Kornewo (russisch Корнево, deutsch Zinten, polnisch Cynty, litauisch Cintai) ist eine Siedlung in der russischen Oblast Kaliningrad. Sie gehört zur kommunalen Selbstverwaltungseinheit Stadtkreis Bagrationowsk im Rajon Bagrationowsk.

Siedlung
Kornewo
Zinten

Корнево
Wappen
Wappen
Föderationskreis Nordwestrussland
Oblast Kaliningrad
Rajon Bagrationowsk
Gegründet 1313
Frühere Namen Zinten (bis 1947)
Siedlung seit 1947
Bevölkerung 1755 Einwohner
(Stand: 1. Okt. 2021)[1]
Zeitzone UTC+2
Postleitzahl 238443
Kfz-Kennzeichen 39, 91
OKATO 27 203 000 026
Geographische Lage
Koordinaten 54° 27′ N, 20° 18′ OKoordinaten: 54° 27′ 0″ N, 20° 18′ 0″ O
Kornewo (Europäisches Russland)
Kornewo (Europäisches Russland)
Lage im Westteil Russlands
Kornewo (Oblast Kaliningrad)
Kornewo (Oblast Kaliningrad)
Lage in der Oblast Kaliningrad

Lage Bearbeiten

Die Ortschaft liegt in der historischen Region Ostpreußen, östlich des Frischen Haffs, etwa 23 km östlich von Mamonowo und 35 km südwestlich von Kaliningrad.

Geschichte Bearbeiten

Das Kirchdorf Zinten (prußisch sinds: Hartriegel-Strauch; sindats: sitzen, siedeln) erhielt 1313 die Stadtrechte nach Kulmer Recht. Ursprünglich gehörte der Ort zum Ermland, blieb aber bei der Teilung 1466 nach dem Zweiten Thorner Frieden ebenso wie Heiligenbeil beim restlichen Ordensstaat und wird seither zur Landschaft Natangen gerechnet. Bis zum Zweiten Weltkrieg wuchs die Stadt auf fast 6000 Einwohner heran. Sie war seit 1938 Garnisonsstadt (I. Abt. Panzerregiment 10 in der Seydlitz-Kaserne) und von vielseitigen mittelständischen Betrieben geprägt. In Zinten gab es unter anderem seit 1879 das Amtsgericht Zinten, einen Bahnhof (1885), Pferderennplatz (1936), Waldbad (1932), Stadtpark (1932), Ski-Schanzen (1936), Turnhalle (1929), Jugendherberge (1934) und diverse Vereine.

Da es in der Zeit bis 1773 im katholischen Ermland für Protestanten nicht erlaubt war, sich länger als ein Jahr dort aufzuhalten, umgingen viele evangelische Ermländer diese Regel, indem sie sich für einen Tag im nahe gelegenen Zinten niederließen. Dies brachte der Stadt den noch im 20. Jahrhundert geläufigen Scherznamen „Ausland“ ein.

Die Stadt war planmäßig mit einem regelmäßigen Straßennetz angelegt worden. Das Rathaus stand mitten auf dem Marktplatz. Auf einer Anhöhe stand die Kirche, welche 1741 neu gebaut wurde. Zinten gehörte zum Landkreis Heiligenbeil. Das Stadtwappen zeigt zwei sich kreuzende silberne Türme, über denen in blauem Feld ein goldener Stierkopf schwebt.

Während des Zweiten Weltkriegs wechselte Zinten während der Kesselschlacht von Heiligenbeil im Februar 1945, bei der die 4. Armee der deutschen Wehrmacht zerschlagen wurde, mehrmals den Besitzer und wurde ebenso wie die benachbarte Kreisstadt im stärksten Ausmaß zerstört. Nach der Eroberung durch die Rote Armee stand Zinten zusammen mit der ganzen nördlichen Hälfte Ostpreußens bis zur Übernahme durch die Sowjetunion am 7. April 1946 unter Militärverwaltung.

Das nun in Kornewo umbenannte Zinten wurde gleichzeitig Sitz eines Dorfsowjets in der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR).[2] Bis 1948 war die vollständige Flucht und Vertreibung der Einwohner Zintens abgeschlossen und seine zögernde Besiedlung mit Russen hatte begonnen. Durch seine Lage nahe der Grenze zur polnischen Woiwodschaft Ermland-Masuren und abseits bedeutender Verkehrsverbindungen waren die Entwicklungschancen des Ortes seit 1945 gering. Er verlor seine Stadtrechte und ist heute nur noch eine bescheidene Siedlung. Die Altstadt wurde nicht wieder aufgebaut, von der Kirche steht nur noch ein Turmfragment. Das Straßennetz ist kaum noch erkennbar.

