute eine Reihe weiterer Hochschulen, darunter eine Berufsakademie und eine Fachhochschule, sowie die Fachhochschulen des Bundes.

Bei der Kreisreform Baden-Württemberg 1973 wurde der Landkreis Mannheim mit dem Landkreis Heidelberg und Teilen des Landkreises Sinsheim zum Rhein-Neckar-Kreis vereinigt. Mannheim verlor nach über 170 Jahren den Sitz eines Amtes beziehungsweise Landkreises, da Heidelberg Sitz des neuen Landkreises wurde. Die Stadt selbst blieb aber kreisfrei. Als „Entschädigung“ hierfür wurde Mannheim Sitz der neugebildeten Region Unterer Neckar (heute Region Rhein-Neckar).

1975 bildete die Bundesgartenschau mit einem sommerlangen Fest einen Glanzpunkt in Luisen- und Herzogenriedpark. In jenen Jahren wurden eine Reihe baulicher Maßnahmen umgesetzt: der Fernmeldeturm wurde errichtet, eine zweite Rheinbrücke (Kurt-Schumacher-Brücke) und das Collini-Center wurden gebaut, die „Planken“ zur Fußgängerzone umfunktioniert, der neue Rosengarten eingeweiht, der Aerobus schwebte durch Mannheim. Auch in den 1980er und 1990er Jahren wurde eine Reihe von Großprojekten verwirklicht: Planetarium an der Augustaanlage, Kunsthallenerweiterung, neues Reiß-Museum (Museum Weltkulturen), Stadthaus, neues Maimarktgelände, Synagoge, Yavuz-Sultan-Selim-Moschee, Landesmuseum für Technik und Arbeit, Carl-Benz-Stadion, Fahrlachtunnel.

Wirtschaftlich prägten in der jüngeren Vergangenheit die Abnahme der industriellen Arbeitsplätze Mannheim. Die Stadt versuchte dieser Entwicklung mit der Ausweisung von Gewerbegebieten und der Ansiedlung von Dienstleistungsunternehmen entgegenzuwirken. Paradebeispiel dafür ist der Bau des rautenförmigen Victoria-Hochhauses 2001 im Stadtteil Lindenhof, eines der höchsten Gebäude der Stadt (27 Obergeschosse).

 
Logo anlässlich des 400. Stadtgeburtstages 2007

Im Hinblick auf das 400. Stadtjubiläum 2007 wurden ab 2000 einige städtebauliche Aktivitäten umgesetzt: SAP Arena mit Anschluss an den neuen Stadtbahnring Ost, Sanierung der Fußgängerzone Breite Straße, des Zeughauses und des Schlosses, komplette Umgestaltung des Alten Messplatzes und die Stadtbahnneubaustrecke Schafweide.

Literatur Bearbeiten

  • Johann Seobaldus Fabricius: Hist. P. P. Manhemium et Lutrea Caesarea sive de utriusque urbis originibus, incrementis et instauratione nova. Browne, Heidelberg 1656 (Geschichte Mannheims und Kaiserslauterns, Digitalisat)
  • Gustav Wiederkehr: Mannheim in Sage und Geschichte. Mannheim 1907. (Neuauflage Ubstadt-Weiher 1999, ISBN 3-89735-120-X)
  • Friedrich Walter: Mannheim in Vergangenheit und Gegenwart. 2 Bände. Mannheim 1907.
  • Friedrich Walter: Schicksal einer deutschen Stadt. 2 Bände. Fritz Knapp, Frankfurt 1949–1950.
  • Friedrich Walter: Aufgabe und Vermächtnis einer deutschen Stadt. Frankfurt 1952.
  • Hansjörg Probst: Kleine Mannheimer Stadtgeschichte. Friedrich Pustet, Regensburg 2005, ISBN 3-7917-1972-6.
  • Hansjörg Probst (Hrsg. im Auftrag der Gesellschaft der Freunde Mannheims und der Ehemaligen Kurpfalz – Mannheimer Altertumsverein von 1859 und der Reiss-Engelhorn-Museen): Mannheim vor der Stadtgründung. 4 Bände, Pustet, Regensburg 2006–2008, ISBN 978-3-7917-2074-6.
  • Hrsg. im Auftrag der Stadt Mannheim von Ulrich Nieß und Michael Caroli: Geschichte der Stadt Mannheim. 3 Bände, Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher 2007–2009, Bd. 1, ISBN 978-3-89735-470-8; Bd. 2, ISBN 978-3-89735-471-5; Bd. 3, ISBN 978-3-89735-472-2.
  • Wilhelm Kreutz; Hermann Wiegand: Kleine Geschichte der Stadt Mannheim. Mannheim 2008.
Bau- und Architekturgeschichte
  • Stadtarchiv Mannheim, Mannheimer Architektur- u. Bauarchiv e. V. (Hrsg.): Architektur in Mannheim… 1907–2007, 5 Bände, Edition Quadrat, Mannheim.
    • … 1918–1939 von Monika Ryll (Bearbeitung), Claudia Brandt, Aina Hedström, Gudrun Höhl, Volker Keller, Barbara Kilian, Christmut Präger, Helga Purm, Hanspeter Rings. 1994, ISBN 3-923003-59-5. Rezension bei zum.de
    • Andreas Schenk: Bauten für Verwaltung, Handel und Gewerbe. 2000, ISBN 3-923003-83-8.
    • Andreas Schenk: Bauten für Bildung, Kultus, Kunst und Kultur. ISBN 3-923003-85-4.
    • Andreas Schenk: Bauten für Wohnen, Soziales, Plätze und Grünanlagen. ISBN 3-923003-89-7.
  • Sonja Steiner-Welz, Reinhard Welz: Mannheim: Villen und Landhäuser. Vermittlerverlag Mannheim, 2001.
  • Wiltrud Heber: Die Arbeiten des Nicolas de Pigage in den ehemals kurpfälzischen Residenzen Mannheim und Schwetzingen. 1987, ISBN 3-88462-909-3.
  • Gerhard Widder, Jörg Schadt, Monika Ryll von Brandt: Kaufhaus, Rathaus, Stadthaus in Mannheim. Bauten im Widerspruch zwischen Obrigkeit und Bürgerschaft. K F v Taschenbuch, 1991.

