Wilhelm Joseph Reiff

deutscher Schreiber, Mitglied im Bund der Kommunisten

Wilhelm Joseph Reiff (geboren am 20. Juli 1822 in Kerpen-Hemmersbach bei Köln; gestorben nach April 1860) war ein deutscher Kommis und Angeklagter im Kölner Kommunistenprozess.

Leben Bearbeiten

Wilhelm Joseph Reiff wurde am 20. Juli 1822[1] geboren. Am folgenden Tag zeigte sein Vater, der Handelsmann Jodocus Reiff (geboren 1796), die Geburt seines Sohnes dem Bürgermeister Dunwald in Sindorf an.[2] Seine Mutter war Johanna Marie Sibilla Saßmannshausen. Über Reiffs Jugend ist bisher nichts weiter bekannt. Wilhelm Stieber schreibt, dass er seit 1842 in Köln lebte und als Kommis, Schreiber und Kommissionär tätig war.

Kommunistenprozess 1852 Bearbeiten

Bei seiner Verhaftung war er „ohne Gewerbe“, d. h. arbeitslos.[3] Die Kölner Polizei fertigte 1851 einen Steckbrief von ihm an: „Alter: 29 Jahre, Größe 5 Fuß 2½ Zoll preuß. Maß; Haare: braun; Stirn: hoch. Augen: blau. Nase und Mund: gewöhnlich; Kinn: rund; Bart: braun.“[4]

Am 8. November hatten die Behörden die Untersuchung teilweise abgeschlossen und wollten Peter Gerhard Roeser, Johann Heinrich Bürgers, Peter Nothjung, Hermann Heinrich Becker, Carl Wunibald Otto, Roland Daniels, Wilhelm Joseph Reiff, Johann Jacob Klein, Abraham Jacobi, Friedrich Leßner und Ferdinand Freiligrath anklagen. Der Anklagesenat des ‚Kölner Appelhofs‘ lehnte das aber ab. Erst am 12. Mai 1852 wurde Anklage erhoben und am 4. Oktober 1852 begann der Kölner Kommunistenprozess. Den Angeklagten wurde ein „Komplott“ vorgeworfen, mit dem „Zweck“, „die Staatsverfassung umzustürzen“ und die Bürger für einen „Bürgerkrieg“ „zu bewaffnen“.[5] Der Prozess dauerte bis zum 17. November 1852. Reiff wurde durch den Anwalt Dr. Thesmar vertreten, der im Plädoyer sagte: „Der Angeklagte Reiff, dessen Verteidigung ich führe, hat sich gegen die gegenwärtige Kriminaluntersuchung in doppelter Beziehung zu beklagen. Nicht blos, daß Reiff ohne zureichende Veranlassung in dieselbe hineingezogen, seit Jahr und Tag verhaftet ist und auch nach seiner Freisprechung für lange Zeit in seiner Existenz vernichtet bleibt, wird er auch noch mit gleichem Unrecht in dem Anklageakte als einer der hervorragenden Führer der Kommunistischen Partei geschildert.“[6] Er kam zu dem Schluss, dass Reiff unschuldig im Sinne der Anklage sei. Der Oberprokurator August Heinrich von Seckendorff beantragte für Reiff sechs Jahre[7] ohne Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft. Das Gericht entschied auf „fünf Jahre“[8] Festungshaft. Mit dem Urteil vom 12. November 1852 wurden Reiff für fünf Jahre die bürgerlichen Ehrenrechte gemäß § 63 des preußischen Strafgesetzbuches von 1851 aberkannt.[9] Außerdem erhielt er lebenslange Polizeiaufsicht und musste gemeinsam mit allen anderen Verurteilten die Kosten des Prozesses bezahlen. Er verbüßte die vollständige Strafe auf der Festung Glatz gemeinsam mit Peter Nothjung.[10] Am 12. November 1858 wurde er entlassen.

Nach der Haft Bearbeiten

Noch während der Haft veröffentlicht Wilhelm Stieber seine Die Communisten-Verschwörungen des 19. Jahrhunderts. Über Wilhelm Reiff meint er, ein vernichtendes Urteil abzugeben, wenn er schreibt:

„Er wird von der Untersuchungsbehörde als eine unbedeutende Persönlichkeit geschildert, welche nur als untergeordnetes Werkzeug dem Communistenbunde gedient zu haben scheine, da er nach seinen Verstandeskräften zu einer bedeutenderen Rolle nicht qualifiziert gewesen sein könne.“

Wermuth / Stieber, S. 99.

Im Dezember 1853 und im Februar 1854 reichte Reiff zwei Gnadengesuche ein, die abgelehnt wurden.[11] Er wurde am 12. November 1857 aus der Haft entlassen. Reiff arbeitete in Köln wieder als Kommis bei Kappesbauer und dem Kohlenhändler Fischer.[12] Am 16. Dezember 1859 wurde er steckbrieflich wegen Unzucht gesucht.[13] Reiff floh nach London und ernährte sich als Straßenmusikant[14] und Sprachlehrer.[15] Hier suchte er Kontakt mit Marx, Engels, Leßner, Wilhelm Liebknecht, Georg Lochner und Ferdinand Freiligrath. Auf Grund seiner Haltung im Kölner Prozess, weil er 1850 aus dem Bund ausgeschlossen wurde und wegen des Steckbriefes lehnten alle den Kontakt ab. Das zeitlich letzte Zeugnis von ihm ist sein Brief an Friedrich Leßner, geschrieben Mitte Mai 1860 in Manchester.

