Das Wienhäuser Liederbuch ist eine spätmittelalterliche Papierhandschrift, die kurz nach 1460 in dem Zisterzienserinnenkloster Wienhausen aus Vorlagen des 14. und 15. Jahrhunderts zusammengestellt wurde. Neuere Datierungen bestätigen das Jahr 1470.

Inhalt der Handschrift Bearbeiten

Die Handschrift besteht aus 40 Blatt im Hochformat in den Maßen 10 × 14 cm. Sie ist heute in biegsames Schweinsleder eingebunden. An der Abfassung waren laut Sievers wahrscheinlich fünf Schreiberinnen beteiligt.[1]

Die Papierhandschrift enthält 59 Lieder, davon sind 55 religiösen und 4 weltlichen Inhalts, dazu eine Reimprosa. In Latein sind 17 Lieder verfasst, in lateinisch-niederdeutscher Wechselsprache 6 Lieder und 36 Lieder ganz in niederdeutscher Sprache.

Die 15 Melodien der Handschrift sind einstimmig in den Hufnagelnoten des 15. Jahrhunderts auf vier Linien notiert und zeigen einen unverkennbaren niederländischen Einfluss. Sie sind eine wichtige Quelle zur Erforschung des niederdeutschen Volksliedes. Zu den heute noch gebräuchlichen Kirchenliedern zählen In dulci jubilo (Nr. 14), Wir wollen alle fröhlich sein (Nr. 7). Bekannt ist auch das Volkslied Die Vogelhochzeit (Nr. 59).

Heinrich Sievers hat nach eigenen Angaben diese Handschrift im Klosterarchiv Wienhausen im Jahr 1932 wiederentdeckt.[1] Sie wird dort aufbewahrt und trägt das Sigel Hs. 9.

Literatur Bearbeiten

  • Paul Alpers: Das Wienhäuser Liederbuch. In: Niederdeutsches Jahrbuch 69/70 (1943–1947), S. 1–41 (textkritische Ausgabe).
  • Heinrich Sievers: Das Wienhäuser Liederbuch. Faksimile und Übertragung. 2 Bd. Möseler, Wolfenbüttel 1954.
  • Paul Alpers: Weltliches im Wienhäuser Liederbuch. In: Jahrbuch für Volksliedforschung 12 (1967), S. 93–102.
  • Heinrich Sievers: Wienhäuser Liederbuch. In: Friedrich Blume (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Erste Ausgabe, Band 14 (Vollerthun – Zyganow). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1968, DNB 550439609, Sp. 627.
  • Kathrin Agricola: „O here, giff my der leve brant“. Mystische Lyrik im Wienhäuser Liederbuch. In: Wolfgang Beutin (Hrsg.): Europäische Mystik vom Hochmittelalter zum Barock. Eine Schlüsselepoche in der europäischen Mentalitäts-, Spiritualitäts- und Individuationsentwicklung. Frankfurt am Main 1998, S. 139–165.
  • Carla Dauven-van Knippenberg: Ein Schauspiel für das innere Auge? Notiz zur Benutzerfunktion des Wienhäuser Osterspielfragments. In: Christa Habiger-Tuczay (Hrsg.): Ir sult spreche willekomen. Grenzenlose Mediävistik. Festschrift für Helmut Birkhan zum 60. Geburtstag. Bern u. a. 1998, S. 778–787.
  • Anja Sroka: Mystik im Lied. Rezeption mystischer Traditionen im Wienhäuser Liederbuch. In: Jahrbuch der Oswald-von-Wolkenstein-Gesellschaft 10 (1998), S. 383–394.
  • Peter Kaufhold: Das Wienhäuser Liederbuch (= Kloster Wienhausen. Bd. 6). Kloster Wienhausen, Wienhausen 2002, ISBN 3-9801316-8-8.
  • Vanessa Noll: Das Kloster Wienhausen und das Wienhäuser Liederbuch – Unter der Beobachtung von Einflüssen der Mystik im Wienhäuser Liederbuch. GRIN Verlag, 2009, ISBN 978-3-640-36454-1.
  • Friedel Helga Roolfs: Das Wienhäuser Liederbuch. Eine kodikologische Annäherung. In: Linda Maria Koldau (Hrsg.): Passion und Ostern in den Lüneburger Klöstern. Ebstorf 2010, S. 245–264.

Kompositionen Bearbeiten

  • Alfred Koerppen: Invocationen nach Gesängen des Wienhäuser Liederbuches für Schola, gem. Chor, Fl. Ob. Vl. Vc. Kb. u. Orgel. Möseler, Wolfenbüttel 1968.

Tonaufnahmen Bearbeiten

  • Elisabeth Schlemilch singt Weisen aus dem Wienhäuser Liederbuch. Camerata CM 17997 N.

Weblinks Bearbeiten

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. a b Heinrich Sievers: Wienhäuser Liederbuch. In: Friedrich Blume (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG). Erste Ausgabe, Band 14 (Vollerthun – Zyganow). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 1968, DNB 550439609, Sp. 627