Weblinks Bearbeiten

Commons: Geschichte Mannheims – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Ulrich Brandl, Emmi Federhofer: Ton + Technik. Römische Ziegel (= Schriften des Limesmuseums Aalen. Band 61). Theiss, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-8062-2403-0.
  2. Wilhelm Kreutz; Hermann Wiegand: Kleine Geschichte der Stadt Mannheim. Mannheim 2008, S. 12.
  3. Karl Josef Minst [Übers.]: Lorscher Codex (Band 2), Urkunde 549, 11. März 766 – Reg. 20. In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, S. 197, abgerufen am 29. Januar 2016.
  4. Ortsliste zum Lorscher Codex, Mannheim, Archivum Laureshamense – digital, Universitätsbibliothek Heidelberg.
  5. Mannheimer Morgen, 19. März 2016, Seite 21, „Doch kein armes Fischerdorf“, online auf www.morgenweb.de, abgerufen am 21. März 2016.
  6. Neckarau. LEO-BW (Landesarchiv Baden-Württemberg), Landeskunde entdecken online, abgerufen am 16. April 2015.
  7. Minst, Karl Josef [Übers.]: Lorscher Codex (Band 2), Urkunde 600 1. Mai 771 – Reg. 608. In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, S. 218, abgerufen am 5. April 2015.
  8. Uwe Gross: ‚Botzheim‘, ‚Hermsheim‘, ‚Bergheim‘. Drei Siedlungsplätze mit Hinweisen auf Kontinuität von der Völkerwanderungszeit bis ins Hochmittelalter. In: Roland Prien, Christian Witschel (Hrsg.): Lopodunum VII: Ladenburg und der Lobdengau zwischen ‚Limesfall‘ und den Karolingern (= Forschungen und Berichte zur Archäologie in Baden-Württemberg. Band 17). Dr. Ludwig Reichert, Wiesbaden 2020, ISBN 978-3-95490-481-5, S. 255–269, besonders S. 263.
  9. Wilhelm Kreutz; Hermann Wiegand: Kleine Geschichte der Stadt Mannheim. Mannheim 2008, S. 25.
  10. Wilhelm Kreutz; Hermann Wiegand: Kleine Geschichte der Stadt Mannheim. Mannheim 2008, 43.
  11. Die Geschichte der Jüdischen Gemeinde Mannheims. Jüdische Gemeinde Mannheims, 2023, abgerufen am 3. Mai 2023.
  12. Lothar Gall: Bürgertum in Deutschland. btb, München 1996, ISBN 978-3-442-72044-6, S. 117.
  13. Wilhelm Kreutz; Hermann Wiegand: Kleine Geschichte der Stadt Mannheim. Mannheim 2008, S. 97.
  14. Wilhelm Kreutz; Hermann Wiegand: Kleine Geschichte der Stadt Mannheim. Mannheim 2008, S. 120.
  15. Hanspeter Rings: Mannheim auf Kurs. Hafen und Schifffahrtsgeschichte der Stadt an Rhein und Neckar, erschienen in: Kleine Schriften des Stadtarchivs Mannheim, hrsg. von Ulrich Nieß, Mannheim 2003, S. 96.
  16. Wilhelm Kreutz; Hermann Wiegand: Kleine Geschichte der Stadt Mannheim. Mannheim 2008, S. 172.
  17. Wilhelm Kreutz; Hermann Wiegand: Kleine Geschichte der Stadt Mannheim. Mannheim 2008, S. 170.
  18. Wilhelm Kreutz; Hermann Wiegand: Kleine Geschichte der Stadt Mannheim. Mannheim 2008, S. 192.
  19. http://verlag-regionalkultur.de/media/pdf/bib_772-3.pdf
  20. Hermann Heimerich. Ein Mannheimer Oberbürgermeister im Spiegel seines Nachlasses. Autor: Tarokic, Angelika. Erscheinungsjahr: 2006, ISBN 978-3-926260-70-3.
  21. Andreas Schenk: Der NS Bürgermeister und die Bunker: Carl Renninger. In: Marchivum. Stadtarchiv Mannheim, 2017, abgerufen am 19. Dezember 2021.
  22. Marchivum, Chronikstar, 28. März 1945, 29. März 1945, 30. März 1945.
  23. Marchivum, Chronikstar, 31. März 1945.