„Lieber Leßner! (…)Ich habe meine Violine, die ich Gelegenheit fand zu verkaufen, dabei natürlich aufgegeben. (…) Der Zweck dieses Briefes ist, Dich zu Bitten, einen Gang für mich zu tun. Ich habe nämlich den Kölner Stark beauftragt, Briefe für mich an J. Campell, 2 Agar Street, Strand zu richten. Es ist einer der Schulagenten und ein freundlicher Mann, der mir auch Privatstunden verschafft hat. (…) Adresse. Mr. Eduard Frost 6, Lord st. Hume Manchester.“

Reiff an Friedrich Leßner Mitte Mai 1860.

Über das weitere Schicksal von Reiff ist bisher nichts bekannt.

Dokumente Bearbeiten

  • Protokoll der Komiteesitzung des Kölner Arbeiter-Vereins. 12. November 1848. In: Freiheit, Brüderlichkeit, Arbeit. Köln Nr. 5 vom 9. November 1848.[16]
  • Protokoll der Komiteesitzung des Kölner Arbeiter-Vereins. 15. Januar 1849. In: Freiheit, Brüderlichkeit, Arbeit. Köln Nr. 3 vom 21. Januar 1849.[17]
  • Protokoll der Komiteesitzung des Kölner Arbeiter-Vereins. 25. Januar 1849. In: Freiheit, Brüderlichkeit, Arbeit. Köln Nr. 1 vom 8. Februar 1849.[18]
  • Protokoll der Komiteesitzung des Kölner Arbeiter-Vereins. 29. Januar 1849. In: Freiheit, Brüderlichkeit, Arbeit. Köln Nr. 1 vom 8. Februar 1849.[19]
  • Protokoll der Komiteesitzung des Kölner Arbeiter-Vereins. 5. Februar 1849. In: Freiheit, Brüderlichkeit, Arbeit. Köln Nr. 8 vom 4. März 1849.[20]
  • Protokoll der Komiteesitzung des Kölner Arbeiter-Vereins. 15. Februar 1849. In: Freiheit, Brüderlichkeit, Arbeit. Köln Nr. 6 vom 25. Februar 1849.[21]
  • Protokoll der Komiteesitzung des Kölner Arbeiter-Vereins. 28. Februar 1849. In: Freiheit, Brüderlichkeit, Arbeit. Köln Nr. 8 vom 4. März 1849.[22]
  • Protokoll der Generalversammlung des Kölner Arbeiter-Vereins. 18. Juni 1849. In: Freiheit, Brüderlichkeit, Arbeit. Köln Nr. 32 vom 24. Juni 1849.[23]
  • Reiff an das deutsche Flüchtlings-Komitee in London. 5. Juni 1850.,[24] deutsch. 1 S.
  • Steckbrief vom 16. Dezember 1859. Aus Kölnische Zeitung Nr. 349 vom 17. Dezember 1859
  • Wilhelm Joseph Reiff an Karl Marx. nach dem 11. Januar 1860[25]
  • Wilhelm Joseph Reiff an Friedrich Engels. 6. Mai 1860[26]
  • Wilhelm Joseph Reiff an J. Campbell. 1860.[27]
  • Wilhelm Joseph Reiff an Friedrich Leßner. Mitte. Mai 1860[28]

Zitate Bearbeiten

„Eine förmliche Revolution sei so niemals beabsichtigt worden, vielmehr seien sie gänzlich davon überzeugt gewesen und bei ihrer Verbindung von der Idee ausgegangen, daß, wenn die Arbeiter über ihre Interessen belehrt werden, dieselben für den Fall, daß zufällig eine Revolution ausbrechen sollte, schon wissen würden, wie sie sich zu verhalten hätten.“

Verhörprotokoll W. J. Reiff.[29]

Literatur Bearbeiten

  • Wermuth-Stieber: Die Communistischen-Verschwörungen des neunzehnten Jahrhunderts. Im amtlichen Auftrage zur Benutzung der Polizei-Behörden der sämmtlichen deutschen Bundesstaaten auf Grund der betreffenden gerichtlichen und polizeilichen Acten dargestellt. 2 Theile. A. W. Hayn, Berlin 1852–1854. (Reprint: Klaus Guhl, Berlin 1976, DNB 770195547. )
  • Karl Bittel: Der Kommunistenprozeß zu Köln 1852 im Spiegel der zeitgenössischen Presse. Hrsg. und eingeleitet. Rütten & Loening, Berlin 1955.
  • Manfred Häckel: Freiligraths Briefwechsel mit Marx und Engels. 2 Teile. Akademie-Verlag, Berlin 1968.
  • Der Bund der Kommunisten. Dokumente und Materialien. 1836–1849. Band 1, Dietz Verlag, Berlin 1970.
  • Der Bund der Kommunisten. Dokumente und Materialien. 1849–1851. Band 2, Dietz Verlag, Berlin 1982.
  • Der Bund der Kommunisten. Dokumente und Materialien. 1851–1852. Band 3, Dietz Verlag, Berlin 1984.[30]
  • Jürgen Herres: Der Kölner Kommunistenprozess von 1852. In: Geschichte in Köln. Zeitschrift für Stadt und Regionalgeschichte. 50/2003 Onlineversion. (PDF-Datei; 103 KB)