Seit dem Zerfall der Sowjetunion gehören Ort und Region zur Russischen Föderation. Von 2008 bis 2016 gehörte der Ort zur Landgemeinde Pogranitschnoje selskoje posselenije und seither zum Stadtkreis Bagrationowsk.

Kornewski selski Sowet/okrug 1947–2008 Bearbeiten

Der Dorfsowjet Kornewski selski Sowet (russisch Корневский сельский Совет) wurde im Juni 1947 eingerichtet.[2] Bis zum Jahr 1962 lag er im Rajon Laduschkin. Nach dessen Auflösung gelangte der Dorfsowjet in den Rajon Bagrationowsk. Nach dem Zerfall der Sowjetunion bestand die Verwaltungseinheit als Dorfbezirk Kornewski selski okrug (russisch Корневский сельский округ). Im Jahr 2008 wurden die verbliebenen drei Orte Kornewo, Kossatuchino und Medowoje in die neu gebildete Landgemeinde Pogranitschnoje selskoje posselenije eingegliedert.

Ortsname Name bis 1947/50 Bemerkungen
Alexandrowskoje (Александровское) Bomben und Robitten[A 1] Der Ort wurde im Jahr 1947 umbenannt und gehörte zunächst zum Dorfsowjet Oktjabrski (Moritten). Seit 1954 gehörte er vermutlich zum Dorfsowjet Tschapajewski und seit 1963 (?) zum Dorfsowjet Kornewski. Der Ort wurde vor 1988 verlassen.
Donskoje (Донское) Dothen, Adlig Gedau und Schwengels Der Ort wurde im Jahr 1947 umbenannt und gehörte zunächst zum Dorfsowjet Oktjabrski. Seit 1954 gehörte er vermutlich zum Dorfsowjet Tschapajewski und seit 1963 (?) zum Dorfsowjet Kornewski.[A 2] Der Ort wurde vor 1975 verlassen.
Kornewo (Корнево) Zinten Verwaltungssitz
Kossatuchino (Косатухино) Barsen Der Ort wurde 1950 umbenannt und gehörte zunächst zum Dorfsowjet Zwetkowski im Rajon Kaliningrad. Seit 1959 (?) im Dorfsowjet Kornewski.
Lesnaja (Лесная) Hollstädt Der Ort wurde 1950 umbenannt und vor 1975 verlassen.
Lesnoi (Лесной) Wangnicken[A 3] Der Zeitpunkt der Umbenennung und die anfängliche Einordnung in einen Dorfsowjet ist unbekannt. Der Ort wurde vermutlich vor 1975 an den Ort Medowoje angeschlossen
Medowoje (Медовое) Sollnicken, Tykrigehnen
und Globuhnen
Der Ort wurde 1950 umbenannt und gehörte zunächst zum Dorfsowjet Zwetkowski im Rajon Kaliningrad. Seit 1959 (?) im Dorfsowjet Kornewski. - Der Teilort Globunen war vor 1975 verlassen
Michailowskoje (Михайловское)[A 4] Maraunen und Nonnenhausen Der Ort wurde im Jahr 1947 umbenannt und gehörte zunächst zum Dorfsowjet Oktjabrski. Seit 1954 gehörte er vermutlich zum Dorfsowjet Tschapajewski und seit 1963 (?) zum Dorfsowjet Kornewski. Der Ort wurde vor 1988 verlassen.
Mitschurino (Мичурино) Klaussitten und Korschellen Der Ort wurde 1950 umbenannt und vor 1975 verlassen.
Nischneje (Нижнее) Sollecken Der Ort wurde 1950 umbenannt und gehörte zunächst zum Dorfsowjet Zwetkowski im Rajon Kaliningrad. Seit 1959 (?) im Dorfsowjet Kornewski gelegen, wurde er vor 1975 an den Ort Kossatuchino angeschlossen.
Ochotnoje (Охотное) Bombitten Der Ort wurde im Jahr 1950 umbenannt und gehörte zunächst zum Dorfsowjet Oktjabrski. Seit 1954 gehörte er vermutlich zum Dorfsowjet Tschapajewski und seit 1963 (?) zum Dorfsowjet Kornewski. Der Ort wurde vor 1975 verlassen.
Usornoje (Узорное) Jäcknitz Der Ort wurde 1950 umbenannt und vor 1975 verlassen.

