Der Ruf (Zeitschrift)

deutsche kulturpolitische Zeitschrift nach 1945

Der Ruf war eine 1946 in München gegründete deutsche kulturpolitische Zeitschrift mit dem programmatischen Untertitel „Unabhängige Blätter der jungen Generation“. Die politische Orientierung der Zeitschrift entsprach einem „sozialistischen Humanismus“.[1] Ihre Gründer gelten als Wegbereiter der Gruppe 47.

Der Ruf – unabhängige Blätter der jungen Generation

Titelkopf
Beschreibung kulturpolitische Zeitschrift
Verlag Nymphenburger Verlagshandlung, München
Erstausgabe 15. August 1946
Einstellung 15. März 1949
Erscheinungsweise halbmonatlich
Verkaufte Auflage 20.000–70.000 Exemplare
(bpb.de)
Chefredakteur Hans Werner Richter
Herausgeber Alfred Andersch
Weblink 1. Jahrg. Nr.1

Geschichte

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Der Ruf: Zeitung der deutschen Kriegsgefangenen in USA, Ausgabe vom 15. November 1945

Als Vorläufer des 1946 gegründeten Rufs erschien am 1. März 1945 die Erstausgabe der Zeitschrift Der Ruf: Zeitung der deutschen Kriegsgefangenen in USA. Sie wurde im Rahmen des amerikanischen Reeducation-Programms im Kriegsgefangenenlager Fort Kearny in Rhode Island erstellt und von Curt Vinz herausgegeben. Verteilt an die deutschen Kriegsgefangenen in verschiedenen Lagern reichte ihre Auflage von anfänglich 10.000 bis 75.000 Exemplare, ehe sie mit der 26. Ausgabe am 1. April 1946 eingestellt wurde. Alfred Andersch und Hans Werner Richter, die sich beide in amerikanischer Kriegsgefangenschaft befanden, gehörten zu den Mitarbeitern der Zeitschrift.[2]

Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland entwickelte Curt Vinz, inzwischen Verleger der Nymphenburger Verlagshandlung in München, die Idee, einen Nachfolger der Kriegsgefangenenzeitung herauszugeben. Am 15. August 1946 erschien die erste Ausgabe der Zeitschrift Der Ruf – unabhängige Blätter der jungen Generation in einer Startauflage von 35.000 Exemplaren. Herausgeber war Alfred Andersch, als Redakteur und seit der vierten Ausgabe Mitherausgeber fungierte Hans Werner Richter. Weitere Mitarbeiter waren unter anderen der Lektor Gustav René Hocke, der Grafiker Franz Wischnewski sowie Walter Maria Guggenheimer, Walter Kolbenhoff, Walter Heist und Friedrich Minssen,[3] später auch Hildegard Brücher.[1]

Die ersten acht Seiten der Zeitschrift behandelten gewöhnlich politische Themen. Es folgten kulturelle und literarische Artikel auf vier bis fünf Seiten, den Abschluss bildeten Buchbesprechungen und Inserate. Insbesondere in den Leitartikel auf den ersten beiden Seiten sowie die Rubrik Deutsche Kommentare auf Seite drei floss die politische Überzeugung der Redakteure ein,[1] die Andersch im späteren Rückblick zusammenfasste: „Wir machten dieses Blatt unter dem Aspekt der Freiheit, also daß man in Deutschland sagen konnte, was man zu sagen für nötig hielt. Und das hat auch eingeschlossen die Kritik an der Besatzungsmacht. […] Es gab zwei zentrale rote Fäden, die sich durch die Zeitung zogen. Das eine war die Idee, […] das künftige Deutschland […] müsse eine Brücke zwischen Ost und West bilden. – Die zweite Sache, war die, daß wir sagten: Sozialismus. Wir sind für ein sozialistisches Deutschland eingetreten, das außen- und innenpolitisch als Brücke zwischen den Westmächten und der Sowjetunion dienen solle.“[4]

