Die Weierstraßsche Zerlegungsformel ist eine Formel aus der reellen Analysis und geht zurück auf den deutschen Mathematiker Karl Weierstraß. Sie zerlegt Werte differenzierbarer Funktionen in zwei Summanden: erstens den Wert der Tangentenfunktion der Ausgangsfunktion bezüglich eines Punktes des Definitionsbereiches und zweitens das Restglied beziehungsweise den Fehler der linearen Approximation.

Diese Formel ist fundamental in der Differentialrechnung, da die Weierstraßsche Zerlegbarkeit äquivalent ist zu der grundlegenden Eigenschaft der Differenzierbarkeit von Funktionen. Sie ist beispielhaft für Weierstraß’ Verdienste um die Systematisierung und Exaktifizierung der Analysis.

Bedeutung der Formel Bearbeiten

Die Darstellung der Funktionswerte durch die Weierstraßsche Zerlegungsformel erfolgt in der Regel mithilfe einer Funktion   von zwei Variablen, die entsprechend   definiert wird. Ihre Funktionswerte geben die Wertedifferenz zwischen der Tangentenfunktion   und der Funktion   an, wobei der Graph von   den von   in   berührt:

 .

Die Bedeutung dieser Formel liegt vor allem in der Beschaffenheit des Restgliedes  : Der genaue Verlauf der Funktion   ist zwar oft uninteressant, bedeutsam ist jedoch, dass sie in einer Umgebung von   definiert ist und für den Grenzübergang   mit höherer als linearer Ordnung gegen   konvergiert (vgl. Konvergenzgeschwindigkeit). Deshalb kann   wie folgt umgeschrieben werden:   mit  .

Es ergeben sich einige Aspekte:

Aufgrund der quadratischen Konvergenz des Restgliedes ist die Tangentenfunktion   selbst die optimale lokale lineare Approximation der Funktion   bezüglich  . Das Attribut „lokal“ drückt hierbei aus, dass im Allgemeinen genau die Argumente aus einer (abhängig von der konkurrierenden Approximationsfunktion) hinreichend kleinen Umgebung von   die besseren Funktionswertenäherungen liefern. Dieses Verhalten wird zum Beispiel bei den bekannten Näherungsformeln   und   für Argumente in einer kleinen Umgebung von   genutzt.

Die Äquivalenz von Differenzierbarkeit und Weierstraßscher Zerlegbarkeit ermöglicht alternativ zur Existenzaussage über den Differentialquotienten eine andere Schreibweise für die Eigenschaft der Differenzierbarkeit und damit einen anderen Zugang zur Infinitesimalrechnung.[1]

Beweis Bearbeiten

Die Äquivalenz von Weierstraßscher Zerlegbarkeit und Differenzierbarkeit wird durch den Beweis der Implikation in beide Richtungen gezeigt.

Schluss von Differenzierbarkeit auf Zerlegbarkeit Bearbeiten

Es wird gezeigt, dass bei der Zerlegung einer differenzierbaren Funktion in genannter Weise tatsächlich das Restglied schneller als linear gegen   konvergiert und damit in der Schreibweise mithilfe der Funktion   darstellbar ist.

Sei   mit   beliebig aus einer Umgebung von   gewählt, in der   definiert ist, und sei   differenzierbar in  . Dann ist

 
 .

Da   in   differenzierbar ist, konvergiert die linke Seite der Gleichung für   und es ergibt sich die gewünschte Eigenschaft des Restgliedes:

 .

Schluss von Zerlegbarkeit auf Differenzierbarkeit Bearbeiten

Es wird von der Zerlegungsformel für die Funktion   ausgegangen, wobei der Term  , dessen Existenz die Behauptung ist, durch einen reellen Wert   einer geeignet definierten Funktion   ersetzt wird. Sei   wie im vorangegangenen Beweis gewählt und   eine von   abhängende Funktion mit  .

Es gilt also

 .

Die rechte Seite der Gleichung konvergiert für den Grenzübergang  , da   nur von   abhängt und damit existiert der Differentialquotient. Darüber hinaus ergibt sich sogar  .

Andere Schreibweisen Bearbeiten

  • Analog zu den Varianten der Schreibweise des Differenzenquotienten kann man die oben ausgeführte Schreibweise der Zerlegungsformel mit der Bezugsstelle   und der Variablen   auch mittels   und der Differenz   oder auch   zwischen der Variablen und der Bezugsstelle ausdrücken. Dann heißt die Zerlegungsformel   Dabei ist hinsichtlich der Werte von   zu beachten, dass die Eigenschaft des mindestens quadratischen Verschwindens für den Grenzübergang   der Argumente   erfolgt,   also folglich in einer Umgebung von   bezüglich der ersten Variable betrachtet wird.
  • Außerdem kann man   auch als Funktion von nur einer Variablen definieren, nämlich   im oben verwendeten Sinne (oder   bei der variierten Schreibweise), wenn man bei deren Verwendung stets darauf hinweist, dass man lediglich ein spezielles und konstantes   verwendet.
  • Eine Schreibweise mit   legt nahe, die Formel zusätzlich mit   zu formulieren:   Dabei kann allerdings das Missverständnis von   als tatsächliche Funktionswertedifferenz von   auftreten, obwohl in Wirklichkeit nur der lineare Zuwachs gemeint ist. Diesem Problem kann man ausweichen, indem man anstatt der Delta-Schreibweise die leibnizsche Differentialschreibweise mit   und   nutzt, die sich im Grunde genommen aus der lokalen Zerlegung der Funktion ergibt.

Einzelnachweise Bearbeiten

  1. Ernst-Adam Pforr, Winfried Schirotzek: Differential- und Integralrechnung für Funktionen mit einer Variablen. Vieweg+Teubner Verlag, ISBN 978-3-322-81032-8, S. 85.