Weblinks Bearbeiten

  • Karl Marx: Enthüllungen über den Kommunistenprozess zu Köln. Boston 1853. (online)
  • Der Beckersche Prozeß. In: Das große Conversations-Lexicon für gebildete Stände. Erster Supplement Bd. Hildburghausen 1853, S. 1505–1519. (online)
  • Wermuth, Wilhelm Stieber: Die Communisten-Verschwörungen des 19. Jahrhunderts. Berlin 1854, S. 99. (online)
  • Klaus Körner: Kölner Komunnistenprozess, in: Kurt Groenewold, Alexander Ignor, Arnd Koch (Hrsg.): Lexikon der Politischen Strafprozesse, Online, Stand Januar 2018

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Bisherige Angaben zum Geburtsjahr lauteten „etwa 1824“.
  2. Geburtsurkunde Nr. 39/1822 „Sindorf Kreis Bergheim Regierungsdepartement von Köln“. Kopie der Geburtsurkunde aus dem Stadtarchiv Kerpen.
  3. Karl Bittel, S. 48.
  4. Karl Bittel, S. 22.
  5. Karl Bittel, S. 48.
  6. Karl Bittel, S. 206.
  7. Karl Bittel, S. 298.
  8. Karl Bittel, S. 298.
  9. § 63 pr. StG online
  10. „Von den im Kommunistenprozeß verurtheilten Personen befinden sich (…) Nothjung und Reiff in Glatz“ (Bayerische Landbötin. Nr. 11, 13. Jänner 1853.)
  11. Der Bund der Kommunisten. Band 3, S. 497.
  12. Ferdinand Freiligrath an Joseph DuMont 5. Januar 1860 (Manfred Häckel. Teil 2, S. 164.)
  13. „Steckbrief. Der hierselbst wegen Unzucht zur Untersuchung gezogene Kaufmann Wilhelm Joseph Reiff ist flüchtig. Indem ich sein Signalement hierunten mittheile, ersuche ich sämmtliche Polizeibeamten, auf denselben zu wachen, ihn im Betretungsfalle verhaften und mir vorführen zu lassen. Köln 16. Dec. 2859. Der Ober-Procuratur, Boelling. Signalement: Alter 37 Jahre, Größe 5 Fuß 3 Zoll, Haare und Augenbrauen braun, Nase stumpf, Mund gewöhnlich Bart braun, Kinn breit, Gesicht oval, Gesichtsfarbe gesund, blaß, Statur mittel. Besondere Kennzeichen: an dem Zeigefinger der linken Hand fehlt ein Glied.“ Zitiert nach Manfred Häckel. Teil 2, S. 164.
  14. „Der Reiff ist hergekommen, wie er sagt auf Liebknechts, Lochners etc. Anraten! Er will von mir Unterstützung haben, er treibt Straßenmusik“. (Friedrich Engels an Karl Marx. 7. Mai 1860. Marx-Engels-Werke. Band 30, S. 52.)
  15. Wilhelm Joseph Reiff an Friedrich Leßner Mitte Mai 1860.
  16. Der Bund der Kommunisten. Band 1, S. 865.
  17. Der Bund der Kommunisten. Band 1, S. 896 f.
  18. Der Bund der Kommunisten. Band 1, S. 1147.
  19. Der Bund der Kommunisten. Band 1, S. 902 ff.
  20. Der Bund der Kommunisten. Band 1, S. 1147–1148.
  21. Der Bund der Kommunisten. Band 1, S. 908.
  22. Der Bund der Kommunisten. Band 1, S. 1150.
  23. Der Bund der Kommunisten. Band 1, S. 960.
  24. IISG Marx Engels Nachlass Signatur O 42.
  25. Marx-Engels-Gesamtausgabe. Abteilung III. Band 10, S. 154.
  26. Marx-Engels-Gesamtausgabe. Abteilung III. Band 10, S. 540.
  27. IISG Marx Engels Nachlass Signatur R89.
  28. Der Bund der Kommunisten. Band 3, S. 498.
  29. Shlomo Na’aman: Zur Geschichte des Bundes der Kommunisten in Deutschland während der zweiten Phase seines Bestehens. In: Archiv für Sozialgeschichte. Hannover 1965, S. 42.
  30. Ausführliche Biografie, Note 737, S. 497.