Die Auflage des Rufs steigerte sich, nicht zuletzt wegen der kritischen Haltung gegenüber der amerikanischen Besatzungsmacht, bald auf 50.000 und seit der 10. Ausgabe am 1. Januar 1947 auf 70.000 Exemplare, ehe sie von der Information Control Division (ICD) der amerikanischen Besatzungszone nach der 14. Ausgabe auf 50.000 beschnitten wurde, nachdem in dieser Ausgabe verschiedene Artikel den Unwillen der amerikanischen Zensurgremien auf sich gezogen hatten.[5] Mit der Planung der Ausgabe 17 kam es am 4. April 1947 zum endgültigen Verbot des Rufs durch die ICD, der nur unter der Auflage zu umgehen war, dass die Herausgeber Andersch und Richter entlassen wurden. Mit einem geänderten politischen Profil und unter neuer Herausgeberschaft, zunächst kommissarisch durch Erich Kuby, von Januar 1948 an durch Walter von Cube konnte die Zeitschrift kurz darauf wieder erscheinen.[6] Der Verlagsort wechselte 1948 von München nach Mannheim. 1949 wurde der Ruf endgültig eingestellt.

Während Andersch sich nach seinem Ausscheiden literarischen Projekten widmete, plante Richter eine neue Zeitschrift unter dem Titel Der Skorpion, die zwar nie über ihre Nullnummer herauskam, doch aus deren erstem Mitarbeitertreffen die Gruppe 47 entstand, die in Folge großen Einfluss auf die deutsche Nachkriegsliteratur erlangte. Die Bedeutung der Zeitschrift Der Ruf selbst ist umstritten. Gerd Bucerius sprach von einer „glanzvollen politischen Zeitschrift“ und sah in Hans Werner Richter den Journalisten mit dem größten Einfluss in der amerikanischen Besatzungszone.[7] Alexander Gallus wertete den Ruf als eines der Leitmedien seiner Zeit.[1] Heinz Ludwig Arnold relativierte dagegen: „Seine Bedeutung blieb ephemer, eine Randnotiz aus dieser Zeit, wenn er nicht durch den späteren Ruhm von Andersch und Richter und vor allem durch die nachfolgende Erfolgsgeschichte der Gruppe 47 aufgewertet worden wäre.“[5]

Siehe auch

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Literatur

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  • Hans A. Neunzig (Hrsg.): Der Ruf – Unabhängige Blätter für die junge Generation. Eine Auswahl. Vorwort von Hans Werner Richter, Einleitung von Hans A. Neunzig. Nymphenburger Verlagshandlung, München 1976.
  • Hans Schwab-Felisch (Hrsg.): Der Ruf. Eine deutsche Nachkriegszeitschrift. Mit einem Geleitwort von Hans Werner Richter. München 1962.
  • Anne-Kathrin Herrmann, Torben Fischer: Junge Generation. In: Torben Fischer, Matthias N. Lorenz (Hrsg.): Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945. Bielefeld: Transcript 2007. ISBN 978-3-89942-773-8, S. 54ff.
  • Jérôme Vaillant: Der Ruf. Unabhängige Blätter der jungen Generation (1945–1949). Eine Zeitschrift zwischen Illusion und Anpassung. München u. a. 1978.
  • Volker C. Wehdeking: Der Nullpunkt. Über die Konstituierung der deutschen Nachkriegsliteratur (1945–1948) in den amerikanischen Kriegsgefangenenlagern. Stuttgart 1971.
  • Merle Krüger: Der „Dritte Weg“ der „jungen Generation“: Hans Werner Richter und „Der Ruf“. In: Jost Hermand, Helmut Peitsch, Klaus R. Scherpe (Hrsg.): Nachkriegsliteratur in Westdeutschland. Bd. 2. Berlin 1983, S. 28–40.
  • Uwe Puschner: Der Ruf. Deutschland in Europa (1946–1949). In: Michel Grunewald, Hans Manfred Bock (Hrsg.): Der Europadiskurs in den deutschen Zeitschriften (1945–1955). Frankfurt am Main u. a. 2001, S. 105–120.
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Einzelnachweise

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  1. a b c d Alexander Gallus: „Der Ruf“ – Stimme für ein neues Deutschland In: Aus Politik und Zeitgeschichte 25/2007
  2. Heinz Ludwig Arnold: Die Gruppe 47. Rowohlt, Reinbek 2004, ISBN 3-499-50667-X, S. 17.
  3. Arnold: Die Gruppe 47, S. 20
  4. Arnold: Die Gruppe 47, S. 21
  5. a b Arnold: Die Gruppe 47, S. 23
  6. J. Vaillant: Der Ruf (Anm. 3), S. 106–145.
  7. Gerd Bucerius: Streitbarer Konservativer. In: Die Zeit, Nr. 13/1974