Die vier im Jahr 1950 umbenannten Orte Poretschje (Ober/Unter Ecker), Priwolnoje (Plössen), Puschkino (Wesselshöfen) und Skworzowo (Dösen) wurden zunächst in den Kornewski selski Sowet eingeordnet, kamen dann (vor 1975) aber zum Pogranitschny selski Sowet.

Auf Karten der 1970er und 1980er Jahre sind auch die beiden weiteren Orte Kuyschen (1938 bis 1945 Kuschen) und Sand eingezeichnet. In amtlichen Verzeichnissen sind sie bisher nicht nachgewiesen worden.

Bevölkerungsentwicklung Bearbeiten

bis 1945
Jahr Einwohner Anmerkungen
1802 1441 [3]
1810 1224 [3]
1816 1587 davon 1505 Evangelische, zwölf Katholiken und 70 Juden[3]
1821 1746 [3]
1831 2069 [4]
1858 2972 davon 2.903 Evangelische, acht Katholiken, zwei sonstige Christen, einer Mennonit und 58 Juden[5]
1864 3349 am 3. Dezember[6]
1875 3201 [7]
1880 3226 [7]
1890 3360 davon 58 Katholiken und 55 Juden[7]
1910 3382
1933 3955 [7]
1939 5801 [7]
seit 1945
Jahr Einwohner Anmerkungen
2002 1870 [8]
2010 1912 [8]

Kirche Bearbeiten

Kirchspiel Bearbeiten

Zinten war schon in vorreformatorischer Zeit Kirchdorf und Pfarrsitz eines Kirchspiels. Bis 1945 gehörten die damals 5840 Gemeindeglieder zum Kirchenkreis Heiligenbeil (heute russisch: Mamonowo) in der Kirchenprovinz Ostpreußen der evangelischen Kirche der Altpreußischen Union. 43 Ortschaften gehörten zum Kirchspiel Zinten (* = Schulort), in dem zwei Pfarrer tätig waren:

Pfarrer Bearbeiten

Von der Reformation bis zur Vertreibung im Jahre 1945 amtierten in Zinten als evangelische Geistliche:

  • Gregorius Kempe, ab 1524
  • Valentin Hayn, bis 1535
  • George Baumgart, 1535–1549
  • Valentin Schulz, 1550–1596
  • Martin Schmulck, bis 1568
  • Marcus Schwilling, 1568–1572
  • Jacob Grening, 1590–1627
  • Martin Forqver, 1598–1600
  • Simon Kranich, 1600–1613
  • Friedrich Martini, 1613
  • George Kretschmer, 1614–1640
  • Stephan Cimdarsus, 1627–1641
  • Daniel Putzius, 1640–1656
  • Daniel Martini, 1641–1662
  • Johann Caspar Sack, 1656–1680
  • August Mauritius, 1662–1685
  • Andreas Meier, 1681–1735
  • Georg Friedrich Möser, 1686–1700
  • Gottfried Zahn, 1700–1740
  • Andreas Theodor Meier, 1718–1762
  • Gottlieb Richter, 1740–1755
  • Carl Friedrich Burow, 1755–1794
  • Andreas Gotthard Meier, 1762–1803
  • Ernst August Friesen, 1769–1774
  • Carl Friedrich Holstein, 1775–1815
  • Ernst Christ. Wohlfromm, 1804–1826
  • Christian Leopold Stuber, 1815–1828
  • Wilhelm Eduard Reichel, 1826–1860
  • Friedrich Wilhelm Rauschke, 1829–1839
  • Wilhelm Otto Glogau, 1830–1832
  • Leopold Eduard Grohnert, 1832–1834
  • Julius Otto Steinwender, 1834–1844
  • Julius Carl W. Lube, 1840–1846
  • Johann Friedrich Schröder, 1847–1853
  • August Moritz Hitzigrath, 1850–1853[A 5]
  • Karl Nietzki, 1854–1884[A 5]
  • Arthur Erasmus, 1879–1881
  • Heinrich Max A. Buttgereit, 1881–1883
  • Oskar Paul Rahn, 1884
  • Friedrich Emil Wilhelm Kühn, 1884–1897
  • Paul Ostermeier, 1884–1886
  • Arthur Georg Hempler, 1887–1922
  • Leopold Krösle, 1897
  • Rudolf Rousselle, 1898–1923[9]
  • Leo Grunau, 1922–1934
  • Rudolf Erich Sack, 1923–1926
  • Gottfried H.J. Podlech, 1927–1932
  • Kurt von Grot, 1932–1945
  • Heinz Gerstmann, 1934–1945

Söhne und Töchter des Ortes Bearbeiten

Anmerkungen Bearbeiten

  1. Robitten lag allerdings im polnischen Teil
  2. Im amtlichen Kaliningrader Ortsverzeichnis von 1976 wird er allerdings als zum Dorfsowjet Pogranitschny gehörend bezeichnet, was beim Blick auf die Karten allerdings als unwahrscheinlich erscheint
  3. Es handelte sich hierbei um das Vorwerk zum Gut Tykrigehnen (Gemeinde Sollnicken im Kreis Preußisch-Eylau); nicht zu verwechseln mit der Gemeinde Wangnicken (Kreis Heiligenbeil)
  4. auch als Michailowka bezeichnet
  5. a b Angehöriger des Corps Masovia

Siehe auch Bearbeiten

Literatur Bearbeiten

  • Daniel Heinrich Arnoldt: Kurzgefaßte Nachrichten von allen seit der Reformation an den lutherischen Kirchen in Ostpreußen gestandnen Predigern. Königsberg 1777, S. 205–208.
  • August Eduard Preuß: Preußische Landes- und Volkskunde oder Beschreibung von Preußen. Ein Handbuch für die Volksschullehrer der Provinz Preußen, so wie für alle Freunde des Vaterlandes. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1835, S. 518–519, Ziffer 120; Textarchiv – Internet Archive.f>
  • Heinrich Lenz: Geschichte der Stadt Zinten. Königsberg i. Pr., 1913.
  • Friedwald Moeller: Altpreußisches evangelisches Pfarrerbuch von der Reformation bis zur Vertreibung im Jahre 1945. Hamburg 1968.
  • Siegfried Dreher (Kreisgemeinschaft Heiligenbeil): Zinten – auf alten Ansichten. Rautenberg, Leer 2003.
  • Martin Zeiller: Zinten. In: Matthäus Merian (Hrsg.): Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae (= Topographia Germaniae. Band 13). 1. Auflage. Matthaeus Merians Erben, Frankfurt am Main 1652, S. 53 (Volltext [Wikisource]).

Weblinks Bearbeiten

Commons: Kornevo, Kaliningrad Oblast – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Таблица 1.10 «Численность населения городских округов, муниципальных районов, муниципальных округов, городских и сельских поселений, городских населенных пунктов, сельских населенных пунктов» Программы итогов Всероссийской переписи населения 2020 года, утвержденной приказом Росстата от 28 декабря 2021г. № 963, с данными о численности постоянного населения каждого населенного пункта Калининградской области. (Tabelle 1.10 „Bevölkerungsanzahl der Stadtkreise, munizipalen Rajons, Munizipalkreise, städtischen und ländlichen Siedlungen [insgesamt], städtischen Orte, ländlichen Orte“ der Ergebnisse der Allrussischen Volkszählung von 2020 [vollzogen am 1. Oktober 2021], genehmigt durch die Verordnung von Rosstat vom 28. Dezember 2021, Nr. 963, mit Angaben zur Zahl der Wohnbevölkerung jedes Ortes der Oblast Kaliningrad.)
  2. a b c Durch den Указ Президиума Верховного Совета РСФСР от 17 июня 1947 г.«Об образовании сельских советов, городов и рабочих поселков в Калининградской области» (Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der RSFSR vom 17. Juni 1947: Über die Bildung von Dorfsowjets, Städten und Arbeitersiedlungen in der Oblast Kaliningrad)
  3. a b c d Alexander August Mützell, Leopold Krug: Neues topographisch-statistisch-geographisches Wörterbuch des preussischen Staats. Band 5: T–Z. Halle 1823, S. 418–419, Ziffer 849.
  4. August Eduard Preuß: Preußische Landes- und Volkskunde oder Beschreibung von Preußen. Ein Handbuch für die Volksschullehrer der Provinz Preußen, so wie für alle Freunde des Vaterlandes. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1835, S. 518–519, Ziffer 120; Textarchiv – Internet Archive.
  5. Adolf Schlott: Topographisch-statistische Uebersicht des Regierungs-Bezirks Königsberg, nach amtlichen Quellen. Hartung, Königsberg 1861, S. 108, Ziffer 306.
  6. Die Ergebnisse der Grund- und Gewerbesteuerveranlagung im Regierungsbezirk Königsberg. Preußisches Finanzministerium. Berlin 1966, Kreis Heiligenbeil, S. 34, Ziffer 220; books.google.de
  7. a b c d e Michael Rademacher: Landkreis Heiligenbeil. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  8. a b Volkszählungsdaten
  9. Angehöriger des Corps Normannia Halle